Diesel vs. Benziner Der verhinderte Sinneswandel
Im Jubeltaumel der IAA mehren sich wieder Bekenntnisse zum Diesel: Fürs Klima ist er doch unverzichtbar, oder? Gleichzeitig scheinen Vergleichszahlen aus dem Verkehrsministerium das Gegenteil zu belegen. Beides ist falsch.
Auf einmal gibt es sie wieder, die Treueschwüre für den Diesel. Jüngstes und prominentestes Beispiel: Auf der IAA in Frankfurt stärkte Vizekanzler Sigmar Gabriel (was hat der eigentlich als Außenminister auf der IAA zu suchen?) der Autoindustrie im Allgemeinen und dem Diesel im Besonderen den Rücken. Die Formulierungen, die im Zusammenhang mit dem Diesel nun geschickt in die Debatte injiziert werden: Der Diesel werde als "Brückentechnologie" gebraucht und sei für den "Klimaschutz unverzichtbar".
Das ist aber falsch.
Richtig ist: Der Diesel kann sich, wenn die Hersteller entsprechenden Aufwand betreiben und die entsprechenden Kosten nicht scheuen, seiner Stickoxidproblematik entledigen. Richtig ist auch: Ein Dieselmotor ist im direkten Vergleich (gleicher Hubraum, gleiche Leistung, gleiches Fahrzeuggewicht) sparsamer als ein Benzinmotor, stößt also weniger CO2 aus.
Er schont, zumindest in der Theorie, das Klima.
Der Diesel ist Deutschland
Die alternativlose Brückentechnologie ist er deswegen noch lange nicht. Hybridfahrzeuge erreichen auch mit Benzinmotoren ähnliche Verbräuche wie Dieselfahrzeuge, die ohne Elektrounterstützung auskommen müssen. Der Unterschied: Der Hybrid ist eine japanische Technologie, das Markenzeichen von Toyota. Das Markenzeichen der deutschen Hersteller: der Diesel.
Man müsse technologie-offen in die Zukunft schauen, mahnten diese im ersten Schreck über die zwischenzeitlich drastisch vorgetragenen Forderungen nach mehr Elektroautos. Und auch das ist im Kern richtig: Solange nicht geklärt ist, aus welchen nachhaltigen Quellen der Strom und die Rohstoffe für die Akkus kommen sollen, ist eine Dämonisierung von Verbrennermotoren und ein abrupter Austausch der Fahrzeugflotte nicht sinnvoll.
Aber technologie-offen bedeutet auch, dass man den Diesel hinterfragt und nicht verklärt. Denn seine Heilkraft für das Klima ist zweifelhaft.
Der Dieselmotor ist nicht mehr das Problem
Erst gerade hat das Bundesverkehrsministerium höchstselbst auf eine kleine Anfrage der Grünen hin Vergleichszahlen veröffentlicht, die belegen: Im Schnitt stoßen Diesel-Fahrzeuge in Deutschland fast genau so viel C02 aus wie Benziner.
Wie diese Zahlen meist interpretiert wurden, ist aber leider auch falsch. Der Dieselmotor ist im direkten Vergleich immer noch sparsamer als ein Benziner (siehe oben). Wer sich die Zahlen des Verkehrsministeriums genauer anschaut, stellt fest, dass die Dieselfahrzeuge im Schnitt deutlich schwerer und die Triebwerke entsprechend leistungsstärker sind: nämlich 30 Prozent schwerer und 21 Prozent leistungsstärker als neue Benziner - und das über einen Zeitraum von mehreren Jahren.
Das problematische am modernen Dieselmotor ist in Wahrheit, dass er uns bislang davor schützt, einer unbequemen Wahrheit ins Auge zu sehen: Dass wir in Zukunft nicht nur andere Antriebe, sondern auch andere Autos fahren müssen. Wenn wir das Klima schonen wollen, müssen wir kleine, leichte, windschlüpfrige Autos fahren.
Doch das Gegenteil ist aktuell der Fall. Die Hersteller bringen immer mehr SUV-Varianten auf den Markt. Die sportlichen Geländewagen sind bei gleicher Grundfläche immer größer, schwerer und haben mehr Luftwiderstand als eine vergleichbare Limousine oder ein Kombi - verbrauchen also mehr. Die Kunden reißen sie den Autobauern trotzdem aus der Hand, die Nachfrage steigt stetig. Und das eben auch, weil der Verbrauchsnachteil dieser Fahrzeuggattung durch den Verbrauchsvorteil des Diesels wettgemacht wird.
Um die Wahrheit drücken sich alle herum
Der Kunde sieht es so: Ich kann ein größeres, stärkeres Auto fahren, das genauso viel verbraucht, wie ein kleinerer Benziner - und zahle weniger, weil Diesel wegen des Steuervorteils immer noch günstiger ist als Benzin. Und der Hersteller freut sich, denn fette Autos ergeben fette Gewinne.
Das Problem ist also weniger die Technologie selbst als das, was sie auslöst - oder genau genommen - verhindert: Einen Sinneswandel nämlich, einen bewussten Umgang mit Ressourcen. Der Dieselmotor selbst ist nicht das Problem, sondern die Autos, die er möglich macht.
Um diese Wahrheit drücken sich alle herum, die den Dieselmotor als alternativlose Brückentechnologie für ein besseres Klima propagieren. Das bedeutet nicht, dass man den Dieselmotor dämonisieren muss. Sinnvoll wäre erstmal, den Steuervorteil für Dieselkraftstoff aufzuheben, der den Selbstzünder für den Kunden zumindest finanziell immer zum Gewinner macht.
Das wäre im Übrigen auch echte Technologieoffenheit - und eine wirklich unverzichtbare Maßnahme für das Klima.