Schüler ertappen rasende Lehrerin Geschichten, die der Blitz-Marathon schreibt
Blitz-Marathon in Deutschland: Eltern blamieren sich vor ihren Kindern, einem Raser missglückt die Flucht vor der Polizei - und der Schnellste war mit 238 km/h unterwegs.
Düsseldorf - Beim zweiten bundesweiten Blitz-Marathon sind erneut Tausende Autofahrer zu schnell in die Tempokontrollen gerast - obwohl die Aktion lange vorher angekündigt war und sogar die Standorte der Polizei bekannt gegeben wurden.
- Spitzenreiter war laut Zwischenbilanz ein Fahrer in Reutlingen (Baden-Württemberg), der mit Tempo 238 statt der erlaubten 100 Stundenkilometer unterwegs war. In Brandenburg wurde auf der A2 zwischen Netzen und Lehnin ein Autofahrer mit 219 statt der erlaubten 120 Stundenkilometer gemessen.
- In Nordrhein-Westfalen waren auch Kinder bei den Kontrollen im Einsatz: An einer Schule in Düsseldorf ertappte ein Junge seine eigene Mutter, die zu schnell im verkehrsberuhigten Bereich unterwegs war. Auch eine Lehrerin durfte sich von ihren Schülern wegen zu schnellen Fahrens einiges anhören.
- In Münster berichtete ein Vater gegenüber den Beamten, dass er seinem Sohn am Morgen noch einen Warnzettel auf den Tisch gelegt habe: "Halte Dich an die Geschwindigkeit, es ist Blitz-Marathon!" Der Vater war dann mit 130 statt erlaubten 100 Stundenkilometer erwischt worden.
- In Essen im Ruhrgebiet geriet am Morgen eine Autofahrerin prompt in Anwesenheit des Ministers mit Tempo 59 statt 30 in die Tempofalle. Weil Kinder das Messgerät bedienten, kam sie um 120 Euro Bußgeld herum, aber nicht um eine eindringliche Ermahnung.
- Die Ermahnung durch die Polizei wollte sich ein 46-jähriger Raser bei Essen ersparen, indem er auf der Autobahn 52 Gas gab, anstatt anzuhalten. Er fuhr der Polizei über den Standstreifen davon, bis er in eine Leitplanke krachte. Er blieb unverletzt.
- Bei Twitter rangierte das Stichwort #Blitzmarathon am Donnerstag schnell auf Platz eins der Topthemen: "Extra noch schnell beim Friseur gewesen, falls es blitzt", hieß es etwa. Oder: "Kinder belohnen langsame Autofahrer mit Süßigkeiten. Ich dachte, die sind um diese Zeit in der Schule."
Bei der breiten Masse der Autofahrer zeigten die Ankündigungen der Großaktion aber Wirkung. Sie seien deutlich langsamer als sonst unterwegs gewesen, berichtete stellvertretend die Berliner Polizei am Donnerstag. An fast 7500 Stellen im gesamten Bundesgebiet wurde geblitzt und gelasert. Mehr als 13.000 Polizisten waren im Einsatz. Die Aktion dauert 24 Stunden und sollte am Freitagmorgen um 6 Uhr beendet sein.
"PR-Aktion ohne nachhaltigen Effekt"
Es gehe nicht darum, möglichst viele Bußgelder zu verhängen, sondern darum, die Autofahrer zu langsamerer Fahrweise zu bewegen, betonte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD), der auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist. "Das Schönste wäre, wenn heute kein Einziger ein Knöllchen kriegen würde, sondern alle mal reflektieren, was wir tun", sagte er. "Wir wollen die Köpfe erreichen, nicht die Portemonnaies."
Kritik am Blitz-Marathon kam von der Gewerkschaft der Polizei (GdP): Deren Bundesvorsitzender Oliver Malchow sprach von "einer PR-Aktion ohne nachhaltigen Effekt auf die Verkehrssicherheit". Der "Passauer Neuen Presse" sagte Malchow: "Es reicht eben nicht, Blitzer aufzustellen."
Auch Siegfried Brockmann, führender Unfallforscher vom Gesamtverband der Versicherer, zeigte sich skeptisch: Verkehrssünder mit dauerhaftem Bleifuß erreiche man nur über dauerhaften Kontrolldruck. Er kritisierte aber, dass Tempokontrollen als "Abzocke" bezeichnet würden. "Dieses Wort ist so unsäglich, weil es die Polizei als die Schurken darstellt und Temposündern eine Legitimation bis weit in Kreise hinein verschafft, die eigentlich ganz gesetzeskonform fahren."
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cst/dpa