Comeback der kompakten Limousinen Knick ist schick
Einst galten kompakte Limousinen wie der VW Jetta oder Mercedes 190 als Inbegriff des Spießerautos. Jetzt jedoch sind kleine Stufenheckler wieder en vogue - vor allem, weil Kunden in den USA und China drauf stehen.
Eine umhäkelte Klopapier-Rolle oder ein Wackeldackel auf der Hutablage, der Fahrer mit Hut - mit diesen Klischees waren Kompaktlimousinen in den siebziger und achtziger Jahren untrennbar verbunden. Typische Autos waren Audi 80 oder Mercedes 190, zu dieser Zeit die Spießerkarren schlechthin. Das Interesse an derartigen Typen ließ Mitte der Neunziger allerdings rapide nach, zuletzt waren kompakte Limousinen fast ganz verschwunden.
Plötzlich aber gilt ausgerechnet diese Gattung wieder als hip - besonders bei Mercedes und Audi. Der jetzt vorgestellte, flach geduckte Viertürer Mercedes CLA war lediglich der Anfang. Noch im Sommer folgt Audi mit dem Stufenheck-Ableger des A3. Und wenn BMW im nächsten Jahr seine neue Frontantriebsplattform einführt, wird auf diesem technischen Gerüst nicht nur ein Kompaktvan im Format der Mercedes B-Klasse, sondern ebenfalls ein Viertürer mit Stufenheck basieren.
Was steckt hinter diesem Comeback solcher vergleichsweise kleiner Limousinen? Die Antwort findet sich vor allem außerhalb Europas: Auf den wichtigen Märkten in den USA und China nämlich können die Kunden mit den in Europa beliebten Schrägheck-Modellen ("Hatchback") wie Mercedes A-Klasse oder dem Audi A3 nicht viel anfangen. "Teilweise wird dort nur eine Limousine als vollwertiges Auto anerkannt", sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach.
Großes Wachstum bei kleinen Autos
Deshalb sei das Stufenheck die weltweit meistverkaufte Fahrzeuggattung, ergänzt Henner Lehne vom Automarkt-Analysten IHS Automotive. Und das weitaus größte Segment für diese Fahrzeuge ist die Kompaktklasse. "Mit aktuell rund elf Millionen Zulassungen und einem Marktanteil von knapp 14 Prozent stellen kompakte Limousinen das größte Segment der Welt", sagt Lehne. Weiteres Wachstum sei wahrscheinlich. "Bis 2020 dürften es knapp 15 Millionen Verkäufe pro Jahr sein."
Traditionell werde diese Fahrzeugklasse vor allem von Volumen- und Billigherstellern bedient, weil sie besonders auf den Entwicklungsmärkten eine wichtige Rolle spiele. Doch je mehr Menschen - zum Beispiel in China - zu Geld kommen, desto interessanter wird der Autotyp auch für noblere Marken.
Mercedes, Audi und demnächst auch BMW wollen mit den neuen Limousinen vom erwarteten Wachstum profitieren und zielen deshalb in die Lücke, die zwischen VW Jetta oder Chevrolet Cruze auf der einen, und Mercedes C-Klasse, Audi A4 und BMW 3er auf der anderen Seite klafft. Neben der Steigerung der Stückzahlen sei dabei noch ein ganz anderes Ziel relevant, sagt IHS-Experte Lehne. "Man muss diese Modelle auch im Hinblick auf die weltweiten CO2-Regularien sehen. Die Kunden können so ihre Steuerlast senken und der Hersteller kommt den vorgegebenen Flottenverbrauchszielen näher."
Vom hiesigen Marketing werden Autos wie die A3 Limousine und der CLA geradezu als Revolution angepriesen. Tatsächlich jedoch sind die Fahrzeuge nach einem einfachem Muster gestrickt: "Mit Plattformen und Baukästen ist es günstig geworden, solche Derivate in die bestehenden Baureihen zu integrieren", sagt Lehne. Das gilt selbst für die Audi A3 Limousine, die bis auf Kühlergrill, Spiegel und Scheinwerfer kein Karosserieteil mit den anderen A3-Typen gemein hat, denn die darunter liegende Technik ist identisch.
Für die Designer sei das Entwerfen einer Limousine inzwischen ein dankbarer Job, sagt Professor Lutz Fügener von der Fachhochschule Pforzheim, ein Imageproblem gebe es nicht mehr. "Die noblen Marken ziehen in der Regel den größten Prestigewert aus den großen Limousinen. Da ist es nur logisch, dass sie einen sehr direkten Imagetransfer versuchen."
Wie wichtig die Modellvarianten für die Bilanz der Baureihen sind, lässt Audi-Produktmanager Heiko Pabst von Ohain erkennen: "Weltweit dürfte sich jeder zweite A3-Kunde für den Viertürer entscheiden", ist er überzeugt - bei einer Planzahl von mehr als 200.000 Autos im Jahr ist das dann schon ein weitere Karosserievariante wert.