Teststrecke für vernetztes Fahren Staufrei durch Europa
Keine Unfälle, kaum Staus: Die Industrie präsentiert auf der Fachmesse Electronica eine Technik, die Autos miteinander kommunizieren lässt. 2015 wird eine europäische Teststrecke eröffnet.
Der Kombi zieht zum Überholen nach links. Plötzlich gibt es Alarm. Der Fahrer bricht den Überholvorgang ab. Eine halbe Sekunde später sieht er den Sportwagen heranrasen, mit dem er fast zusammengestoßen wäre. Glück gehabt. Sein Auto wusste, was passieren würde, bevor der Sportwagen im Sichtfeld auftauchte. Beide Wagen hatten pausenlos elektronische Signale miteinander ausgetauscht.
Szenen wie diese könnten ab dem nächsten Jahr Wirklichkeit werden. Dann startet der Betrieb einer 1300 Kilometer langen europäischen Versuchsstrecke von Rotterdam über Frankfurt nach Wien, auf der die Technik des vernetzten Fahrens getestet werden soll. Daten über gefährliche Bremsmanöver, Hindernisse und drohende Unfälle sollen dann zwischen den Fahrzeugen in Sekundenbruchteilen hin und her geschickt werden.
Autohersteller, Zulieferer und Elektronikkonzerne arbeiten seit Jahren an dieser Technologie. Nun sei sie marktreif, verkündet Wilke Reints, der bei Siemens die Forschung und Entwicklung intelligenter Verkehrssysteme leitet. Den Beweis wollen die Anbieter auf der am Dienstag startenden Messe Electronica in München liefern.
Vernetzte Autos sind ein Milliardengeschäft
Das vernetzte Fahren ist eines der großen Themen auf dem Branchentreffen. Es geht um die Zukunft des Straßenverkehrs. Denn Vernetzung ist auch die Grundlage für das autonome Fahren, bei dem sich Autos ohne Fahrer eines Tages sicher über die Straßen bewegen sollen. Das wäre ein Milliardengeschäft - deshalb arbeiten praktisch alle großen Autobauer daran.
Der europäische Testkorridor ist der erste Schritt dahin. Um die Vorteile zu nutzen, müssen Autos über zusätzliche Technik verfügen. Der niederländische Halbleiterkonzern NXP zum Beispiel hat eine drei mal drei Zentimeter große Platine entwickelt, die in die kleine Dachflosse eingebaut werden kann, in der sich die Autoantenne befindet. Über diese Chipsätze werden die im Wagen über Sensoren ermittelten Daten an andere Autos verschickt. Ab 2017 sollen die ersten Modelle des Herstellers General Motors, zu dem auch Opel gehört, damit ausgestattet werden. Auch das Cockpit muss bei diesen Fahrzeugen angepasst werden.
Die Funkverbindung zwischen den Autos ist mit einem W-Lan-Netzwerk vergleichbar, das eine Reichweite von bis zu zwei Kilometern hat. In diese Ad-hoc-Netzwerke klinken sich heranfahrende Autos automatisch ein und beginnen mit dem Datenaustausch. Die fahrenden Netze ändern ständig ihre Position und Zahl ihrer Teilnehmer. Ein solches Ad-hoc-Netzwerk muss auch bei hoher Geschwindigkeit zuverlässig funktionieren. "Zum Beispiel, wenn sich zwei Porsche mit jeweils 200 Kilometer pro Stunde begegnen", sagt NXP-Entwicklungsleiter Lars Reger.
Für Elektroautos schalten Ampeln auf grüne Welle
Zusätzlich zur Verbindung zwischen Autos sollen auch Ampeln, Verkehrsschilder oder Warntafeln entlang der Straße an ein Netzwerk angeschlossen werden. Autofahrer wüssten dann zum Beispiel mit welcher Strecke und Geschwindigkeit sie Staus am besten vermeiden können. In Innenstädten wüssten die Ampeln, dass sich ein umweltfreundlicher Bus oder ein Elektroauto nähert und würden auf grüne Welle schalten.
Das muss allerdings ohne störende Einflüsse von außen geschehen. Hacker sollen auf keinen Fall die Daten manipulieren können. "Die Verkehrsteilnehmer müssen sich darauf verlassen können, dass nur Meldungen ins Netz kommen, die absolut sicher sind", sagt Lars Reger vom niederländischen Halbleiterkonzern NXP. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn falsche Daten ein Fahrzeug dazu bringen, das Tempo des vorausfahrenden Fahrzeugs falsch einzuschätzen. Gleich mehrere Sicherheitsschlüssel im Fahrzeug würden prüfen, ob die Daten aus einer zuverlässigen Quelle stammen, sagt Reints. Sein Unternehmen habe Erfahrung mit diesen Dingen. Sie stammen aus einem anderen Bereich: dem Onlinebanking.