Santa Catalina Die Insel der Autozwerge
Amerika - das ist das Land der Trucks und Pick-Ups. Doch auf der kalifornischen Insel Santa Catalina sieht der Auto-Alltag anders aus. Wer hier ein Auto fahren will, muss darauf 14 Jahre warten. Es sei denn, er nimmt ein "Autoette".
Normalerweise würde sie wahrscheinlich eine Mercedes S-Klasse fahren, einen großen Cadillac oder zumindest einen Lexus. Schließlich gehören Kay, der freundlichen Amerikanerin, zwei gut gehende Hotels. Doch statt einer Luxuslimousine fährt die Unternehmerin nur einen kleinen Smart. Nicht etwa, weil sie sich besonders für die Umwelt engagiert. Nein, dort, wo Kay wohnt und arbeitet, darf sie kein größeres Auto kaufen. Zumindest nicht mal eben so.
Die freundliche Dame in den Fünfzigern lebt auf Santa Catalina Island vor der Küste von Los Angeles und kämpft mit einem Problem, das in Amerika ungewöhnlich ist: Ähnlich wie in Deutschland auf Hiddensee, ist der Fahrzeugbestand auf dem 35 Kilometer langen und 13 Kilometer breiten Eiland streng limitiert: "Wir sind die einzige Kommune in Kalifornien, die von der Regierung die Erlaubnis hat, die Zahl und die Größe der Fahrzeuge auf ihren Straßen zu reglementieren", sagt der städtische "Vehicle Clerk" Dudley Morand.
Seine Stadtverwaltung begründet diesen ungewöhnlichen Schritt mit den geringen Platzverhältnissen und dem pittoresken Ambiente, das es zu bewahren gilt. Die Insel, die früher dem Kaugummimagnaten Wrigley gehörte und jetzt von einem Konservatorium verwaltet wird, ist ein Kleinod für Tagesgäste und Naturliebhaber. Es gibt ohnehin kaum befestigte Straßen. Selbst die Mainstreet entlang der Uferpromenade der Hauptstadt Avalon, der einzigen Stadt der Insel, ist eine Fußgängerzone.
Damit das so bleibt und auch das Stadtbild in den wenigen Straßen dahinter nicht über Gebühr leidet, hat Avalon neben gewerblichen Fahrzeugen für die Müllabfuhr, die Feuerwehr oder das Taxigewerbe die Zahl der privaten Pkw auf der Insel auf 700 Fahrzeuge limitiert. "Es muss also erst ein Einheimischer wegziehen oder sterben, damit jemand ein Auto herüber holen darf", sagt Hotelmanagerin Kay. "Und das geht nur, wenn der Betreffende seine Pkw-Genehmigung nicht einfach vererbt." Weil man auf der Insel aber offenbar gut lebt und deshalb auch ziemlich alt wird, kommen die Genehmigungen nur sehr, sehr schleppend in Umlauf, sagt der Vehicle Clerk und die Hotelmanagerin gibt ihm Recht: "Aktuell beträgt die Wartezeit für ein Auto rund 14 Jahre."
Alles, was kürzer ist als 3,05 Meter, kann sofort zugelassen werden
Als "Auto" gelten auf der Insel allerdings nur Fahrzeuge mit einer Länge von mehr als 3,05 Meter. Länger als 5,10 Meter dürfen diese auch nicht sein, erläutert Morand. Selbst die Taxen sind bis auf wenige Ausnahmen keine riesigen Vans, sondern winzige Daihatsu-Laster mit ein paar Bänken auf ihren offenen Pritschen. Doch bei so einem vermeintlichen Spielzeug wie dem Smart drücken die Behörden offenbar ein Auge zu: Der läuft in Avalon offiziell als "Autoette" und zählt damit zu den vielen hundert Golf-Karren, die das Auto auf der Insel fast ersetzt haben. Denn alles, was kürzer ist als 3,05 Meter, kann quasi sofort und problemlos zugelassen werden, sagt Kay und erklärt damit, weshalb sie im Bonsai-Benz statt in der Luxuslimousine unterwegs ist. "Bevor ich eine halbe Ewigkeit auf mein Auto warte, muss es halt der Kleine hier tun. Für die 1000 Meilen im Jahr, die hier auf der Insel höchstes zusammen kommen, passt das schon."
Weil offenbar viele so denken, ist derSmart auf Santa Catalina ein Bestseller. Während sich der Winzling in den USA eher mäßig verkauft, sieht man ihn in Avalon an jeder Ecke - viel häufiger als jeden Geländewagen oder Pick-Up-Truck.
Bei einer derart kleinen Fahrzeugflotte ist die Infrastruktur auf der Insel allerdings entsprechend dünn: Eine Fährverbindung gibt es nicht, sondern wer ein Auto einführen will, der muss es für 600 Dollar mit dem Frachtschiff übersetzen, erzählt Hotelmanagerin Kay.
Santa Catalina hat nur zwei Tankstellen
Wo es sonst in Amerika an jeder Straßenecke eine Tankstelle gibt, hat Santa Catalina genau zwei Stationen, die für die Gallone Sprit im Schnitt auch noch zwei Dollar mehr verlangen als auf dem Festland. "Und statt einer Werkstatt für jede Marke haben wir hier nur einen einzigen Mechaniker auf der Insel", sagt Kay: "Aber der hat noch jedes Auto wieder flott bekommen."
Die einen haben genügend Geduld, die anderen fahren Smart oder nehmen mit Golfkarren vorlieb - die nicht einmal 5000 Einwohner von Santa Catalina haben sich mit der strengen Reglementierung ihrer automobilen Freiheit längst arrangiert. Doch bei den Besuchern sorgt das Verbot für große Verwirrung. Weil Touristen immer wieder irritiert nachfragen, hat das Tourismus-Büro eigens einen kleinen Ratgeber ins Internet gestellt. Natürlich verweisen die Gastgeber darin zu allererst einmal auf die Mietwagen, die in Avalon eben auch nur Golf-Caddys sind, auf den Linienbus zum Flughafen und in die kleine Siedlung Two Harbours. Doch weiter unten im Text findet man eine Passage, die man in Amerika sonst eher selten liest: "Versuchen Sie es doch einfach mal zu Fuß."