Sicherheit auf der Straße Ramsauers Rezepte gegen den Unfalltod
Verkehrsminister Ramsauer will Deutschlands Straßen noch sicherer machen. Jetzt hat der CSU-Politiker ein ambitioniertes Programm vorgelegt. Vor dem generellen Tempolimit auf Autobahnen und der Einführung der Null-Promille-Grenze schreckt er allerdings zurück.
Berlin - Verkehrsminister Peter Ramsauer ist ein guter Klavierspieler. Jüngst hat der CSU-Politiker die CD "Adagio im Auto" eingespielt. Die beruhigenden Klänge sollen Autofahrern die Aggression nehmen - und so dabei helfen, Unfälle zu verhindern.
Allerdings ist auch Ramsauer klar, dass sein musikalisches Talent kaum ausreichen wird, um Deutschlands Straßen sicherer zu machen. Zumal er jetzt ein ambitioniertes Ziel formuliert hat. Bis 2020 soll die Zahl der Verkehrstoten noch einmal um 40 Prozent sinken. So lautet die Vorgabe im "Verkehrssicherheitsprogramm 2011", das der Minister am Donnerstag vorgestellt hat. Darin enthalten sind unter anderem mehr Geschwindigkeitskontrollen und Blitzanlagen und zusätzliche sogenannte flexible Tempolimits, die je nach Verkehrsdichte festgelegt werden.
Ambitioniert scheinen die Pläne, wenn man in Rechnung stellt, dass die Zahl der Verkehrstoten im vergangenen Jahr mit 3648 bereits einen Rückgang um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutete und gleichzeitig der tiefste Wert seit Einführung der Unfallstatistik 1953 ist. Verletzt wurden 2010 rund 370.000 Menschen. 1970 hatten 21.000 Menschen im Straßenverkehr ihr Leben verloren - das Jahr markiert damit den bisherigen Spitzenwert. Dabei betrug die Fahrleistung auf Deutschlands Straßen - die Zahl der insgesamt zurückgelegten Kilometer - gerade einmal ein Drittel des heutigen Wertes.
Trotzdem will Ramsauer sich mit dem Erfolg nicht zufrieden geben. "Jeder Tote ist einer zu viel", sagte der Bundesverkehrsminister bei der Vorstellung des Maßnahmekatalogs. "Wir müssen aber auch dringend die Zahl der Schwerverletzten reduzieren."
Verkehrsfluss soll verbessert werden
Mehr Geschwindigkeitskontrollen dürften da nicht ausreichen, zumal Ramsauer ein generelles Tempolimit für Autobahnen ablehnt. Auch die von einigen Verbänden und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat geforderte Null-Promille-Grenze findet sich in dem Papier nicht.
Stattdessen setzt er auf viele kleine Maßnahmen: So will die Regierung Landstraßen und Autobahnen durch zusätzliche sogenannte Rüttelstreifen sicherer machen. Diese Grenzmarkierungen enthalten viele kleine Buckel, die beim Reifenkontakt zu Vibrationen im Lenkrad führen und die Aufmerksamkeit des Fahrers wecken sollen.
Die zeitweise Freigabe von Standstreifen - etwa an Steigungen, wo Lastwagen oft den Verkehr blockieren - soll weniger gefährliche Staus auf viel befahrenen Autobahnen bringen. Außerdem will Ramsauer 5500 zusätzliche Lkw-Parkplätze auf Raststätten bereitstellen, damit Fahrer rechtzeitig die gesetzlichen Ruhepausen einlegen können. "Die Arbeitsbelastung von Lkw-Fahrern ist für die Straßenverkehrssicherheit von enormer Relevanz, da durch Stress und Ermüdung auch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden", heißt es in dem Programm.
Im Kampf gegen Geisterfahrer dient Österreich als Vorbild. Die Alpenrepublik setzt auf große Warnschilder an Autobahnauffahrten. Derzeit testet Bayern diese Tafeln. Im Erfolgsfall sollen die Schilder bundesweit zum Standard werden.
ADAC fordert neue Crash-Normen
Die Hersteller nimmt Ramsauer ebenfalls in die Pflicht. So sollen Motorräder künftig vermehrt mit Antiblockiersystemen ausgerüstet werden, um die Sturzgefahr bei Notbremsungen zu senken. Die Autobauer ruft der Verkehrsminister dazu auf, die Crashsicherheit der Autos weiter zu erhöhen.
Damit bleibt Ramsauer allerdings ein gutes Stück hinter den Vorschlägen der Verkehrsclubs zurück. So forderte etwa der ADAC gleich ein ganz neues Crashtest-Verfahren, das viel härtere Anforderungen an die Fahrzeuge stellt. Im Kern geht es darum, die Knautschzone einander anzupassen. Schon mehrmals hat der ADAC auf die Ungleichheit hingewiesen, wenn SUV und Kleinwagen zusammentreffen. Bei einem Test hatte ein Audi Q7 einen Fiat 500 förmlich aufgespießt.
Die beste Sicherheitstechnik hilft wenig, wenn die Autofahrer nicht mitspielen, darüber sind sich auch die Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium klar. An anderer Stelle in Ramsauers Katalog empfehlen sie eine Aufklärungsoffensive, um gegenseitige Rücksichtnahme wieder populär zu machen.
Radfahrern wird das Tragen eines Helms empfohlen - auf eine Pflicht will Ramsauer aber vorerst verzichten. Er nannte die Helmtragequote von zuletzt neun Prozent allerdings erschreckend. Wenn sich die Quote nicht rasch auf bis zu 50 Prozent erhöhe, "dann muss man über weitere Maßnahmen nachdenken", betonte der Bundesverkehrsminister. Senioren empfahl er regelmäßige Gesundheitschecks, zugleich betonte er: "Mobilität im Alter wird als ein Stück persönlicher Freiheit betrachtet." Zudem seien Fahrer über 65 Jahren nur an elf Prozent der Unfälle beteiligt.
Tatsächlich kommt Ramsauers Vorstoß zur rechten Zeit. Nach dem Tiefstand bei den Verkehrstoten im vergangenen Jahr waren die Todeszahlen im ersten Halbjahr wieder leicht gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt gab es in den ersten sechs Monaten 1809 Tote - 141 Menschen oder 8,5 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2010. Den Anstieg erklären die Experten aber unisono mit dem langen Winter.
Mit Material von dpa und dapd