BMW 218i Gran Tourer Sag bloß nicht das F-Wort
War BMW früher das Sportgeschäft unter den Autoherstellern, ähnelt die Marke heute eher Karstadt: Es gibt dort alles. Auch einen Familienvan mit variablem Innenraum und bis zu sieben Sitzen. Nur merken soll es keiner.
Wie lässt sich ein Familienauto bis ins Detail beschreiben und anpreisen, ohne auch nur einmal das Wort "Familie" zu erwähnen? BMW macht es vor, in dem 52-seitigen Katalog zum Kompaktvan 2er Grand Tourer, der seit Sommer dieses Jahres das Angebot des Münchner Autobauers ergänzt. Man sieht auf etlichen Bildern zwar Mann, Frau und drei Kinder - also offensichtlich eine Familie. Der Text jedoch ignoriert das vollständig. "Rock'n'Roll" plärrt eine Überschrift, und drunter wird erklärt, dass der Wagen ideal sei, um mit "der Band gemütlich zu einem Konzert zu fahren"; auch deshalb, weil der "Backstagebereich" so groß sei und überhaupt das Auto den "Rhythmus des Lebens" mitgehe.
Ganz offensichtlich ist es BMW ein bisschen peinlich, jetzt genau im Segment der Familienvans mitzumischen, das man jahrzehntelang mied wie der Ortskundige die Radarfalle: klobige Autos mit mannigfaltig veränderbaren Innenräumen, schmalbrüstigen Motoren, aber dafür breiten Laderäumen hinter riesigen Heckklappen. Sie galten bislang als die Antithese eines BMW-Produkts, das unter allen Umständen vor allem eines zu sein hatte: sportlich.
Und nun also dies: Familie. Verzeihung: Rock'n'Roll.
Diese Art von Musik ist ja keineswegs neu, und das Gleiche gilt auch für den Autotyp. Mit dem 2er Gran Tourer ist nun auch BMW auf der Tanzfläche angelangt, auf der sich beispielsweise Renault Espace (seit 1984), Opel Zafira (seit 1999) oder VW Touran (seit 2003) und viele andere schon lange tummeln. Deshalb kann der 2er Gran Tourer keine Überraschung bieten außer der, dass er eben ein BMW-Van ist.
Der kann, was die anderen auch können
Immerhin haben die Münchner Autobauer die etablierten Van-Eigenschaften auf die ihnen eigene, technisch ausgereifte und überzeugende Art übernommen: die variable zweite Sitzreihe zum Beispiel, die sich um bis zu 13 Zentimeter in Längsrichtung verschieben lässt und deren Lehne dreigeteilt umklappbar ist, oder die Option auf eine dritte Sitzreihe, die sich aus dem Kofferraumboden auffalten lässt (Aufpreis 790 Euro), oder das im Unterbodenfach des Kofferraums verstaubare Gepäckrollo.
Überhaupt werden sich BMW-Kenner, die erstmals in den 2er Gran Tourer steigen, nicht erinnern, jemals in einem derart geräumigen Wagen der Marke gesessen zu haben, der weniger als 50.000 Euro gekostet hat. Gegenüber dem normalen 2er Active Tourer wuchsen beim Gran Tourer der Radstand um elf und der hintere Überhang nochmals um zehn Zentimeter. Das ergibt unter anderem ein Ladevolumen zwischen 560 und 1820 Liter. Es passen also Gitarrenkoffer plus Verstärker hinten rein - oder ganz bequem ein Kinderwagen, auch wenn natürlich kein BMW-Fahrer auf die Idee käme, sein Auto als Familienschaukel herzugeben.
Prima Handling, feiner Dreizylinder
Das mit der Schaukel stimmt sowieso nicht. Der 2er Gran Tourer ist durchaus stramm gefedert, allerdings haben es die Fahrwerksleute nicht übertrieben. So, wie das Auto abgestimmt ist, passt es ziemlich gut. Und auch die Lenkung ist gelungen, trotz des für die Marke noch etwas ungewohnten Frontantriebs. Das Handling jedenfalls ist so, wie man es kennt und schätzt von BMW, nämlich immer zackig, stets unmissverständlich und in jeder Situation hellwach. Anders gesagt: Auch dem Familienvan wurde die BMW-Essenz hineinkonstruiert.
In unserem Testauto, das die leuchtende Herbstfarbe "Flamencorot metallic" (Aufpreis 690 Euro) trug, sorgte der 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner mit 136 PS für Vortrieb. Der Motor tut das zwar mit auffälligem Gebrummel, vor allem aber tut er es kraftvoll und drehfreudig. In Kombination mit dem Sechsgang-Steptronic-Getriebe (Aufpreis 1950 Euro) ergibt die Maschine ein interessantes Paket, das ordentlich Fahrleistungen gewährleistet und zugleich den Verbrauch in Grenzen hält. 5,5 Liter je 100 Kilometer gibt BMW als offiziellen Wert an; bei unseren Testfahrten lagen wir gut einen Liter darüber - allerdings bewegten wir das Auto fast immer im "Eco Pro"-Modus, also in einer auf Effizienz getrimmten Gesamtabstimmung.
Spritsparen mit dem Fahrerlebnisschalter
Man kann auch "Sport" wählen am sogenannten Fahrerlebnisschalter, doch dazu müsste es erst einmal einen dafür Grund geben, Benzin zu verfeuern, ohne nennenswert flotter voranzukommen. Hinderlich am konsequenten Spritsparmodus im 2er Gran Tourer ist lediglich die Tatsache, dass bei jedem Neustart des Motors die Einstellung auf die Mittelstellung "Comfort" zurückspringt, und man manchmal erst nach ein paar Kilometern wieder daran denkt, auf "Eco Pro" umzuschalten.
Für Menschen, die ein möglichst billiges Familienauto in der 4,50-Meter-Klasse suchen und vor allem Wert auf einen praktischen, geräumigen und wohnlichen Innenraum legen, hat sich durch den Neuzugang BMW 2er Gran Tourer eigentlich nichts geändert; denn der Wagen ist teurer als viele Konkurrenten (Grundpreis: 26.950 Euro). Für Menschen, die einen optisch möglichst ansprechenden Kompaktvan suchen, bleibt ebenfalls alles gleich; denn der Gran Tourer ist nun wirklich keine Augenweide.
Für Menschen mit Familie, die in erster Linie einen BMW suchen, ist das Auto hingegen die Ideallösung - so wie Rock'n'Roll auf einer Party, bei der noch niemand tanzt.