Range Rover Evoque Abspecken für die hippe Zukunft
Zu groß, zu klobig und viel zu durstig: Geländewagen dieser Art sind vom Aussterben bedroht. Für eine Marke wie Land Rover ist das existenzbedrohend, denn die Briten bauen ausschließlich SUVs. Das jüngste Modell, der Range Rover Evoque, ist dennoch ein Auto mit Zukunft.
Die Marke Land Rover erfindet sich neu. Fast 65 Jahre, nachdem Rover-Konstrukteur Maurice Wilks auf die Idee kam, einen Geländewagen zu konstruieren, aus dem später das heute noch gebaute Modell Defender wurde, und 41 Jahre nach der Premiere des Range Rovers als erstem Allrad-Luxusmodell, starten die Briten nun in eine neue Ära - behaupten sie zumindest. Um Kunden zu anzusprechen, die nach den Worten von Land-Rover-Markenchef Ralf Speth "bislang im Traum nicht an einen Range Rover gedacht haben", und vor allem um das SUV generell etwas aus der Schusslinie zu nehmen, lancieren sie mit dem Evoque den kleinsten, leichtesten und sparsamsten Range Rover im aktuellen Sortiment der Marke.
Vergleicht man den Evoque mit dem Original, nehmen die Briten den Mund nicht zu voll. Mit 4,35 Metern ist er 62 Zentimeter kürzer als die feudale Wuchtbrumme, die sogar die Queen angeblich am liebsten selbst fährt. Der neue ist zudem 23 Zentimeter flacher und vor allem leichter; mit rund 1,6 Tonnen um exakt 1,1 Tonnen leichter als große Range. Zwar wirkt die vermeintliche Revolution - etwa mit Blick auf den aktuellen deutschen SUV-Bestseller VW Tiguan (4,43 Meter, 1536 Kilo) - nicht mehr ganz so imposant, doch für eine derart traditionell gepolte Marke wie Land Rover ist der Evoque tatsächlich ein großer Schritt.
Das gilt nicht nur für das Format, sondern auch für die Form. Sie orientiert sich an der Studie LRX aus dem Jahr 2008, ist aggressiv und muskulös gestylt und aufgrund der ausgeprägten Keilform und dem extrem klotzigen Heck ähnlich provokant wie der BMW X6. Da ist es nur konsequent, dass Land Rover den Evoque nicht nur mit fünf Türen, sondern auch als dreitüriges Coupé anbietet und das Dach bei letzterem um drei Zentimeter einzieht.
Auch im Innenraum brechen die Briten mit Traditionen. Es gibt zwar weiterhin jede Menge Lack und Leder, doch die muffige Atmosphäre eines englischen Landsitzes ist der einer coolen Lounge gewichen. Nur die erhabene Sitzposition und das Gefühl der Unverwundbarkeit sind geblieben. Dazu gibt es ordentlich Platz, auch auf den Rücksitzen können Erwachsene einigermaßen bequem sitzen.
Selbst der Blick in die Preisliste des Evoque weist in eine neue Welt: Muss man für einen Range Rover Sport mindestens 55.800 Euro und für das große Modell sogar 88.500 Euro zahlen, geht es ab dem 16. September schon bei 33.100 Euro los. Wer allerdings einen der stärkeren Motoren wählt und dazu Extras wie die Komplettlederausstattung, die fünf Digitalkameras zur Umfeldüberwachung oder das 825-Watt-Soundsystem wählt, findet sich natürlich rasch in sehr viel höheren Preisregionen wieder.
Als Motoren stehen ein Benzin- und zwei Diesel-Vierzylinder zur Wahl
In Fahrt bringen den Evoque ausschließlich Vierzylindermotoren. Vorzeigemodell ist der Basisdiesel mit 2,2 Liter Hubraum und 150 PS, den die Briten als Tribut an die neue Zeit auch mit Frontantrieb anbieten. Weil der Wagen zudem, wie alle Handschalter der Baureihe, mit einer Start-Stopp-Automatik bestückt ist, kommt er auf den respektablen Verbrauch von 4,9 Litern, mit dem sich Land Rover brüstet. Weil die Sparversion mutmaßlich nur wenig Fahrspaß vermittelt, stand er für die ersten Testfahrten erst gar nicht zur Verfügung.
Stattdessen wurde die 190-PS-Version des gleichen Motors herangezogen. Die braucht - mit Allradantrieb und einer Sechsgang-Automatik - lediglich 1,5 Liter mehr auf 100 Kilometer und kehrt die sportliche Seite des Evoque heraus. Zwar klingt der Selbstzünder etwas kernig, geht dafür aber ausgesprochen kräftig zur Sache. Mit bis zu 400 Nm lässt sich der Evoque mit dieser Maschine in jeder Situation schnell beschleunigen. 8,5 Sekunden von 0 auf 100 sind keine schlechte Zeit, und mit 195 km/h Spitzentempo kann man gut leben. Wer es partout noch rasanter braucht oder in einem Land mit geringer Diesel-Affinität lebt, dem bietet Land Rover auch einen Benziner: Er leistet 240 PS und markiert mit 8,7 Liter Verbrauch, 217 km/h und einem Preis von mindestens 39.900 Euro in jeder Disziplin die Spitze der Modellpalette.
Zum kräftigen Antrieb passt das knackige Fahrverhalten des Evoque. Wo die Straßen schmaler werden, lernt man schnell das handliche Format zu schätzen. Die Lenkung ist straff und präzise und das adaptive Fahrwerk spürbar härter abgestimmt, als man es von vielen anderen Autos dieser Klasse gewohnt ist.
Erste Begegnung am Strand von Anglesey
In vielerlei Hinsicht bricht der Evoque mit den Land-Rover-Traditionen. Doch sein Erbe nimmt er Ernst: Als wäre es der genetische Grundcode von Marke und Modell, rattern die Ingenieure Eckdaten wie Böschungswinkel (vorn 25, hinten 33 Grad) und Wattiefe (50 Zentimeter) herunter. Sie schildern detailliert das Allradsystem, das genau wie im bürgerlichen Land Rover Freelander (und übrigens auch im VW Tiguan) mit einer Haldex-Kupplung arbeitet und ohne mechanische Sperren oder Untersetzung auskommt. Und sie schicken die Premierengäste mit dem Auto durchaus auch in schweres Gelände.
Den besten Beweis für die Verwurzelung in der eigenen Geschichte liefern die Briten aber mit der Wahl der Route für die Jungfernfahrt des Evoque. Die beginnt nämlich am Strand von Anglesey. Hier begann, mit den ersten Testfahrten rund um das Sommerhaus des damaligen Rover-Chefentwicklers Maurice Wilks, 1948 die Land-Rover-Geschichte erst.