Propaganda-Stummfilm Opas Bud Spencer
Der Stummfilmstar Italiens hieß Bartolomeo Pagano. Auch in dem Propagandareißer "Maciste alpino" haute er zu. Dass gefangene Österreicher darin zwangsweise Makkaroni futtern mussten, ging der Zensurbehörde in Rom dann aber doch zu weit.
Als Stummfilmstar Bartolomeo Pagano die Rolle des muskulösen Gebirgsjägers Maciste übernahm, rechnete in Italien kaum noch jemand mit einem raschen Sieg auf den real existierenden Schlachtfeldern. Ein Jahr zuvor, im Mai 1915, war das Land auf Seiten der Entente-Mächte Großbritannien, Frankreich und Russland gegen Österreich-Ungarn und Deutschland in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Im Gegenzug erhob Rom Anspruch auf die sogenannten terre irredente: zur Donaumonarchie gehörende Gebiete wie Südtirol, Istrien oder Dalmatien, in denen ein Teil der Bevölkerung Italienisch sprach. Ein Ende der verlustreichen Kämpfe gegen österreichische Truppen im Isonzo-Tal und in den Trientiner Dolomiten war 1916 noch längst nicht absehbar.
Immerhin boomte die junge Filmindustrie, und die Begeisterung des italienischen Publikums für monumentale Leinwandschinken war auch im Krieg ungebrochen. Turin, einst erste Hauptstadt des Nationalstaats Italien, war Rom Anfang des 20. Jahrhunderts als Metropole des Stummfilmkinos wieder einen Schritt voraus. Ein Mitarbeiter von Giovanni Pastrone, damals einer der einflussreichsten Filmproduzenten und -regisseure, entdeckte Bartolomeo Pagano unter Arbeitern, die im Hafen von Genua Schiffe entluden.
"Mit den Söhnen Italiens im Schützengraben"
Während des Kriegs stieß Pagano als Maciste alpino zu den italienischen Gebirgsjägern, um im Namen aller Italiener gegen den Feind zu Felde zu ziehen. Der von den Regisseuren Luigi Romano Borgnetto und Luigi Maggi unter Pastrones Aufsicht gedrehte Film wurde an der Front und in vielen Städten vorgeführt. Nicht nur, um Soldaten und Zivilbevölkerung zu unterhalten.
Der Film sollte den Durchhaltewillen in ungewissen Zeiten stärken. "Maciste steigt mit den Söhnen Italiens in den Schützengraben", heißt es auf einer der in dem Film eingeblendeten Schrifttafeln. Auf einem Werbeplakat von 1917 ist zu lesen, dass der sympathische Held aus "Cabiria" heute "als Alpino dem Vaterland dient und die Feinde mit edler Gesinnung und der heiligen Liebe eines Italieners bekämpft".
Die Ironie der Regisseure bewahrte den Film davor, als reine Kriegspropaganda instrumentalisiert zu werden. In teils grotesken Szenen mit slapstickartigen Einlagen erscheinen die Gegner als trunksüchtig, gewalttätig und feige. Zwei Wachmänner packt Maciste kurzerhand am Schlawittchen und hängt sie wie Vogelscheuchen an eine Wand, auf die eine Karikatur des österreichischen Kaisers Franz Joseph gekritzelt ist. In den Bergen stehen dem Helden zahlreiche Scharmützel mit seinem größten Widersacher, dem österreichischen Soldaten Fritz Pluffer, bevor. "Pluffer" bedeutet in norditalienischen Dialekten so viel wie "Deutscher".
Kein Hunger an der Front
Der muskulöse Riese platziert listig eine Bombe in der Kaffeekanne seines Feindes und macht sich über dessen mangelnde Kampftüchtigkeit lustig. In spektakulären Trickaufnahmen lässt er Pluffers Kameraden wie Fässer die schneebedeckten Gebirgshänge hinunterrollen oder schleudert sie kurzerhand aus dem Fenster. Um sich zu stärken, vertilgt Maciste, der ohne Weiteres eine Kanone auf seinem Rücken tragen kann, recht imposante Essensrationen. Kinobesucher, die fürchteten, ihre Ehemänner, Söhne oder Brüder könnten an der Front Hunger leiden, wurden durch solche Bilder beruhigt.
Szenen, in denen der Koloss seinen Erzfeind Pluffer an den Haaren über den Boden schleift oder ihn zwingt, einen Teller Makkaroni zu essen und damit seinen Hungerstreik zu beenden, riefen allerdings die Zensurbehörde in Rom auf den Plan. Offenbar wurde befürchtet, dass ein so rabiates Verhalten dem Ansehen der italienischer Soldaten schaden könnte. Auch Filmsequenzen, in denen Maciste seine Gegner in den Bergen als menschliche Schlitten benutzt, musste die Produktionsfirma Itala Film auf Druck der eigenen Regierung streichen. Mehrere getilgte Szenen wurden 2014 bei einer Restaurierung des Films durch das Museo Nazionale del Cinema in Turin und die Filmfestspiele in Venedig wieder eingefügt.
Für den Vertrieb von "Maciste alpino" in Ländern, die nicht zu Italiens Kriegsverbündeten zählten, wurde damals von vornherein eine "neutrale" Filmversion erstellt: In ihr stehen sich nicht mehr Italiener und Österreicher, sondern lediglich zwei anonyme verfeindete Mächte gegenüber.
Maciste -Filme auch in Berlin gedreht
Als im April 1917 auch die USA in den Krieg eintraten, präsentierte Itala Film der Zensurbehörde eine neue Schlusseinstellung, die inzwischen verschollen ist. Nur die Beschreibung der Szene blieb erhalten: "Auf dem Boden ein großer deutscher Soldat, um ihn herum die kleinen Soldaten, die ihn niedergezwungen haben. Auftritt von Maciste mit einem amerikanischen Soldaten, der seine Flagge schwenkt. ENDE."
Zahlreiche Fotografen und Kameramänner dokumentierten die tatsächlichen Kampfhandlungen und Grauen des Kriegs. Eine Auswahl aus diesen Bildern und Filmen wurde 2015 in einer Ausstellung im Filmmuseum in der Mole Antonelliana in Turin gezeigt.
In Italien blieb er seiner Rolle treu und drehte weitere Maciste-Filme, bis er sich gegen Ende des Stummfilmzeitalters aus gesundheitlichen Gründen zurückzog. Während des Faschismus erhob ihn das Mussolini-Regime zum Vorbild und stilisierte ihn zum "Übermenschen".