Ebola-Infektion in Madrid "Der kleinste Fehler kann fatal sein"
Durch einen Anzug geschützt, hatte sie zwei Ebola-Patienten gepflegt - jetzt kämpft sie selbst um ihr Leben: Wie konnte sich die Krankenpflegerin aus Madrid mit dem Virus anstecken?
Hamburg/Madrid - Die spanische Regierung schien sich ihrer Sache sicher: Anfang August holte sie unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen einen Ebola-Kranken aus Westafrika zurück, die Bilder von seiner Ankunft am Flughafen in Madrid gingen um die Welt. Der 75-jährige Geistliche Miguel Pajares hatte sich in Liberia mit dem Ebolavirus infiziert. Er war der erste Ebola-Patient seit Ausbruch der Epidemie in Westafrika, der zur Behandlung nach Europa transportiert wurde. Am 12. August starb er im Hospital Carlos III de Madrid.
Am 25. September musste das Krankenhaus einen zweiten Ebola-Toten melden: Auch der Geistliche Manuel Garcia Viejo war auf der Isolierstation den Folgen des Ebolafiebers erlegen. Der 69-Jährige hatte sich in Sierra Leone angesteckt, auch er wurde mit einem Flugzeug der spanischen Luftwaffe zur Behandlung ins Land transportiert, wieder gingen die Bilder von einem Kranken auf einer Trage unter einem Isolierzelt und von Ärzten in Schutzanzügen um die Welt.
Jetzt kämpft im Hospital Carlos III eine Krankenpflegerin um ihr Leben. Sie gehörte zu jenem Team, das sich, ebenfalls unter vermeintlich strengen Sicherheitsvorkehrungen, um die Behandlung der beiden Ebola-Patienten gekümmert hatte. Seit am Montag bekannt wurde, dass sie sich dabei mit dem Ebolavirus infiziert hat, müssen sich die spanischen Gesundheitsbehörden einer Frage stellen: Wie konnte das passieren?
Bereits nach der Ankunft von Priester Pajares hatte die größte Madrider Ärztegewerkschaft scharfe Kritik an der Entscheidung des Gesundheitsministeriums geübt, den Ebola-Kranken einzufliegen. Daniel Bernabéu von der Gewerkschaft sagte seinerzeit, keiner könne "zu 100 Prozent garantieren, dass das Virus nicht entweicht".
Der Gewerkschaft zufolge hat das Hospital Carlos III aufgrund von Sparmaßnahmen der Madrider Regionalregierung nur ungenügende Isolationsmöglichkeiten. Kurz vor Pajares' Einlieferung in die Klinik war das Hospital geräumt worden, und 40 Pfleger und Ärzte mussten in einem Schnellkurs für den Umgang mit Ebola-Kranken geschult werden.
Mangelhafte Schutzanzüge?
Jetzt meldet sich auch das Personal der Klinik Carlos III zu Wort: Der Zeitung "El País" sagte ein Mitarbeiter, die Schutzanzüge entsprächen nicht den zur Behandlung von Ebola-Patienten notwendigen Sicherheitsstandards. Demnach fehlte der Schutzkleidung unter anderem eine gesicherte Atemluftzufuhr.
Die Vizedirektorin des Krankenhauses dementierte die Vorwürfe: Die Schutzanzüge entsprächen den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen, sagte Yolanda Fuentes der Zeitung. Man folge dabei den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In dem Artikel von "El País" sind Aufnahmen von Mitarbeitern in Schutzanzügen zu sehen. Sie zeigen etwa, dass die einfachen Latex-Handschuhe von außen mit Klebeband an den Ärmeln befestigt sind.
Unklar ist derzeit, ob tatsächlich eine mangelhafte Schutzkleidung dazu geführt hat, dass sich die Pflegerin anstecken konnte. Möglicherweise hat sie auch beim Ausziehen des Schutzanzuges einen Fehler gemacht.
Das Ebolavirus kann nur dann von einem Menschen zum anderen gelangen, wenn der Betroffene direkten Kontakt mit dem Kranken hatte - oder dessen Körperflüssigkeiten wie etwa Erbrochenes berührt (hier erfahren Sie Details über die möglichen Ansteckungswege).
Fest steht: Das Risiko, sich anzustecken, ist insbesondere für jene, die Ebola-Kranke pflegen, nicht gleich null. Das zeigen auch Zahlen der WHO: Bis zum 28. September haben sich in Westafrika insgesamt 377 Helfer mit dem Virus infiziert, 216 von ihnen sind gestorben. Auch Peter Piot von der London School of Hygiene and Tropical Medicine und Entdecker des Ebolavirus sagte am Dienstag: Die Behandlung von Ebola-Patienten sei riskant, gerade medizinisches Personal könne sich leicht infizieren. "Der kleinste Fehler kann fatal sein."
So wie bei dem Ebola-Patienten in den USA obliegt es jetzt den spanischen Behörden, gezielt einzugreifen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Peter Piot aber ist überzeugt, dass die Infektion der Pflegerin keine Epidemie zur Folge haben wird.

Checkliste: So werden Ebola-Kontaktpersonen überprüft (bitte klicken)
Auf der Liste der spanischen Behörden stehen jetzt die rund 30 Mediziner und Pfleger, die mit der Krankenpflegerin zusammengearbeitet hatten, sowie 22 Menschen aus ihrem privaten Umfeld und Mitarbeiter des Krankenhauses in der Madrider Vorstadt Alcorcón, in dem die Virusinfektion festgestellt wurde. Sie wurden unter Beobachtung gestellt. Der Ehemann der Pflegehelferin kam in Quarantäne.
Zwar beobachten deutsche Experten die Vorgänge in Spanien mit großer Aufmerksamkeit. Für die Frankfurter Uni-Klinik, auf deren Sonderisoliereinheit derzeit ebenfalls ein Ebola-Patient behandelt wird, ist der Fall in Madrid aber vorerst kein Anlass, die eigenen Sicherheitsvorkehrungen zu erhöhen.
Bisher habe man bei Überprüfungen kein Leck festgestellt, sagte Hans-Reinhard Brodt, Leiter der Infektiologie. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE teilt die Klinik mit: In den Räumen der Isolierstation "herrscht Unterdruck, damit keine Luft - und mit ihr Erreger - entweichen kann. Bei der Behandlung eines Ebola-Patienten werden die Räume ausschließlich über besondere Druckschleusen mit eigener Klimatisierung betreten. Um eine Infektion durch diesen Patienten über Blut- und Körpersekrete zu verhindern, tragen Ärzte und Pfleger Ganzkörperschutzanzüge mit gesicherter Atemluftzufuhr, in denen durchgehend Überdruck herrscht, sodass keine Erreger in die Anzüge gelangen können."
- dpa
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Mit Material von dpa