Anrecht auf Medikationsplan Mehr Sicherheit beim Pillenschlucken
Gefährliche Cocktails: Wer täglich mehrere Arzneien nimmt, hat ab sofort Anspruch auf einen Medikationsplan vom Arzt. Das könnte Todesfälle verhindern, Ärzte bekommen dafür 160 Millionen Euro im Jahr.
Seit dem 1. Oktober hat jeder gesetzlich Krankenversicherte, der drei oder mehr Arzneimittel nehmen muss, Anspruch auf einen Medikationsplan. Darin soll ein Arzt oder Apotheker übersichtlich und verständlich alle Arzneimittel dokumentieren - mit Wirkstoffen und Dosierungs- und Einnahmehinweisen.
Das Ziel des vom Bundestag im Rahmen des E-Health-Gesetzes beschlossenen Plans ist, die Gefahr von Neben- und Wechselwirkungen durch Medikamente so klein wie möglich zu halten. Oft genug schlucken Patienten Arzneien, die sie von verschiedenen Ärzten verordnet bekommen haben, ohne dass ein Mediziner den Überblick behält - weder über die Mittel selbst, noch über mögliche Neben- und Wechselwirkungen.
Den Medikationsplan soll in der Regel der Hausarzt erstellen und aktualisieren. Bei Patienten, die keinen Hausarzt haben, muss dies der Facharzt übernehmen. Apotheker sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Anfang an mit einbezogen.
Krank durch Medikamente
"Gerade für ältere, chronisch und mehrfach erkrankte Menschen ist das eine große Hilfe", erklärte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am Freitag in Berlin. Vorgesehen sei auch der Aufbau einer Datenbank zur Dosierung von Arzneimitteln für Kinder und die Entwicklung einer Medikationsplan-App für Sehbehinderte.
Knapp jeder vierte über 65-Jährige in Deutschland nimmt regelmäßig drei oder mehr Medikamente, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage 2015 ergab. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind schätzungsweise rund 500.000 Notaufnahmen von Patienten in Krankenhäusern jährlich auf vermeidbare Medikationsfehler zurückzuführen. Und laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände sterben hierzulande mehr Menschen infolge der Polymedikation als im Straßenverkehr.
Bei Pflegebedürftigkeit nehme das Risiko der Medikamentencocktails im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sogar noch zu, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. "Bei den 764.000 Pflegeheimbewohnern gehört der schädliche Medikamentencocktail zum Alltag." Fünf Medikamente gleichzeitig eingenommen helfen "oft nicht, sondern machen krank", so Brysch.
Ab 2018 auf Gesundheitskarte
Zunächst wird der Plan auf Papier erstellt. Von 2018 an soll er dann elektronisch von der Gesundheitskarte abrufbar sein. Die elektronische Speicherung ist für den Patienten freiwillig. Nach Angaben des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bekommen Ärzte für das Erstellen der Medikationspläne nächstes Jahr gut 160 Millionen Euro zusätzliches Honorar.
Minister Gröhe müsse kontrollieren, ob der Medikationsplan in der Praxis auch tatsächlich Wirkung zeige, forderte Brysch. Bleibe die Übermedikation der über 65-Jährigen unverändert hoch, müssten die 170 Millionen Euro jährlich den Ärzten wieder gestrichen werden.
hei/dpa