Zehn-Punkte-Plan Regierung forciert Kampf gegen Krankenhauskeime
Schärfere Meldepflichten, gezielte Forschung: Im Kampf gegen Krankenhauskeime hat die Regierung ein Maßnahmenpaket vorgelegt. Geprüft wird auch, ob man Patienten vor einem Klinikaufenthalt auf multiresistente Erreger testen sollte.
Berlin - Keime sind mit bloßem Auge nicht sichtbar, können aber großen Schaden anrichten - und zwar dort, wo Patienten eigentlich wieder gesunden sollen: in Krankenhäusern. Jahr für Jahr sterben Tausende Menschen in Deutschland an den Folgen einer sogenannten nosokomialen Infektion, also eine Infektion, die man während eines Klinikaufenthaltes erwirbt.
Gegen dieses drängende Problem will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) jetzt mit einem Zehn-Punkte-Plan vorgehen. Über das interne Papier hatte zuerst die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Demnach sollen unter anderem die Meldepflichten für Kliniken bei Auftreten besonders gefährlicher Keime verschärft werden, wie die Ministeriumssprecherin Katja Angeli am Montag in Berlin mitteilte. Schon beim ersten Nachweis sollen gefährlich resistente Erreger gemeldet werden müssen.
Zudem sollen Krankenhäuser verpflichtet werden, regelmäßig in allgemein verständlicher Sprache über ihre Hygienestandards zu informieren. Nicht nur Ärzte und Pflegepersonal in Kliniken, sondern auch in Arztpraxen sollen in diesem Bereich regelmäßig weitergebildet werden. Gröhe prüft laut Reuters zudem, Patienten vor geplanten Behandlungen verpflichtend auf multiresistente Erreger zu testen, damit sie diese nicht ins Krankenhaus einschleppen. Im nächsten Schritt, so die Sprecherin, solle der Zehn-Punkte-Plan mit den anderen Ministerien abgestimmt werden.
Größtes Problem: Antibiotika-Resistenzen
Wie viele Menschen jährlich tatsächlich an den Folgen einer nosokomialen Infektion sterben, ist nicht klar. Exakte Zahlen gibt es nicht. Schätzungen gehen von 10.000 bis 15.000 aus, die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) setzt die Zahl der Todesfälle inzwischen sogar bei bis zu 30.000 an; die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) dagegen spricht von 2000 bis 4500 Patienten. Wie viele es in Wahrheit auch sein mögen, fest steht, dass vermutlich viele Klinikinfektionen vermeidbar wären. "Das darf in unserem Land nicht sein", sagte Gröhe. Doch bisherige Maßnahmen im Kampf gegen die gefährlichen Keime brachten nicht den erhofften Erfolg.
Das Problem liegt unter anderem daran, dass solche Erreger eine hohe Resistenz gegen Antibiotika entwickelt haben. Hier gelte es, die Forschung zu intensivieren und neue Antibiotika zu entwickeln, sagte Sprecherin Angeli. Da Antibiotika aber relativ preisgünstig sind, ist die Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Produkte oft zurückhaltend.
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), hält sogar einen Großteil der Krankenhausinfektionen und deren Folgeschäden für vermeidbar. Laumann sagte vor Kurzem bei einer Veranstaltung zu dem Thema, er sehe kein Gesetzesproblem, sondern ein Verhaltensproblem von Klinikpersonal und Patienten. Das Gesetz zur Krankenhaushygiene sei zwar verschärft worden, aber es habe sich nichts Nennenswertes geändert.
Laut dem Bundesgesundheitsministerium infizieren sich jährlich im Krankenhaus 400.000 bis 600.000 Menschen. Die DGKH geht sogar von 900.000 nosokomialen Infektionen jährlich aus. 2011 reagierte der Gesetzgeber unter anderem mit schärferen Regeln für Hygiene und Kontrolle.
In den meisten Fällen handelt es sich bei den gefährlichen Keimen um den Methillicin-resistenten Staphylococcus aureus - kurz MRSA. Der Bakterienstamm kann schwere bis tödliche Infektionen verursachen und ist gegen die meisten Antibiotika wie Penicillin resistent. Sogenannte Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) können ebenfalls gefährliche Infektionen hervorrufen. Eine weitere Art von Keimen trägt das Kürzel ESBL. Die Abkürzung steht für "extended-spectrum beta-lactamases". Dabei handelt es sich um Enzyme, die bestimmte Antibiotika unwirksam machen. Bakterien, die diese Enzyme produzieren, sind daher gegenüber wichtigen Antibiotika wie etwa Ampicillin unempfindlich. Solche Resistenzen finden sich unter anderem bei Salmonellen, Klebsiellen und einigen Escherichia-Coli-Bakterien.
Screening für Risikopatienten
Für gesunde Menschen ist etwa MRSA in der Regel ungefährlich. Für immungeschwächte Patienten auf Intensivstationen, Krebskranke, Chirurgie-Patienten, frühgeborene Babys oder Menschen mit chronischen Wunden hingegen können multiresistente Erreger lebensgefährlich werden und unter anderem Lungenentzündungen, Wund- und Harnwegsinfektionen oder Blutvergiftungen auslösen.
Im Krankenhaus oder auch ambulant eingefangene Infektionen durch resistente Erreger machen die Behandlung immer schwieriger. Zudem dauert es oft mehrere Tage, bis der Erreger überhaupt identifiziert ist. Ein Problem: Anders als zum Beispiel in den Niederlanden gibt es hierzulande kein routinemäßiges Screening.
Eine Expertenkommission des Robert Koch-Instituts (RKI) empfiehlt dies zumindest für Risikopatienten, die zum Beispiel einen Katheter haben oder chronisch pflegebedürftig sind. Die Techniker Krankenkasse (TK) forderte einen generellen Test von Risikogruppen bei der Aufnahme ins Krankenhaus. Bei planbaren Operationen können die Patienten dann vor der Aufnahme getestet und die Keime vor dem Krankenhausaufenthalt beseitigt werden, argumentierte die TK.
Mitverantwortlich für die Resistenzen beim Menschen ist der häufig unkontrollierte Einsatz von Antibiotika in der Tiermast und damit in der Nahrungskette. Der Bund überprüft zur Zeit alle Antibiotika auf ihre weitere Verwendbarkeit bei Tieren.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen, ESBL sei die Abkürzung für einen bestimmten Krankenhauskeim. Diese Definition war nicht vollständig korrekt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
cib/dpa/AFP/Reuters