Aids-Bericht HIV-Infektionen erreichen Rekordniveau in Europa
In Europa ist die Zahl der HIV-Neuinfektionen stark gestiegen. Vor allem in den östlichen Ländern wird das Virus vermehrt übertragen. Hauptgrund ist ungeschützter Geschlechtsverkehr unter Heterosexuellen.
Weltweit macht der Kampf gegen Aids Fortschritte - in Europa hat sich die Lage dagegen nicht gebessert. Denn dort hat die Zahl der neuen HIV-Diagnosen 2014 ein Rekordhoch erreicht. Nach einem Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sind im vergangenem Jahr 142.197 neue Ansteckungen registriert worden. 2013 waren es 136.235 Erstdiagnosen.
"Wir rufen die europäischen Länder auf, mutige Maßnahmen zu ergreifen und die HIV-Epidemie ein für alle Mal zu stoppen"", sagte Zsuzsanna Jakab, die Leiterin des Regionalbüros Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die den Bericht veröffentlicht hat.
Vor allem im Osteuropa sei ein enormer Anstieg zu verzeichnen. Allein Russland meldete 85.252 neue Infektionen. In Bulgarien, Ungarn, Tschechien und der Slowakei hätten sich die pro Jahr diagnostizierten Infektionen seit 2005 verdoppelt. Übertragen werde das Virus hier vor allem durch ungeschützten Geschlechtsverkehr unter Heterosexuellen und durch verunreinigtes Drogenbesteck.
Anstieg um sieben Prozent in Deutschland
In der restlichen Europäischen Union (EU) hingegen werde das Virus überwiegend bei Geschlechtskontakten unter Männern weitergegeben. "HIV-Diagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben, sind in einem alarmierenden Tempo gestiegen", hieß es in dem Bericht. Von 30 Prozent der Infektionen im Jahr 2005 auf 42 Prozent im Jahr 2014.
In Deutschland wurde das Aids-Virus 2014 dem ECDC-Bericht zufolge bei über 3500 Menschen festgestellt. Das sind sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Dennoch schätzt das Robert Koch-Institut (RKI), dass sich nur rund 3200 Menschen direkt in Deutschland infiziert haben. Es gebe eine Reihe von "Auslandsinfektionen", die in Deutschland diagnostiziert werden. In Österreich, Estland, Frankreich, Niederlande und Großbritannien sind die Diagnosen in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 25 Prozent zurückgegangen.
Obwohl die Zahl der infizierten Migranten rückläufig ist, warnt die WHO, diese Gruppe zu vernachlässigen. "Wir fordern alle Länder in Europa auf, HIV-Tests, Präventions- und Behandlungsangebote für alle Flüchtlinge und Migranten bereitzustellen, unabhängig von ihrem rechtlichen Status. Das ist auch der sicherste Weg, die eigene Bevölkerung vor einer HIV-Infektion zu schützen."
Nach einem Bericht der Vereinten Nationen haben sich 2014 weltweit zwei Millionen Menschen mit dem Aids-Virus infiziert. Diese Zahl geht jedoch stark zurück: Die Neuansteckungen sind seit 2000 um 35 Prozent gesunken. Zudem habenimmer mehr Menschen Zugang zu einer antiretroviralen Therapie. 36,9 Millionen Menschen tragen das Virus in sich. 1,2 Millionen Menschen starben im vergangenen Jahr an Krankheiten im Zusammenhang mit Aids.
Bei normalem Körperkontakt gibt es dagegen kein Infektionsrisiko, da die Körperhaut im Gegensatz zur Schleimhaut über eine schützende Hornschicht verfügt. Bei Verletzungen oder Ekzemen können allerdings auch hier Erreger eindringen. Beim beruflichen Umgang mit Kollegen am Arbeitsplatz besteht ebenso wenig Ansteckungsgefahr wie bei Besuchen von Schwimmbad oder Sauna oder gemeinsamem Essen. Kein Risiko gibt es auch bei ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen, da die Desinfektion von Instrumenten das Virus zuverlässig abtötet.
Aids wird durch verschiedene Erkrankungen definiert. Sogenannte opportunistische oder Sekundär-Infektionen und Tumoren nutzen die schwache Immunabwehr aus. Trotz einer Behandlung stirbt der Patient an einer der Folgeerkrankungen. Zusätzlich können schon im Vorfeld virenhemmende Medikamente eingesetzt werden. Beide Maßnahmen verlängern die Lebenserwartung und steigern die Lebensqualität der Betroffenen.
Das Virus kommt in zwei Stämmen vor. HIV-1 ist weltweit verbreitet. Mikrobiologen unterscheiden Subtypen mit den Buchstaben A bis I und O. Der zweite Stamm, HIV-2, ist vorwiegend in Westafrika verbreitet. Ansteckungs- und Krankheitsverlauf sind in beiden Fällen ähnlich.
Im Jahr 2014 hatten 15,8 Millionen Menschen mit HIV Zugang zu einer antiretroviralen Therapie, die den Ausbruch von Aids verzögert. Die Versorgung der Infizierten ist weltweit sehr unterschiedlich. So erhalten laut Uno nur etwa 14 Prozent der Betroffenen in Nordafrika und dem Mittleren Osten eine Therapie. Ähnlich gering sind die Aussichten auf Behandlung in Osteuropa und den ehemaligen Sowjetrepubliken. Überdurchschnittlich gut sind die Chancen für Infizierte in Europa, Nord- und Lateinamerika sowie der Karibik.
1982: In Deutschland und anderen europäischen Ländern werden die ersten Fälle diagnostiziert. Die erworbene Immunschwächekrankheit wird Aids (Aquired Immunodeficiency Syndrome) genannt.
1983: Die Forschungsgruppen von Robert Gallo (USA) und Luc Montagnier (Frankreich) identifizieren das Virus, das die Krankheit auslöst. Später erhält es den Namen HIV (Human Immunodeficiency Virus).
1984: Der erste HIV-Antikörpertest wird vorgestellt.
1985: In Atlanta findet die erste Welt-Aids-Konferenz statt. Durch den Aidstod des US-Schauspielers Rock Hudson wird die Krankheit einer breiten Öffentlichkeit bekannt. In Deutschland dürfen ab Herbst keine Blutpräparate mehr ohne vorherigen HIV-Test verkauft werden. Über 2300 Menschen - darunter mehr als 1800 Bluter - hatten sich zuvor infiziert.
1986: Aus Afrika werden die ersten Aidsfälle gemeldet.
1987: AZT, das erste Medikament, das den Verlauf der Krankheit verlangsamen kann, erhält eine Zulassung.
1988: Die WHO führt den 1. Dezember als Welt-Aids-Tag ein.
1991: Die rote Schleife wird internationales Symbol für den Kampf gegen Aids.
1995: Sogenannte Protease-Hemmer kommen als neues Aidsmedikament auf den Markt.
1996: Die Vereinten Nationen gründen UNAIDS, eine Unterorganisation der Uno für den Kampf gegen die Krankheit.
1999: Wissenschaftler finden Belege dafür, dass das HI-1-Virus von einer Schimpansen-Unterart stammt, die nur im westlichen Zentralafrika vorkommt.
2003: Der erste Fusionshemmer kommt als vierte Klasse von Aidsmedikamenten in den USA auf den Markt.
2004: Die WHO startet die Initiative "3 by 5". Danach sollen 2005 drei Millionen Infizierte mit Medikamenten versorgt werden.
2005: Nach Angaben der UNAIDS sind über 40 Millionen Menschen weltweit mit HIV infiziert - ein neuer Höchststand. Das Berliner Robert Koch-Institut geht von 2600 Neuinfizierten in Deutschland aus. In Deutschland leben insgesamt 49.000 HIV-Positive.
2006: Der jüngste Welt-Aids-Bericht von UNAIDS meldet, dass die Rate der Neuinfektionen sich erstmals seit dem Ausbruch der Seuche verlangsamt. Immer noch erhalten viele Infizierte und Erkrankte in der Dritten Welt keine Versorgung, besonders HIV-positive Kinder.
2008: Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon legt einen Bericht vor, nach dem im Dezember 2007 weltweit schätzungsweise 33,2 Millionen Menschen mit HIV infiziert waren.
2012: Die Uno feiert größere Erfolge im Kampf gegen Aids. Die Zahl der Neuinfektionen weltweit ist deutlich gesunken.
2014: Forscher rekonstruieren frühe Ausbreitung von HIV. Die weltweit häufigste Variante des HI-Virus ist demnach wahrscheinlich um 1920 in Kinshasa entstanden.
2015: Immer mehr Menschen haben Zugang zu Medikamenten gegen HIV. Mehr als 40 Prozent der 37 Millionen Infizierten bekommen eine antiretrovirale Therapie.
joe/dpa