Kindheitserfahrung Missbrauch der Mutter kann Autismus-Risiko ihrer Kinder erhöhen
Wurde eine Frau als Kind missbraucht, überträgt sich ihr Leid mitunter noch auf die Gesundheit ihres Nachwuchses: Die betroffenen Frauen bringen deutlich häufiger Kinder mit Autismus zur Welt, zeigt eine US-Studie. Die Ergebnisse können Ärzten helfen, das Risiko einzugrenzen.
Frauen, die in ihrer Kindheit körperlich, sexuell oder psychisch missbraucht wurden, bringen im späteren Leben eher ein Kind mit Autismus zur Welt als Frauen, die diese Erfahrung nicht machen mussten. Zu diesem Ergebnis kommt eine US-Untersuchung mit mehr als 50.000 Frauen. Bei schwerem Missbrauch sei das Risiko für ein autistisches Kindes im Vergleich zu Frauen ohne Missbrauchserfahrungen um mehr als 60 Prozent erhöht, schreiben die Forscher im Fachmagazin "Jama Psychiatry".
Die Studie ist laut den Autoren die erste, die einen Zusammenhang zwischen den Missbrauchserfahrungen der Mutter in ihrer Kindheit und dem Risiko für Autismus ihrer Kinder untersucht hat. Sie habe einen "völlig neuen Risikofaktor für Autismus" identifiziert, sagte die Leiterin der Untersuchung Andrea Roberts von der Harvard School auf Public Health laut einer Mitteilung. "Weitere Untersuchungen sind notwendig, um zu verstehen, wie die Missbrauchserfahrungen der Frauen mit dem Autismus ihrer Kinder zusammenhängen."
Die Forscher vermuten, dass möglicherweise langfristige Auswirkungen des Missbrauchs auf das Immunsystem und die Stressresistenz der Frau das Risiko für ein autistisches Kind steigen lassen. Zu der genauen Ursachenkette seien aber weitere Forschungen notwendig. "Unsere Untersuchung legt nahe, dass die Auswirkungen von Missbrauch während der Kindheit über die Generationen hinweg reichen", sagte der an der Studie beteiligte Wissenschaftler Marc Weisskopf.
Neun Risikofaktoren in der Schwangerschaft
Für die Untersuchung werteten die Wissenschaftler die Daten von mehr als 50.000 Frauen aus, die an der sogenannten Nurses' Health Study II teilgenommen hatten. 52.498 waren Mütter von Kindern ohne Autismus, 451 hatten Kinder mit Autismus zur Welt gebracht. Neben dem Missbrauch analysierten die Wissenschaftler die Daten zu neun Faktoren rund um die Schwangerschaft - darunter Schwangerschaftsdiabetes, Rauchen und ein früher Geburtszeitpunkt -, bei denen in vorherigen Studien ein Zusammenhang mit einem erhöhten Autismusrisiko festgestellt wurde.
Laut den Ergebnissen haben Frauen, die in ihrer Kindheit Missbrauch erleben mussten, für fast alle der untersuchten Faktoren ein höheres Risiko als andere Frauen - Ausnahme war nur ein niedriges Geburtsgewicht des Kindes. Das alleine kann allerdings noch nicht erklären, warum die Frauen so viel häufiger Kinder mit Autismus zur Welt bringen. Zusammengenommen seien die Faktoren nur für einen kleinen Teil des Anstiegs der Wahrscheinlichkeit für ein autistisches Kind verantwortlich, schreiben die Forscher. Möglich sei allerdings, dass es noch andere Aspekte rund um die Schwangerschaft gebe, auf die sich die Missbrauchserfahrung auswirke und die dann wiederum einen Einfluss auf das Autismusrisiko des Kindes hatten. Als Beispiele nannten die Forscher den Konsum illegaler Drogen und eine schlechte Ernährung.
Die große Zahl der untersuchten Frauen ist eine Stärke der Studie, allerdings machten die Frauen selbst Aussagen über die Gesundheit ihres Kind und ihre Erfahrungen in der Kindheit. Solche Befragungen können, da sie nicht überprüft werden, zu Verzerrungen führen. Weitere Forschung sei erforderlich, um den Mechanismus hinter dem beobachteten Effekt zu ergründen und die Ergebnisse zu untermauern, schreiben die Wissenschaftler.
Allerdings appellieren sie schon jetzt an Ärzte, bei Patientinnen stärker darauf bedacht zu sein, die Autismus-Risikofaktoren in der Schwangerschaft möglichst einzugrenzen - vor allem bei Frauen, die in ihrer Kindheit Misshandlung erfahren mussten.
Hier erfahren Sie mehr über die verschiedenen Arten von Autismus.
irb/AFP