Übergewicht in Deutschland WHO fordert Werbebeschränkung für Bier
Immer mehr Erwachsene und Kinder sind viel zu dick. Neben mehr Bewegung und Sport fordert die Weltgesundheitsorganisation für Deutschland eine Regulierung von Werbung.
Das Problem ist schon lange bekannt: Die Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen hat in Deutschland alarmierende Ausmaße angenommen. Nach Auffassung einer Expertin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnte vor allem eine Einschränkung von Werbung für Dickmacher wie Süßwaren, Junkfood oder Bier helfen.
"Es reicht nicht, bei Werbung auf eine freiwillige Selbstkontrolle durch die Hersteller von Junkfood zu setzen", sagte WHO-Ernährungswissenschaftlerin Juana Willumsen. "Die Werbung muss klar reguliert sein, die Einhaltung muss überwacht werden und es muss Strafen bei Verstößen geben."
Bier mache besonders dick und Werbung dafür sei in Deutschland nicht verboten, betonte Willumsen. Das trage womöglich zum steigenden Gewicht vieler Erwachsener, aber auch vieler Jugendlicher bei. Die WHO empfiehlt mehr Schulsport sowie eine Stadt- und Verkehrsplanung, die Laufen, Fahrradfahren und sportliche Freizeitbeschäftigung fördert. Schulkinder hätten laut Statistik in Deutschland 2014 weniger Obst und Gemüse gegessen als 2002. Der Softdrink-Konsum sei zwischen 2002 und 2006 gesunken, steige aber wieder.
Auch nach Ansicht der Verbraucherorganisation Foodwatch trägt die Lebensmittelindustrie eine Mitverantwortung für Übergewicht und Fehlernährung bei Kindern, da sie fast ausschließlich unausgewogene Produkte für Kinder vermarkte, etwa Süßigkeiten oder salzig-fettige Snacks. "Damit muss Schluss sein", sagte Foodwatch-Sprecher Andreas Winkler. "Es geht nicht darum, Süßigkeiten zu verbieten, sondern darum, Kinder vor den Übergriffen der Industrie zu schützen." Die Politik müsse endlich handeln.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie sowie der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
213 Millionen Kinder leiden weltweit unter Übergewicht
Nach der von der WHO genutzten Statistik des Wissenschaftler-Netzwerks NCD-RisC waren 2016 in Deutschland 6,9 Prozent der Mädchen und 11,2 Prozent der Jungen zwischen fünf und 19 Jahren fettleibig. Ab welchem Gewicht ein Kind als fettleibig gilt, wird weltweit einheitlich berechnet. Dabei werden Alter und Größe berücksichtigt. 2016 fielen in Österreich 11,3 Prozent der Jungen in die Kategorie, in der Schweiz sieben Prozent.
Deutschland: Immer mehr dicke Kinder
Geschlecht | Jahr | Übergewichtig | Fettleibig |
---|---|---|---|
Jungen | 1975 | 13,4 Prozent | 3,3 Prozent |
Jungen | 2016 | 28,4 Prozent | 11,2 Prozent |
Mädchen | 1975 | 14,2 Prozent | 2,5 Prozent |
Mädchen | 2016 | 24,7 Prozent | 6,9 Prozent |
Quelle: The Lancet
Mehr fettleibige Jungen als in Deutschland gibt es unter anderem in Spanien (12,9 Prozent), Italien (14,5 Prozent), China (15,4 Prozent) und den USA (23,3 Prozent). Weniger sind es dagegen in Großbritannien mit 10,9 Prozent oder in Frankreich mit 8,9 Prozent. In Indien lag der Anteil erst bei 2,4 Prozent.
Insgesamt hat sich die Zahl extrem dicker Kinder und Jugendlicher in den vergangenen vier Jahrzehnten weltweit mehr als verzehnfacht. Laut der WHO sind im vergangenen Jahr 124 Millionen fettleibig gewesen - 213 Millionen Kinder leiden unter Übergewicht.
Zur Effizienz freiwilliger Selbstkontrollen legten vorläufige Ergebnisse zahlreicher Studien vor allem eines nahe, sagte Willumsen: "Es funktioniert nicht." Hersteller von Süßwaren und -getränken und anderem Junkfood verpflichteten sich oft nur zu sehr begrenzten Einschränkungen. Dann werde etwa auf Werbung in Zeichentricksendungen oder Programmen nur für unter Fünfjährige verzichtet. "Junge Leute sind aber bis 16 sehr anfällig für Werbung, und die sehen auch andere Programme", sagte Willumsen.
joe/dpa