Mein Leben als Karnevalsprinz "Es war wie im Traum"
Seine Amtszeit kostete ihn so viel wie ein Sportwagen und er brauchte Hilfe beim Toilettengang: Ein Karnevalsprinz erzählt, warum seine Regentschaft trotzdem die schönste Zeit seines Lebens war.
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Den Festzug am Rosenmontag erlebte ich wie im Rausch: Auf dem allerletzten Wagen zu stehen, der Höhepunkt dieses Umzugs zu sein. Die Zuschauer am Straßenrand riefen meinen Namen, klatschten und feierten. Es war wie im Traum.
Mit dem Amt des Karnevalsprinzen habe ich mir einen Kindheitswunsch erfüllt. Mit meinen Eltern stand ich als Junge am Straßenrand, fing Bonbons und bewunderte die schönen Kostüme. Als ich sieben war, gingen wir nach dem Umzug zum Prinzenwagen. Der hintere Teil war geöffnet und ich konnte sehen, wie groß er drinnen war. Und plötzlich wusste ich: Eines Tages will ich auch Karnevalsprinz sein.
Mit 18 trat ich in einen Karnevalsverein ein. Mit 49 wurde ich schließlich zum Prinzen einer großen Stadt mit langer Karnevalstradition gewählt. Das kostet viel Zeit, aber da ich nicht verheiratet bin, musste ich auf niemanden Rücksicht nehmen. Man hat das Amt immer für ein Jahr, Wiederwahl nicht möglich.
Ich habe mich vier Jahre vorher beim Karnevalsausschuss meiner Stadt beworben. Nachdem klar war, dass das Festkomitee mich wählen würde, begann die Organisation meiner Amtszeit. Denn der Karnevalsprinz trägt die Kosten für Kostüme, Auftritte, Hotels und vieles mehr ganz allein. Ich musste mich also um Sponsoren kümmern. Das hat zum Glück gut geklappt, aber ich kenne auch ehemalige Prinzen, die sich durch ihre Amtszeit verschuldet haben.
Nicht nur Partykönig
Die Verpflichtungen eines Karnevalsprinzen beginnen nicht erst am 11. November, wenn die Karnevalssaison beginnt, sondern bereits im Sommer davor. Man ist ein Jahr lang nicht nur Partykönig, sondern vor allem Repräsentant der Stadt. Viele Medientermine gehören dazu. Auch der soziale Aspekt ist sehr wichtig. Mit meinem Prinzenteam besuchte ich Schulen, Kitas und Altenheime - immer kostümiert. Wir hielten eine Rede, sangen und tanzten.
Einmal traten wir auf einer Demenzstation auf. Für mich war es sehr berührend, die Menschen strahlen zu sehen. Viele von ihnen konnten die Station nicht mehr verlassen, mein Auftritt war für sie ein lang erwartetes Highlight. Ich verlieh Orden an drei Bewohner, die vom Heim vorgeschlagen worden waren.
Am Bühnenrand saß ein Mann im Rollstuhl. Er konnte sich nur noch sehr eingeschränkt bewegen. Ich spürte, wie begeistert er war. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sicher mitgeklatscht. Spontan verlieh ich auch diesem Mann einen Orden. Als ich vor ihm kniete, sang er plötzlich: "Mer losse dr Dom en Kölle". Die Zuschauer begannen zu klatschen, einige standen auf und sangen mit. Ich hatte Gänsehaut.
Die Tücken des Prinzenoutfits
Für die Karnevalszeit habe ich meinen ganzen Jahresurlaub genommen. Eigentlich bin ich Angestellter in einer großen Firma. In den sechs Wochen vor dem Festumzug hatte ich 300 Auftritte. An meinem vollsten Tag hatte ich 18 Auftritte hintereinander, ab halb sechs abends. Ohne ein tolles Team geht da gar nichts. Mein Fahrer hielt nach den Auftritten immer eine Wolldecke für mich bereit, denn das Kostüm hält nicht besonders warm. Er brachte mich ins Auto und zum nächsten Termin. Auch eine Physiotherapeutin begleitete mich, denn den ganzen Tag zu tanzen, ist sehr anstrengend. Ich hatte oft Muskelkater.
Beim An- und Auskleiden benötigte ich Hilfe. Das Kostüm ist schwer und hinten mit Knöpfen versehen. Wenn ich auf die Toilette musste, wurde der ganze Raum von zwei Teammitgliedern abgesperrt. Ein dritter kam mit mir in die Kabine und half mir aus dem Kostüm. Diese Prozedur war immer langwierig. Deshalb habe ich möglichst wenig Alkohol getrunken. Außerdem benötigte ich für meine Reden ja einen klaren Kopf. Auch abends im Hotel half mir jemand aus dem Kostüm. Der Karnevalsprinz und sein Team verbringen die letzten Wochen vor dem Rosenmontag traditionell gemeinsam im Hotel. Es gibt so viele Termine, dass es sonst zu kompliziert wäre, alles zu koordinieren.
Das Prinzenoutfit hat noch andere Tücken: Ich musste immer zwei weiße Strumpfhosen anziehen, damit sie wirklich blickdicht sind. Das soll aber nicht auffallen, deshalb müssen die Nähte beider Hosen direkt übereinanderliegen - gar nicht so einfach. Auch die Kopfbedeckung ist nicht ohne: An ihrer Spitze stecken anderthalb Meter lange Fasanenfedern. Einmal schlug ein Partygast direkt hinter mir die Tür zu und klemmte eine meiner Federn ein. Ich konnte mich nicht umdrehen, um die Tür zu öffnen. Denn sonst wäre die Feder gebrochen. Ein Teammitglied befreite mich schließlich.
Die Federn werden immer gern von Partygästen angefasst. Manche versuchen auch, eine zu klauen. Eine Feder kostet 50 Euro.
Am Aschermittwoch war meine Prinzenzeit vorbei. Von einem Moment auf den anderen aus dem Rampenlicht katapultiert zu werden, ist für viele nicht leicht. Zum Glück bin ich in meinem Karnevalsverein so fest eingebunden, dass mir das nicht viel ausgemacht hat.