Mutter wird Essensdekorateurin "Kinder essen mit den Augen"
Eigentlich wollte sie nur ihrem Sohn eine Freude machen, doch dann wurde ein neuer Job daraus: Laleh Mohmedi kreiert faszinierende Bilder aus Essbarem. Hunderttausend Menschen schauen auf Instagram zu.
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- "Jacob's Food Diaries" auf Instagram
SPIEGEL ONLINE: Frau Mohmedi, Sie haben vor drei Jahren für ihren Sohn einen Dinkelpfannkuchen zu einem Bären geformt - und jetzt arbeiten Sie Vollzeit als Essensdekorateurin. Wie ist das denn passiert?
Laleh Mohmedi: Das ist wirklich verrückt. Ich habe damals ein Foto des Pfannkuchens auf meiner private Facebook-Seite gepostet, und alle Mamis in meinem Freundeskreis sind vor Begeisterung ausgeflippt. Sie meinten, ich müsse das unbedingt auf Instagram posten, aber ich kannte Instagram gar nicht. Ich wusste auch nicht, wie das mit den Hashtags funktioniert, ich hatte keine Ahnung. Aber ich habe mich reingefuchst - und offenbar habe ich mit meinen essbaren Bildern einen Nerv getroffen.
SPIEGEL ONLINE: Weil Kinder so Gemüse essen, das sie sonst nicht essen würden?
Mohmedi: Ja, Kinder essen mit den Augen. Wenn etwas für sie nicht appetitlich aussieht, mögen sie es nicht. Mir haben viele Mütter geschrieben, dass sie ihren Kindern mit meinen Deko-Ideen gesundes Essen leichter schmackhaft machen können. Aber mit meinem Sohn Jacob hatte ich da noch nie Probleme. Er isst eigentlich alles.
SPIEGEL ONLINE: Dann hätte er den Dinkelpfannkuchen auch gegessen, wenn er nicht wie ein Bär ausgesehen hätte?
Mohmedi: Klar! Das war damals wirklich nur ein Spaß von mir. Aber Jacob hat sich so über den Bären gefreut, dass er am nächsten Tag wieder ein Tier haben wollte. Und dann eine Comicfigur. So habe ich jeden Tag ein anderes essbares Bild kreiert, und das Ganze ist ins Rollen gekommen.
Im Video: Iss richtig - Essen für Kinder
SPIEGEL ONLINE: Die Bilder sehen toll aus, aber ganz ehrlich: Schmeckt das denn auch?
Mohmedi: Auf jeden Fall, sonst würde das gar nicht funktionieren. Kinder essen nichts, was ihnen nicht schmeckt. Ich achte beim Kochen auch sehr auf die Reihenfolge, damit nicht ein Teil des Bildes schon wieder kalt ist, wenn es fertig ist.
SPIEGEL ONLINE: Wie lange brauchen Sie denn für so ein Bild?
Mohmedi: Das kommt sehr auf die Kreation an. Wenn zum Beispiel Brot dabei ist, muss ich das ja vorher erst backen. Aber im Großen und Ganzen rechne ich so mit 30 bis 45 Minuten.
SPIEGEL ONLINE: Sie backen sogar das Brot selbst?
Mohmedi: Ja, ich verzichte auf Industrieprodukte und verwende nur unbehandelte Zutaten, auch für die Farben. Raffinadezucker zum Beispiel nehme ich nicht.
SPIEGEL ONLINE: Und wie kriegen Sie das Hellblau von Sully hin?
Mohmedi: Mit blauem Matcha-Pulver. Ich experimentiere da viel, und einiges habe ich auch durch Zufall herausgefunden. Ich habe zum Beispiel mal eine Hühnersuppe mit violetten Möhren gekocht, und das endete in einem völligen Desaster: die ganze Suppe einschließlich der Nudeln war lila. Seither verwende ich violette Möhren, wenn ich etwas lila einfärben will.
SPIEGEL ONLINE: Starkoch Jamie Oliver hat im Herbst 2015 auf Instagram ein Foto ihrer Gerichte geteilt. War das ihr Durchbruch?
Mohmedi: Nein, zu dem Zeitpunkt hatte ich meinen alten Job schon aufgegeben, weil so viele Anfragen von Firmen kamen, dass ich mich Vollzeit um die Essensbilder kümmern konnte. Aber klar, seine Werbung hat mein Geschäft noch mal angekurbelt. Und mittlerweile haben wir sogar mehrfach zusammengearbeitet, das ist eine große Ehre für mich.
SPIEGEL ONLINE: Was haben Sie denn früher gemacht?
Mohmedi: Ich habe medizinisches Personal aus dem Ausland rekrutiert. Kunst mochte ich als Fach in der Schule, und für gesunde Ernährung interessiere ich mich schon lange - aber ich hätte nie gedacht, dass daraus ein Job werden könnte. Mein Mann ist Koch, aber ich selbst wollte nie Köchin werden.
SPIEGEL ONLINE: Was sagt denn ihr Mann zu ihrem Jobwechsel?
Mohmedi: Er findet das großartig und hat mich von Anfang an unterstützt. Aber die Essensbilder sind mein Ding, da lässt er mich einfach machen.
SPIEGEL ONLINE: Vermissen Sie manchmal Ihren alten Job?
Mohmedi: Nein, keine Sekunde! Ich würde um nichts auf der Welt wieder in meinen alten Job zurück, ich bin jetzt rundum glücklich.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie einen Tipp für andere, wie so ein Karrierewechsel gelingen kann?
Mohmedi: Ich hatte es nie auf Ruhm abgesehen, ich bin einfach meiner Leidenschaft gefolgt. Vielleicht ist das mein Erfolgsrezept. Aber ehrlich gesagt staune ich selbst immer noch, wie sich das alles entwickelt hat. Ich habe sogar schon Workshops für Mütter in Dubai gegeben.
SPIEGEL ONLINE: Wie oft kriegt ihr Sohn Jacob denn jetzt noch ein Essensbild?
Mohmedi: So zwei- bis dreimal die Woche. Er hat jetzt oft auch schon eigene Ideen, welche Zutaten man für welches Bild verwenden könnte und hilft mir in der Küche. Früher habe ich täglich eines für ihn gemacht, das schaffe ich jetzt nicht mehr. Aber an den anderen Tagen gibt es natürlich auch gesundes Essen. Junkfood kommt uns nicht ins Haus. Jacob mag das auch gar nicht. Er war noch nie bei McDonald's.
SPIEGEL ONLINE: Vielleicht würde er es mögen, wenn er mal dort gewesen wäre.
Mohmedi: Wir wollten mit ihm hin, aber er hat sich geweigert! Sogar zu seinem Freund hat er gesagt: Bäh, ich esse das nicht. Ich selbst würde es ihm nie verbieten. Wenn seine Freunde bei McDonald's Geburtstag feiern, soll er nicht außen vor sein.