Mein Leben als Pilot "Ich habe Kollegen, die verdienen nur 1400 Euro netto"
Die Ausbildung? Schwierig. Die Arbeitszeiten? Hart. Jobwechsel? Fast ausgeschlossen. Und auch die Gehälter sind nicht so üppig, wie viele denken. Ein Pilot erzählt, wie das Arbeiten über den Wolken wirklich ist.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. In der Serie "Das anonyme Job-Protokoll" erzählen Menschen ganz subjektiv, was ihren Job prägt - ob Tierärztin, Staatsanwalt oder Betreuer im Jobcenter.
Arbeiten über den Wolken, die ganze Welt sehen und dabei noch ordentlich verdienen - ich wollte schon Pilot werden, als ich noch ein kleiner Junge war.
Ich merkte allerdings schnell: Das wird schwierig. Die Aufnahmetests zu bestehen ist harte Arbeit - und so viele Flugschulen gibt es nicht. Wer bei einer der Airlines einen Ausbildungsplatz ergattert, hat Glück. Wer das nicht schafft, muss eine private Ausbildung für 70.000 Euro oder mehr absolvieren. Und selbst dann steht der Weg ins Cockpit nicht offen.
Denn wer fliegen will, braucht Flugerfahrung, so merkwürdig das klingt. Es ist ein Teufelskreis: Ohne Job kann man natürlich keine Erfahrung außerhalb von Flugsimulatoren sammeln. Als Konsequenz zahlen manche junge Piloten den Airlines Geld, damit sie fliegen dürfen, um so ihre Praxisstunden zu sammeln. So erhoffen sie sich bessere Aussichten für eine dauerhafte Anstellung.
Das Fliegen selbst ist großartig. Und entgegen dem Klischee sind wir nicht nur für Start und Landung zuständig. Ich freue mich jedes Mal auf den Moment, wenn die Wolkendecke durchbrochen wird und die Sonne zum Vorschein kommt. Wir fliegen praktisch immer über dem Wetter und sehen jeden Tag die Sonne.
Oft unausgeschlafen
Was ich Freunden und Bekannten nicht gern erzähle: Ich sitze oft müde im Cockpit. Das liegt an den unregelmäßigen Arbeitszeiten. Mal beginne ich frühmorgens, manchmal fliege ich durch die Nacht, normale Wochenenden kennen wir nicht. Einen Rhythmus zu finden ist praktisch unmöglich. Trotz der Ruhezeiten, die wir natürlich einhalten, bin ich oft unausgeschlafen. Häufig komme ich nach einer Schicht nicht nach Hause, sondern übernachte am Ankunftsort meiner Flüge - von dort aus geht es dann später weiter. Umlauf nennen wir das.
Dieser Umlauf hat früher echt Spaß gemacht. Wir hatten oft Zeit, uns die Städte ein wenig anzusehen, zusammen mit anderen Piloten oder dem Kabinenpersonal. Manchmal haben wir auch gefeiert. So richtig Gas geben konnten wir allerdings nicht. Wir dürfen acht Stunden vor Dienstbeginn keinen Alkohol mehr trinken - trotzdem waren wir bei Dienstbeginn nicht alle putzmunter. Wenn man um zwölf Uhr mittags startet und in der Nacht vorher bis vier Uhr unterwegs war, fehlt Schlaf. Betrunkene Piloten gibt es jedoch so gut wie nie, die meisten nehmen ihren Job und ihre Verantwortung sehr ernst.
Mittlerweile fallen diese freien "Stehtage" aber häufig weg. Die Airlines wollen Kosten sparen.
Eine Zeit lang stammte fast mein kompletter Freundeskreis aus der Fliegerwelt. Wenn alle so unregelmäßige Arbeitszeiten haben, schweißt das zusammen. Das ändert sich langsam, manche Fluglinien wollen, dass die Crew nach Möglichkeit zu Hause übernachtet. Nicht aus Fürsorge, sondern aus Spargründen: So müssen sie keine Hotelzimmer buchen.
- UNI SPIEGEL
Ausgabe 1/2018
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Apropos sparen: Die Bezahlung schwankt sehr von Airline zu Airline - insgesamt ist das Vorurteil vom Großverdiener über den Wolken aber eine Geschichte aus alten Zeiten. Zwar bekommen Einsteiger manchmal noch ein anständiges Gehalt. Ich kenne jedoch auch Kollegen, die im Monat 1400 Euro netto verdienen. Mit der Vorstellung vom gut verdienenden Flugkapitän hat das nicht viel zu tun. Ich persönlich bin ganz zufrieden, verdiene als First Officer - so nennt man Co-Piloten - momentan 3000 Euro netto. Kapitäne bekommen mehr.
Allerdings ist es für Nachwuchspiloten sehr schwierig, dorthin aufzusteigen. Bei manchen Airlines gibt es einen regelrechten Beförderungsstau. Sie haben vor Jahren viele junge Piloten zu Kapitänen gemacht. Die, die später kamen, sind jetzt zehn Jahre Co-Pilot, ohne Chance auf eine baldige Beförderung. Das frustriert, ist ja klar.
Trotz allem ist Pilot immer noch mein Traumberuf. Der Job ist fordernd und macht Spaß, man arbeitet mit tollen Leuten zusammen und bereist die exotischsten Orte. Piloten werden auch in Zukunft gebraucht. Unsere Branche erlebt immer wieder Wellen: Mal gibt es zu viele Piloten, mal zu wenige. Doch der Markt verändert sich. Es gibt vielleicht noch drei oder vier gute Arbeitgeber. Wechseln ist schwer. Wer einmal bei einer Airline durch den Aufnahmeprozess gefallen ist, ist verbrannt. Die Branche ist klein, das spricht sich rum.
Wer später ausscheidet, etwa aus gesundheitlichen Gründen, hat erst recht ein Problem - sofern die Airline ihre Mitarbeiter nicht vorher abgesichert hat. Denn die Pilotenausbildung ist eben genau das: eine Ausbildung, auch wenn sie teuer ist. Außer fliegen kann man damit nicht viel machen. Ich würde deshalb jedem angehenden Piloten raten, lieber erst zu studieren und dann die Bewerbung an die Flugschule zu schicken.
Im Video: Prüfungsstress im Cockpit - Pilotenausbildung bei der Lufthansa