Berliner Fotoausstellung Panzer und Pin-ups
Das DDR-Blatt "Armeerundschau" druckte Soldaten auf den Titel und Pin-ups auf die Rückseite. Der Künstler Peter Piller hat die Bilder bearbeitet und neu kombiniert. Seine Serie zeigt, wie Waffen erotisch aufgeladen werden.
Im hellerleuchteten Glasquader der Galerie Capitain Petzel drängt sich die Berliner Kunstszene zur Eröffnung der Ausstellung von Peter Piller. Piller, 44, stellt zum ersten Mal bei Capitain Petzel in der Karl-Marx-Allee 45 aus, und er sorgt für eine Überraschung. Denn der Hamburger Konzeptkünstler und Professor in Leipzig zeigt erstmals eine Serie von Fotos, die er speziell für den Ausstellungsort produziert hat und die schon von der Straße aus durch ihre kräftige Farbigkeit auffällt.
Beides ist ungewöhnlich für Piller. Denn sein Ausgangsmaterial sind meist schwarzweiße Fotos aus Zeitungen, digitalen Medien, Archiven, Postkarten, kombiniert mit Selbstfotografiertem. Er stellt die Bilder so zu Serien zusammen, dass sie in ihrer Banalität mehr über das Alltägliche erzählen, als es die Realität kann. Seit Mitte der neunziger Jahre kennt man diese Serien. Sie führen lakonisch und oft komisch die Tristesse des Durchschnittlichen vor wie den standardisierten Geschmack der Einfamilienhäuser, Zäune, Rollläden und Balkonbepflanzungen; sie zeigen die Vergeblichkeit des Planungs- und Gestaltungswillens der öffentlichen Hand an Wendehämmern und Bauerwartungsflächen. Und sie dokumentieren die Phantasielosigkeit von Medienbildern, egal ob es sich um die Darstellung von Tatorten oder Unfällen, um Fahndungsbilder oder das Durchschneiden von Einweihungsbändern handelt.
Auch die Bilder der Ausstellung bei Capitain Petzel sind gefundene Bilder. Neu an der Zusammenstellung ist, dass sie einen direkten Bezug zum Standort der Galerie hat. Denn die 30 Arbeiten des Werkblocks "Umschläge" hat Piller dem NVA-Magazin "Armeerundschau" entnommen, das in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren in der DDR erschien. Da liegt der Bezug zur Galerie auf der Straße. Denn genau vor der Capitain-Petzel-Galerie, auf der sechsspurigen Karl-Marx-Allee, fanden bis 1989 die militärischen Großparaden der Nationalen Volksarmee statt, mit rollenden Panzerformationen und marschierenden, bewaffneten Soldaten. Hier zeigte die DDR ihre militärische Potenz vor den Polit-Kadern auf der Tribüne und vor der Bevölkerung, den fahnenschwingenden Jungen Pionieren und den Betriebsgruppen.
Neckisch und verführerisch die Frau; Held und Herr der Technik der Mann
Schon vor seiner Ausstellung besaß Piller einige Ausgaben des Magazins. Er komplettierte sie und verknüpfte Titel- und Rückseite "zu den zwei großen Themen menschlichen Handelns", nämlich zu "Sexualität und Tod", wie es in der Ausstellungsinformation heißt. Denn das Cover der "Armeerundschau" zeigt Soldaten im Kampf, mit Waffen, in Panzern oder Kampfflugzeugen, während den Betrachter von der Rückseite des Magazins eine Frau, die DDR-Version eines Pin-up-Girls, direkt anblickt.
Piller zeigt die Fotos als Wandbilder, wie immer hat er sie vergrößert, alle Schriften radikal entfernt, bis nur die reinen grafischen, meist farbigen Punkte oder Rechtecke bleiben, in denen einmal Schrift oder ein Logo standen. Und er hat alle Abnutzungserscheinungen digital unsichtbar gemacht. Jetzt steht männliche Pose neben weiblicher. Neckisch, verführerisch, auffordernd, auch selbstbewusst. Die Frau, als Held - als Herr der Technik und als Angreifer der Mann. Da stürmen zum Beispiel auf einem Bild drei behelmte Soldaten mit Gewehr im Anschlag durch ein schilfbestandenes Ufer auf den Betrachter zu, während daneben ein braunhaariges Mädchen zwischen herunterhängenden Zweigen hervorlächelt.
Futuristische Kampfjets scheinen in ihrem Sturzflug direkt auf den Ausschnitt der Blondine zu zielen, die mit hochtoupierter Frisur erwartungsvoll in Richtung der Flieger zu blicken scheint. Oder drei Soldaten in voller Ausrüstung stürmen über eine Hängebrücke, unter ihnen eine Feuersbrunst, während daneben eine dunkelhaarige Schönheit den Betrachter anblickt, auf dem Rand eines Wasserbeckens mit Fontänen sitzend. Feuer gegen Wasser, Gefahr gegen die friedlich-freundliche Frau oder ein verführerisches Girl. Sie, schwarzhaarig, im Halbprofil, scheint gerade aus der Dusche zu kommen, denn auf ihrem Gesicht mit den perfekt geschminkten Augen stehen Wassertropfen. Auf dem dazugehörenden Titelbild ist ein Soldat im Häuserkampf mit Flammenwerfer zu sehen.
An James-Bond-Posen denkt man unwillkürlich, wenn zwei startende Kampfjets auf ein kurzhaariges Mädchen im Minirock treffen, das sich mit einem Arm auf ihr angewinkeltes Bein stützt und den anderen in ihre Hüfte stemmt. Viele dieser Bilder scheinen zusammenzugehören - es gibt Parallelen in Farben oder Mustern und gleichartige Motive oder Anspielungen. Hier erklimmt ein Soldat eine Steilwand, daneben hält sich eine Frau an einer Klappleiter fest; er hält die Schnüre eines Fallschirms in der Hand, sie den Hals einer Gitarre mit den gut sichtbaren Seiten.
Manchmal scheint es, als habe Piller die Bilder nach solchen hintersinnigen und hintergründigen Aspekten zusammengesucht und gegeneinander montiert. Aber das genau sei ja das Besondere an Pillers Arbeit, sagt Michael Wiesehöfer, Galeriedirektor bei Capitain Petzel und Kenner des Piller-Archivs, "dass er solche Parallelitäten oder Analogien in der Gestaltung entdeckt und sichtbar macht".
Peter Piller. Tatsächliche Vermutungen. Berlin, Galerie Capitain Petzel. Bis 22.12.