Cooler Cycle-Style Pfau fährt Rad
Nur verbissene Ökos und arme Studenten fahren Rad - so das gängige Klischee. Doch seit Hipster sogar in Tweed-Anzügen durch London und Berlin strampeln, gilt das Velo als Mode-Accessoire. Ein prächtiger Fotoband feiert den neuen Dandy und seinen Drahtesel.
Paul Smith mag's gern klassisch. "Classic with a twist", lautet das Motto des britischen Modeschöpfers. Und klassisch sind nicht nur die Herrenanzüge, die er entwirft, sondern auch die Fahrräder, für die er schwärmt. Smith zeigt sich gern auf seinem schwarzen Fixie, ein auf das Wesentliche reduziertes Velo; Gangschaltung, Schutzbleche oder Beleuchtung fehlen, die würden den schlanken Stahlrahmen ja auch nur verunstalten.
Der deutsche Fotograf Horst Friedrichs hat Smith kürzlich in London aufgenommen. Nicht am Schreibtisch, nicht umringt von Models auf dem Catwalk, sondern ganz ordinär auf der Straße vor seinem Büro, und zwar auf dem Fahrrad. Das Bild findet sich in dem neuen Fotoband "Cycle Style", in dem sich Neo-Dandys aus London mit ihren neuen Lieblingen in Szene setzen: nostalgischen Herrenrädern der Marke Pashley oder den besagten Fixie-Bikes.
Den Lenker fest in der Hand, posieren die Londoner mit ihren Rädern auf der Straße wie einst ihre Ahnen mit dem besten Pferd aus dem Stall. Friedrichs' Fotos spiegeln wider, was seit einiger Zeit in vielen großen Städten der Welt zu beobachten ist. Das lange als ödes Öko-Gefährt verpönte Rad gilt als Mode-Accessoire, statt mit einem Cabrio vergeblich nach einem Parkplatz zu suchen, schwingt sich der Hipster von heute auch schon mal aufs Rad, das dann natürlich genauso ein Hingucker sein muss wie er selbst.
Schnauzer fürs Radeln
Natürlich gaukelt der Fotoband eine Welt vor, die es so nicht gibt - auf den Radwegen Londons und Berlins dominieren nach wie vor gewöhnliche Cityräder mit unförmigen Alurahmen und hässlichen Federgabeln, auf denen stinknormale Menschen sitzen. Doch in Fahrradhochburgen wie Amsterdam oder Kopenhagen hat sich die Velospur durchaus zu einer Art Laufsteg gemausert. Banker im Business-Zweiteiler warten dort zusammen mit der Kostümträgerin in High Heels vor der Fahrradampel geduldig auf Grün. Und wer auf dem Weg ins Büro auffallen will, versteckt seine scharfen roten Italo-Boots nicht im Fußraum eines Autos, sondern trägt sie auf dem Rad zur Schau.
Das Dandytum auf zwei Rädern wurde in London erfunden - und passt eigentlich nicht zur Szene der Kurier- und Fixie-Fahrer, der es entstammt. Mit Snobismus haben die verschwitzten Abenteurer auf zwei Rädern ja eher wenig gemein. Dennoch hatten sich in einem Internetforum ein paar Fixie-Fans im Januar 2009 zu einer Rundfahrt durch London verabredet. Nicht in der typischen Kurier-Kluft, sondern im Sakko aus klassischem Tweed. "Anfangs war das eher eine Verarschung", erinnert sich der Amerikaner Bregan Faika, damals stolzer Besitzer eines selbst zusammengebauten Fixies. Doch inzwischen ist der sogenannte Londoner Tweed Run so populär, dass man kaum noch an eines der begehrten Tickets kommt. Mit großem Aufwand werfen sich die Teilnehmer in Schale. Mancher lässt sich eigens sechs Wochen vor dem Event einen Schnauzer wachsen, den er am Tag der Rundfahrt sorgfältig zwirbelt.
Wer in London die Augen aufhält, erspäht mittlerweile sogar Radler, die jeden Tag in Tweed unterwegs sind. Wie Guy Hills, ein Stoffdesigner. Er entwirft sogenannten dashing tweed - robuste Stoffe, in die Fäden eingearbeitet sind, die Licht gut reflektieren; das ideale Material für Tweed Runner, die spätnachts unterwegs sind.
Der Hype ums Radeln im schottischen Gewand hat sogar die deutsche Provinz erreicht. Nicht nur in New York, San Diego, Helsinki, selbst im beschaulichen Oldenburg in Niedersachsen gibt es schon Tweed Runs. Was als Gag der Londoner Fahrradkuriere begann, gilt nun auch als Statement der eher stilkonservativen Generation Manufaktum: Es gibt sie noch, die guten alten Sackos und die guten alten Räder. Handgebaut mit gemufftem Stahlrahmen, schwarz lackiert und natürlich mit Brooks-Ledersattel.
Hinter der Begeisterung für Old-School-Räder steckt auch Abneigung gegen seelenlose Massenproduktion. Wer bewusst isst, unterstützt slow food. Und wer bewusst radelt, kauft kein Velo von der Stange, sondern ein Einzelstück, das ein bärtiger Nerd in einer unaufgeräumten Werkstatt zusammengelötet hat. Das mag elitär und snobistisch sein. Ist aber schön anzuschauen.
Veranstaltungstipp: Mode fürs Rad und gestylte Räder gibt es am 3. und 4. März auf der Berliner Fahrradschau zu sehen.