Tageskarte Küche Eine Prise Küchen-Koks gefällig?
Rechtzeitig zur Backebackekuchen-Jahreszeit verschwinden wieder Massen vom teuersten Gewürz der Welt in tristen Rührkuchengefäßen. Verschwendung? Nein zwar macht noch immer der "Safran den Kuchen gelb". Doch meist ist er gefälscht.
Wenn Sie in den nächsten Monaten ein Kind zur Welt bringen wollen, brauchen Sie hier nicht weiterlesen, denn Sie sollten besser einen großen Bogen um das rote Gold der Gewürzwelt machen. Bis ins vorletzte Jahrhundert wurde Safran wegen seiner abortiven Nebenwirkung von den Engelmacherinnen hoch geschätzt.
Doch auch der Rest der kochenden und genießenden Welt, der seinen Kuchen oder die Kürbissuppe eingelben will, wird angesichts der Dollarquintilliarden, die in der hyperglobalisierten Irrealwirtschaft vernichtet wurden, und des noch ungewissen Funkenfluges in die reale Wirtschaftswelt eher zum billigen Derivat denn zum wahren Stoff greifen.
Zur Gewinnung von nur einem Gramm Safran müssen in den Anbauländern (vor allem Iran, Spanien und Griechenland) mehr als 100.000 tief violette Blüten der Krokuspflanze Crocus sativus von Hand geerntet und mühevoll von den haardünnen Stempelfäden der Blütennarben getrennt werden.
Und noch nicht einmal dann hat das winzige Häufchen roter Fäden, das vor dem Safranbauern liegt, die höchste Qualitätsstufe "Coupé". Hierfür nämlich gilt es, nun auch noch die wenig färbenden und würzenden Narbenschenkel abzutrennen, damit die übriggebliebenen Fädenspitzen als das Top Wesselton der Gewürze verkauft werden kann.
Das Wundergewürz hatte schon immer ein Faible für düstere Drogenkreise. An anderer Stelle wurde berichtet, dass mehr und mehr afghanische Kleinbauern den Marktpreis von 1500 Dollar für ein Kilo Safran den schlappen 120 Greens für die gleiche Menge Roh-Opium vorziehen. Wird er deshalb für immer verstummen, der Chor der Haschischkneter aus Kabul? Wohl kaum, es sei denn, die Jungs pfeifen sich mehr als 10 oder 15 Gramm puren Safran auf einmal rein.
Irgendwo in diesem Grammbereich liegt die letale Dosis der roten Fäden, die beim Kochen "gelb werden" (persische Bedeutung von "Zafaran"). Die aphrodisierende Wirkung des psychoaktiven Wirkstoffes Safranal war schon in vorchristlicher Zeit bekannt. Bei Überdosierung aber winkt der Sensenmann allerdings mit einem, schon im Mittelalter beschriebenen, "fröhlich lachenden Tod": im ersten Stadium starker Lachreiz, dann Herzklopfen, Schwindel und Sinnestäuschungen; schließlich Tod durch Lähmung des Zentralnervensystems.
Nicht die unangenehmste Art zu sterben, wenn man bedenkt, dass in früheren Zeiten Safranfälscher zur Strafe entweder lebendig begraben oder auf dem Scheiterhaufen nicht gerade bei Niedrigtemperatur genüsslich durchgebraten wurden. Bei solchen Handelsspannen wird natürlich auch heute munter gefälscht.
Selbst wer tapfer sich dem gemahlenen "Machichdirguttepreis"-Safran auf dem Basar verweigert (der fast immer nur aus dem billigen Kurkuma besteht) und nur ganze Fäden als Urlaubsschnäppchen kauft, bringt oft den wertlosen Saflor mit. Die Blütennarben der Färberdistel (Carthamus tinctorius) werden im Wasser zwar auch hübsch gelb, von dem fein-inspirierenden Edelaroma des Safrans aber ist da noch nicht einmal eine Ahnung vorhanden.
Wem in Spanien iranischer Safran als heimisches Gewächs angedreht wird, muss dagegen nicht weinen. Er zahlt zwar ein paar Euros mehr, die Qualität ist dennoch nicht viel schlechter als die Ware, die der Hamburger Kaufmann und Spitzenkoch Eberhard Pütter seit einem Jahrzehnt an die deutsche Sternengastronomie liefert. Pütter hat das Ruder Anfang 2008 an seinen Nachfolger Christoph Hantke übergeben, der netterweise jetzt auch die hobbykochenden Qualitätsfanatiker via Web-Shop mit iranischem "Coupé" zu erträglichen Preisen (vier bis sieben Euro das Gramm je nach Abnahmemenge) beglückt.
Angesichts dieser Preise wollen wir das edle Stöffchen heute auch nicht für eine schnöde Hokaidosuppe verballern, sondern in einem wirklich hochklassigen, wenngleich auch sehr schwierigen Rezept einsetzen: Steinbeißerinfusion mit Safran-Bercy und Tomatenrisotto.
Aber auch hier nur mit einem Viertelgramm Safran, schließlich soll es uns nicht ergehen wie Johann Wolfgang von Goethe, der auf seiner Italien-Reise im sizilianischen Catania am Mittwoch, 2. Mai 1787 in sein später veröffentlichtes Reisetagebuch schrieb: "In unserer Herberge befanden wir uns freilich sehr übel. Die Kost, wie sie der Maultierknecht bereiten konnte, war nicht die beste. Eine Henne, in Reis gekocht, wäre dennoch nicht zu verachten gewesen, hätte sie nicht ein unmäßiger Safran so gelb als ungenießbar gemacht."
- 1. Teil: Eine Prise Küchen-Koks gefällig?
- 2. Teil: Rezept für Steinbeißerinfusion mit Safran-Bercy und Tomatenrisotto (Hauptgericht für 4 Personen)