"Die Peanuts - Der Film" Schick, schick, Charlie Brown - aber wo ist die Schärfe?
Ihrem Schöpfer Charles M. Schulz reichten wenige Striche, um mit den "Peanuts" eine Welt zu erschaffen. Mit großem Aufwand kommt nun die Neuverfilmung aus dem Computer. Witzig? Ja, aber ohne satirischen Schlag.
Tätätätä-tätätätätätätätätä-tätätätätäääää! Oder so ähnlich. Jedenfalls kündigt die berühmte Fanfare des Hollywood-Studios 20th Century Fox auch den Start des ersten "Peanuts"-Films an, der komplett im Rechner animiert wurde. Diesmal allerdings klingt das 1933 komponierte Stück weit weniger triumphal. Schließlich ertönt die Melodie blechern aus Schroeders Spielzeugklavier, auf das der unter dem Logo des Studios hockende Freund von Charlie Brown einhämmert. Ein lustiger Einfall. Aber wohl mehr als das. Man darf davon ausgehen, dass die Macher diese ironische Brechung durchaus als Statement verstehen.
Charlie Brown und seine Freunde haben eben wenig mit Triumphgesten am Hut, umso mehr dafür mit lakonischem Humor und Understatement. Und Regisseur Steve Martino, der vorher schon "Horton hört ein Hu!" von Kinderbuchautor Dr. Seuss verfilmte, hat immer wieder betont, er wolle Charlie Brown und seinem Schöpfer Charles M. Schulz mit seiner modernen Variante unbedingt gerecht werden. Auch wenn die Figuren in seiner Version nicht in dessen minimalistischen Stil von Hand gezeichnet, sondern Geschöpfe aus dem Computer sind. "Peanuts"-Puristen werden sich wohl trotz solcher Statements mit Grausen abwenden. Wobei das dann doch ungerecht ist.
Es gibt durchaus Grund, den Film zu kritisieren. Der heilige Ernst der Macher scheint aber immer wieder durch und macht "Peanuts - Der Film" zum zwar zwiespältigen, aber durchaus unterhaltsamen Erlebnis. Der schönste Verweis auf den wohl einflussreichsten Comic-Strip der Geschichte findet sich gleich am Anfang. Da ist einen kurzen Augenblick lang weiße Leere in einem gezeichneten schwarzen Rahmen zu sehen - eine Verbeugung vor den unendlichen Möglichkeiten des klassischen Comic-Formats aus vier Panels, mit dem Schulz über 50 Jahre vom Leben erzählte und es verdichtete.
Hüpfende Augenbrauen und expressive Strichmünder
Auch sonst steckt Martinos Film voller Anspielungen auf das große Vorbild. Wenn sich Charlie Brown an vergangene Niederlagen erinnert, erscheinen die als Zeichnungen in einer Comic-Blase. Der Übergang vom gezeichneten Bild zum 3D-Cartoon gelingt erstaunlich gut, auch weil die Figuren ihre hüpfenden Augenbrauen und expressiven Strichmünder behalten.
Für Snoopys Stimme verwendete das Team Originalaufnahmen des 2008 verstorbenen Bill Melendez, der ihn für die diversen TV-Filme einsprach. Und natürlich finden sich alle typischen Ingredienzen des "Peanuts"-Universums wieder: Charlie Browns vermaledeiter Drachen, der einfach nicht fliegen will; Lucys Stand, an dem sie Kinder psychologisch betreut; die quäkenden, unverständlichen Stimmen der Erwachsenen, die nie im Bild zu sehen sind.
Die Geschichte hält sich ebenfalls eng an die reichhaltige Überlieferung. Es geht um die vergeblichen Bemühungen des ewigen Underdogs Charlie Brown, dem neu in die Nachbarschaft gezogenen rothaarigen Mädchen zu imponieren. Egal ob beim Drachen steigen lassen oder beim Schulball, immer wieder muss Charlie eine neue Demütigung einstecken.
Während sein Herrchen unbeholfen durchs Leben stolpert, imaginiert sich Charlies treuer Beagle Snoopy in seine Abenteuer als Flieger-Ass im Ersten Weltkrieg und seine Duelle mit dem Roten Baron. Und hier wird die neue "Peanuts"-Version tatsächlich problematisch. Denn die ausgedehnten, mit allen Möglichkeiten der Animationskunst bombastisch ausstaffierten Duelle entfernen sich nun wirklich meilenweit von Schulz' Vorlage. Schlimmer noch: Sie drohen den Rest der Geschichte zu perforieren.
Nun ist es nicht so, dass die "Peanuts" die makellose Vorlage eines unerreichbaren Genies wären. Für einige Kritiker erlebte Charles M. Schulz schon Ende der Sechzigerjahre seinen schöpferischen Höhepunkt, als er mit seinen Helden gesellschaftliche Themen wie Geschlechter- und Rassenungleichheit kommentierte, den Vietnamkrieg kritisierte oder die Lebensfeindlichkeit des Schulunterrichts auf die Schippe nahm.
Milde Persiflage auf den amerikanischen Traum
Danach entwickelte sich der Comic zu einem Massenphänomen, das zeitweise von 355 Millionen Menschen in 75 Ländern gelesen wurde. Charlie Brown und Snoopy prangten auf T-Shirts, Bürotassen und Bettwäsche, während die "Peanuts" einen Teil ihrer satirischen Schärfe einbüßten.
Als milde Persiflage auf den amerikanischen Traum mit seiner naiven Heldenverehrung aber funktionierte die Reihe immer, und sie ist dort noch immer Teil der Alltagskultur. Für viele Amerikaner beginnt die Weihnachtszeit mit der jährlichen Wiederholung des ersten halbstündigen TV-Specials "Fröhliche Weihnachten", die dieses Jahr zum 50. Mal läuft.
Während sich in Charlie Browns stetig scheiternden Versuchen, angesichts der Unbill des Lebens die Würde zu bewahren, der erwachsene Mittelklasse-Amerikaner wiedererkennt, lockt Snoopy mit seinem anarchischen Witz die Kinder. Das Problem der computeranimierten Version ist, dass sie versucht, beiden Aspekten gerecht zu werden. Und letztlich daran scheitert.
Die produzierenden Blue Sky Studios stellten bisher Animationsfilme für ein jüngeres Publikum her, etwa die "Ice Age"-Reihe. Martino und Kollegen verpassen nun die Gelegenheit, sich ähnlich wie die Konkurrenten von "Pixar" auch komplexere Themen zuzutrauen. Bei ihren "Peanuts" dominieren furios inszenierte und niedlich animierte Slapstick-Sequenzen sowie simple Botschaften, die das Herz kleiner Zuschauer erwärmen sollen. Von Charlie Browns Borstigkeit oder gar gesellschaftlicher Relevanz bleibt dagegen kaum etwas übrig.
Im Video: Der Trailer zu "Die Peanuts - Der Film"
- Offizielle Webseite zum Film
USA 2015
Regie: Steve Martino
Drehbuch: Craig Schulz, Bryan Schulz, Cornelius Uliano
Sprecher: Cosmo Claren, Bill Melendez, Francesca Capaldi, Trombone Shorty, Rebecca Bloom, Kristin Chenoweth, Alexander Garfin, Noah Johnston
Produktion: 20th Century Fox Animation, Blue Sky Studios
Verleih: Fox Deutschland
Länge: 88 Minuten
FSK: keine Einschränkung
Start: 23. Dezember 2015