Science-Fiction-Remake "Total Recall" Ach, vergiss es!
Arnie, wo bist du nur? Das Remake des Science-Fiction-Thrillers "Total Recall" ist so geistlos, dass man sich sogar nach Schauspielniete Schwarzenegger aus dem Original sehnt. Die Actionszenen wirken wie aus einem Computerspiel geklaut, die Gags misslingen. Zumindest die gewollten.
Es hätte alles anders ausgehen können. 2010, so heißt es, kurz vor Ende seiner Gouverneurslaufbahn, habe sich Arnold Schwarzenegger sehr interessiert gezeigt, noch einmal den Mars-Arbeiter/Superagenten Douglas Quaid zu spielen. Damals liefen gerade die Sondierungen, wer in der Neuverfilmung von "Total Recall" die Hauptrolle spielen sollte. 20 Jahre zuvor hatte der Ex-Bodybuilder mit Paul Verhoevens Adaption einer Kurzgeschichte von Kult-Schriftsteller Philip K. Dick einen seiner größeren Erfolge gefeiert.
Verhoevens "Total Recall" war knallig, krude und ist auch mit mildem Blick zurück weit davon entfernt, ein Meisterwerk zu sein. Allerdings gab es neben einigen visuellen Überraschungen einige Highlights: Sharon Stone zum Beispiel. Und Arnies unnachahmlich akzentuierter Ausspruch "Consider that a divorce", als er seine biestige Fake-Ehefrau (Stone) ins Jenseits beförderte. Kurzum: Schwarzeneggers tapsige Performance, Stones grandiose Kälte und Verhoevens Sinn fürs subversive Spektakel machten den Film zu einem Science-Fiction-Jahrmarkt mit gehörig viel Rummel.
Die Hauptrolle im Remake, das diese Woche in den deutschen Kinos anläuft, bekam dann aber der weitaus bessere Schauspieler Colin Farrell. Und doch vermisst man den non-actor Arnie, nachdem man die Neu-Verfilmung zwei dröhnende Stunden lang ertragen hat. Es hätte zumindest etwas zum Lachen gegeben.
Computerspiele sind komplexer
Zukunftsvisionen sind ja im Kino wieder groß im Kommen, seit Computer wirklich alles darstellbar machen. Gerade zeigte Altmeister Ridley Scott mit "Prometheus", wie man 3D-Effekte mit einer durchdachten Story, hervorragenden Schauspielern und einer glaubwürdigen Vision von künftiger Technik elegant und packend in Szene setzt. Doch schon allein gegen den inhaltlichen Kern des "Alien"-Prequels wirkt die neue, mit geschätzten 130 Millionen Dollar nicht ganz billige Version von "Total Recall" wie ein B-Movie, dessen Plot-Komplexität sogar von Computerspielen wie "Half Life 2" oder "Halo" übertroffen wird.
So ein Vergleich ist unfair? Nicht wirklich. Denn Regisseur Len Wiseman (alle "Underworld"-Filme und ein verkorkstes "Die Hard"-Sequel) setzt fast ausschließlich auf die Kraft der Kinetik: Die Helden werden durch teils beeindruckend detailreiche, teils irrwitzige, teils aus Vorbildern wie "Blade Runner" und "Minority Report" geborgte Kulissen gejagt. Sie rennen, hetzen, prügeln oder schießen - und zwischendrin wird atemlos versucht, eine Geschichte zu erzählen.
Die Story, von insgesamt fünf Drehbuchautoren, darunter Kurt Wimmer ("Salt", "Equilibrium") verfasst, orientiert sich eher an der literarischen Vorlage denn an Verhoevens Film. Allerdings dringt sie nie zum Identitätsrätsel vor, um das es in Dicks "We Can Remember It For You Wholesale" geht. Auch spielt die Handlung nicht auf dem Mars, sondern in einer postapokalyptischen Zukunft, in der es auf der Erde nur zwei Zonen gibt, in denen Menschen leben können: ein von Flugautos durchsaustes, megalopoles London - und ein zum Super-Slum verkommenes Australien, genannt "die Kolonie". Verbunden werden Arbeitersilo und Business-Kapitale mit einer Hochgeschwindigkeits-Bahn, die mitten durch den Erdkern führt.
Kontrolliert wird die Zweiklassengesellschaft von Kanzler Cohaagen (Bryan "Breaking Bad" Cranston), der sich für den Erhalt der inneren Sicherheit eine Roboterarmee bauen lässt, die verdächtig an die imperialen Kampfdroiden der jüngeren "Star Wars"-Episoden erinnern. Quaid (Farrell) schraubt tagtäglich in einer Fabrik diese Roboter zusammen und kehrt abends mit dem Magma-Transrapid in sein Heim zurück, wo Ehefrau Lori (Wisemans Ehefrau Kate Beckinsale) auf ihn wartet.
Selbst Arnie war glaubwürdiger
Was dann geschieht, ist zu gleichen Teilen alberne Abenteuer-Phantasie eines Science-Fiction-Schriftstellers in der Midlife Crisis und düstere Dystopie. Denn Schrauber Quaid findet heraus, dass er in Wahrheit Hauser ist, ein Top-Agent im Dienste von Cohaagen, der zu den Truppen des Widerstandskämpfers Matthias (Bill Nighy) übergelaufen war und kaltgestellt wurde, indem ihm neurologisch eine neue Identität mit echten Erinnerungen implantiert wurde. Und die sexy Gattin ist keine hart arbeitende, treusorgende Krankenschwester, sondern eine kampfsportfähige Polizistin, die auf Quaid/Hauser aufpassen soll.
Mit Hilfe seiner neu entdeckten Schieß- und Martial-Arts-Künste sowie der aus dem Nichts auftauchenden Milena (Jessica Biel), mit der Hauser einst mehr verbunden hat als die Überzeugung, dass Cohaagen ein Tyrann ist, entkommt Hauser der Furie und ihren mechanischen Häschern. Davon handelt der Großteil des Films - Level um Level, gefährliche Situation um angespannte Lage.
Über dieses rasante, nicht besonders inspirierte Jump-and-Run-Spielchen kommt der Film nie hinaus - und drängt alle gesellschaftspolitischen Ansätze, die vielleicht einst im Skript standen, an den Rand. Auch den Schauspielern bleibt wenig Raum, was im Falle der hochkarätig besetzten System-Antagonisten Matthias und Cohaagen schon tragisch ist. Lange hat man Bill Nighy und Bryan Cranston nicht so eindimensional gesehen. Gleiches gilt für Kate Beckinsale, die von ihrem Ehemann die dankbarste Rolle bekommen hat, aber kaum mehr aus dem Spannungsfeld zwischen Gerade-noch-Gattin und genervter Aufpasserin erschafft als eine grimmige Terminatrix. Tja, und Biel ist halt Biel: niedlich.
Bleibt Colin Farrell, dem mit "Total Recall" mal wieder ein viel zu großer Brocken aufgebürdet wurde. Der Ire mit Action-Erfahrung schlägt sich wie immer wacker. Den kurzen Szenen, in denen er seiner gespaltenen Figur Charakter verleihen soll, gewinnt er aber kaum mehr ab als eine sorgenvoll zerfurchte Stirn. Ist ja auch verwirrend zwischen so vielen Blue- und Green Screens. Vollends absurd wird es, wenn sich der Klotz ans Piano setzt und, von sich selbst erstaunt, Beethoven klimpert. Da wirkte selbst Schwarzenegger glaubwürdiger.
Während die Ernsthaftigkeit sich also zu oft in unfreiwilliger Lächerlichkeit auflöst, misslingt so ziemlich jeder gewollte Gag. So gibt es arg verkrampfte Reverenzen an Verhoevens Film wie etwa den Auftritt einer dreibusigen Prostituierten. In solchen Momenten glaubt man dann allen Ernstes, das Original sei ein Spitzenfilm gewesen. Ist schon trügerisch, die Erinnerung.