Bezahl-Verlage Die schönsten Seiten des Schwachsinns
2. Teil: Blödsinn, Schwarz auf Weiß
So zeigt sich der Berliner Verlag Frieling von der literarisch schaurigen Werkprobe "sehr angetan" - wegen "der Eindringlichkeit ihrer Darstellung und Ihrer Sprachgestaltung". Vielleicht sehen die Lektoren genauer hin, als der gesamte Text vorliegt - der hatte ja mit den ersten zehn Seiten inhaltlich nichts zu tun. Schließlich heißt es in einem Schreiben an Beutlich, "leider" könne der Roman nicht ins Verlagsprogramm aufgenommen werden: "Sowohl die sprachliche Gestaltung als auch die inhaltliche Konzeption Ihres Textes genügen in der vorliegenden Form nicht unseren verlegerischen Ansprüchen."
Die scheinen bei Mitbewerbern geringer zu sein. Der R.G. Fischer-Verlag schreibt über Beutlichs Blödsinn, dass der "uns ganz ausgezeichnet gefällt". Zwar bedürfe der Text "einer intensiven Lektoratskorrektur", heißt es aus dem Verlag. Aufgrund eines "sehr positiven internen Lektoratsgutachtens, das Ihr Thema als insgesamt hochinteressant und gut bearbeitet beurteilt", habe die Lektoratskonferenz "einstimmig dafür votiert, Ihrem Werk einen Platz in unserem Programm einzuräumen". Man macht ein Angebot: Auf 600 Seiten werde man Beutlich drucken, je nach Vertragsvariante koste das 15.910 bis 30.260 Euro.
Lektorat als Neufassung
Von SPIEGEL ONLINE auf das große Lob für offenkundigen Unsinn angesprochen, verteidigt sich Verlagschefin Rita G. Fischer, die nach eigenen Angaben 200 der 5000 jährlich eingehenden Manuskripte zu Büchern werden lässt. Dem Verlag sei "nach Vorlage der Leseprobe natürlich klar" gewesen, dass der Text "nicht druckreif" sei. Deswegen habe man rund 15.000 Euro "für eine komplette Neufassung in unserem Lektorat einkalkuliert".
Fischer gewinnt Beutlichs Quatsch im Nachhinein etwas ab. Gefallen habe dessen trockener Humor, "der - ob beabsichtigt oder nicht, sei dahingestellt - gelegentlich aufblitzt". Würde etwa Harald Schmidt die Textpassage über "Brot mit Butter darauf für die Welt" vortragen, glaubt die gewitzte Verlagschefin, "hätte er die Lacher auf seiner Seite".
Während manch renommierter Verlag darbt, erfreuen sich Zuschussverlage zumeist zweistelliger Umsatzrenditen. Damit das so bleibt, wird das Geschäft mit fragwürdigen Komplimenten angekurbelt.
Der Wagner Verlag findet in Beutlichs Text "wirklich tolle Ideen", der Autor habe es verstanden, mit seiner "lebendigen Schreibweise den Leser unmittelbar in das Geschehen eintauchen zu lassen". Wagner bietet drei Vertragsmodelle für maximal 350 Seiten zwischen 2900 und 13.960 Euro an.
Mit der Hoffnung rechnen
Die Deutsche Literaturgesellschaft teilt Beutlich mit, die Lektorenkonferenz habe sich für das Buch entschieden, die Verlagsleitung habe dem zugestimmt. Der Verlag gibt Beutlich das Gefühl, etwas Besonderes zu sein: "Von etwa 350 monatlich eingereichten Manuskripten schaffen es letztendlich durchschnittlich vier zur Buchveröffentlichung." Beutlich könne wählen: 8.119,11 Euro für das Softcover oder 16.687,28 Euro für das Hardcover.
Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE hält der Verlag an seinem Urteil fest. "Nach wie vor" sei der Text "veröffentlichungswürdig", "Fehler im Text" seien "kein Ausschlusskriterium".
Der Frankfurter August von Goethe Literaturverlag teilt Beutlich mit, dessen Buch "alsbald auf den internationalen Markt zu bringen" - für 16.751 und 20.711 Euro für 608 Seiten, je nach Vertragsvariante.
Dass sein Verlag einer offenkundigen Blödelei aufgesessen ist, bestreitet sein Sprecher Julius Graf von Hirschsprung. Er übt sich in massiver Vorwärtsverteidigung: Beutlichs Text sei "für unsere dadaistische Buchreihe vorgesehen" gewesen. Im Dadaismus würden "bekanntlich Versatzstücke repetitiv geschichtet, um eine Akzeleration des Textes zu erreichen und den Leser mit seinen Leseerwartungen zu konfrontieren".
Über die so klug klingenden Worte amüsiert sich Tom Liehr. Geschichtet werden sollte, sagt er dazu, "nur die Butter auf das Brot von Kevin-Lukas". Von Dadaismus sei in den Schreiben des Verlags "nie die Rede gewesen".
Beim österreichischen Novum-Verlag bedauert Cheflektorin Sandra Jusinger das Vertragsangebot an Beutlich. Ihr Verlag hätte bemerken müssen, dass dessen Manuskript "für eine Veröffentlichung nicht geeignet ist".
Abgehobene Aktion
Die Autoren sind mit der Resonanz zufrieden. Sie haben nachgewiesen, dass sogenannte Dienstleistungsverlage, die von Autoren Zuschüsse für den Druck von Büchern verlangen, "keine Verlage im Wortsinn, sondern gewiefte Firmen sind, die an Autoren Geld verdienen, selbst wenn diese die Bezeichnung Autor keineswegs verdienen" (Liehr).
Auch Imre Török, Vorsitzender des renommierten Verbands deutscher Schriftsteller in der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, hält die Aktion der 42erAutoren für hilfreich. Klargeworden sei, "dass es diesen Verlagen nicht um die Literatur oder die Autoren, sondern ums Geldverdienen geht".
Nicht selten waren Autoren, die ihre Texte von Zuschussverlagen drucken ließen, tief enttäuscht darüber, dass sie außer im Bekanntenkreis kaum als Schriftsteller beachtet wurden. Manche sind aber schon überglücklich, wenn sie ein Buch, das ihren Namen trägt, in den Händen halten.
Der Studiendirektor Hans-Martin Gruber aus dem schwäbischen Kaisersbach zählt zu dieser Klientel. Er versuchte unter dem Titel "Du kannst nicht Gottes Arbeit tun" auf 432 Seiten althergebrachte Gegensätze wie Liebe und Hass, Geistes- und Naturwissenschaften zu versöhnen.
Zwischen 2000 und 3000 Euro investierte er beim Wagner Verlag, und er freute sich, wenn er bei einigen Lesungen in seiner Heimat mal zehn und mal 30 Zuhörer begrüßen konnte.
Immerhin tausend Exemplare des Romans wurden zum Stückpreis von 12,90 Euro verkauft. Gruber warb mit großem Aufwand dafür. Er charterte für rund 10.000 Euro ein Flugzeug, das eine 240 Quadratmeter große Bannerwerbung schleppte. Am Himmel waren der Buchtitel und sein Name gut erkennbar.
"Wenn ich das nicht gemacht hätte", sagt Gruber, "dann wäre ich jetzt leicht im Plus."
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