Bläserkonzerte Wenn die Trompete strahlt
Kent Nagano kann viel: Auch Trompetenkonzerte aus der französischen Moderne dirigiert er problemlos. Dann klingt sein Sinfonieorchester Montreal auch mal wie eine swingende Salonkapelle.
Es ist das alte Solistenlied: Sag' mir, wo Konzerte sind! Zu wenig virtuose Kompositionen mit Orchester gibt es, gerade für Bläser. Und alles, was einmal für die strahlende Trompete komponiert wurde, ist scheinbar von Könnern wie Maurice André, Ludwig Güttler und Sergei Nakariakov schon abgehakt. Die konkurrierenden Damen Alison Balsom und Tine Ting Helseth greifen schon mal zu Puccini- und Kreisler-Bearbeitungen und zu Michel Legrand.
In Frankreich allerdings gibt es noch schillernde Schätze zu heben. Drei davon haben jetzt Dirigent Kent Nagano und der erste Trompeter des Orchestre symphonique de Montréal, Paul Merkelo, entdeckt. Es sind französische Trompetenkonzerte des 20. Jahrhunderts - und die klingen immer noch wie beste Belle Epoque. Montreal bleibt ein Stützpunkt von Nagano, auch wenn der feinsinnige Maestro in der Saison 2015/2016 die musikalische Leitung der Hamburgischen Staatsoper übernimmt.
Die Repertoire-Bandbreite Naganos zeigt die CD "French Trumpet Concertos" (Analekta), die Werke der Komponisten Henri Tomasi (1901-1971), Alfred Desenclos (1912-1971) und André Jolivet (1905-1974) vereint; alle drei keine Dauerbrenner im internationalen Konzertbetrieb, aber hochinteressant. Und mit ihren Trompetenkonzerten werden sie zu willkommenen Ideenbringern für Individualisten.
Zwischen Zwölftontechnik und Gregorianik
Tomasi war selbst auch Dirigent; frei von Berührungsängsten mit Musikstilen jenseits von reiner E-Musik. Vor allem Folklore aus Frankreich (Korsika, Provence) faszinierte ihn, aber auch Musik der Südsee und der Sahara. Zwischen Zwölftontechnik, die er kannte, aber nicht übermäßig verehrte, und Gregorianik suchte er immer nach einem melodischen Ausdruck, gerade auch in seinen Konzerten für Bläser.
Mehr zerklüftete Klangschichtungen mutet Alfred Desenclos dem Hörer zu, während auch er sich wie Kollege Tomasi kurz fasst. Desenclos, gelernter Industriedesigner aus Paris, dachte strukturell komplexer, verließ aber auch nur selten den klassisch harmonischen Kontext, was wiederum für den Bläsersolisten zu feinen Spitzentönen und fließenden Kantilenen führte: dankbares Material also. Als Chorleiter hatte er ein Gespür für Stimmen und Harmonien entwickelt, das er effektvoll auch auf orchestrale Wirkungen übertragen konnte. Ein Requiem und eine Sinfonie zeugen davon.
Paul Merkelo kennt keine Limits
Fast ein wenig nach Kurt Weill klingen die drei kurzen Sätze des zweiten Trompetenkonzerts von André Jolivet, vor allem wenn es wie in "Giocoso" zur Sache geht. Stimmungsvolle Dämpfersounds und rauchiges Jazzfeeling für die Trompete: Das französische Repertoire ergänzt sich auf dieser CD bestens, schließlich waren die Komponisten Zeitgenossen.
Solist Paul Merkelo beweist mit diesem Cocktail, dass in Kanada Stilgrenzen für die Sinfoniker kein Thema sind. Merkelo (Lieblingskomponist: Gustav Mahler) gehört dem Sinfonieorchester Montreal seit 1995 an und gilt in Kanada und den USA als einer der besten Solo-Trompeter. Zwischen Barock und Jazz kennt er keine Limits und arbeitete international mit Dirigenten wie Solti, Bernstein, Maazel und Dutoit.
Eine Vielseitigkeit, für die auch der immer abenteuerlustige Kent Nagano steht - die Hamburger dürfen sich freuen. An der dortigen Staatsoper startet er auch französisch, mit Hector Berlioz' "Les Troyens". Ein gutes Omen für die Nagano-Ära.
"French Trumpet Concerts - Tomasi, Desenclos, Jolivet" (Paul Merkelo/Trompete, Orchestre Symphonique De Montréal, Kent Nagano/Ltg.)
Diverse:
Französische Konzerte für TrompeteAnalekta; 15,99 Euro.
E-Mail: Werner_Theurich@spiegel.de