Doku "Im Labyrinth der Macht" Politiker als Spielbälle
Was rückblickend wie ein zähes und endloses Ringen wirkt, erzählt Stephan Lamby in "Im Labyrinth der Macht - Protokoll einer Regierungsbildung" wie einen packenden Thriller aus dem Herzen der Macht.
Martin Schulz ist unter anderem über sein gebrochenes Versprechen gestolpert, nicht in ein Kabinett von Angela Merkel eintreten zu wollen. Rückblickend scheint es, als habe es sich da um eine markige Ankündigung gehandelt - wie überhaupt rückblickend immer alles etwas Zwingendes und Notwendiges hat.
Tatsächlich gab der damalige SPD-Chef sein Wort unter etwas anderen Umständen, auf einer Pressekonferenz, angesprochen von einem Journalisten auf seine Weigerung: "Wo ham'se datt denn her?" - "Sie haben sich doch ausdrücklich offen gehalten, in ein Kabinett Merkel einzutreten!" - "Wo? Wann?" - "Vor zwei Wochen habe ich Sie gefragt, ob Sie das ausschließen, wie ihr Vorgänger Peer Steinbrück, da haben Sie darauf verzichtet. Deswegen jetzt die Frage: Schließen Sie aus, Minister unter Frau Merkel ( ) zu werden?"
Schulz wirkt konsterniert, denkt nach: "Wo haben Sie mich das denn vor zwei Wochen gefragt?" - "Hier!" - "Hier?" - Kollegen waren dabei." - "Habe ich gar nicht so richtig mitgekriegt. Echt?" - "Sie können ja jetzt die Frage beantworten." - "Dem Vernehmen nach. Wiederholen Sie die Frage nochmal, ich bin da ein bisschen schwer von Kapee."- "Herr Schulz, schließen Sie aus, dass Sie in ein von Frau Merkel oder von der CDU/CSU geführtes Kabinett eintreten als Minister?" - "Ja. Ja. Ganz klar. In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten".
So war das. Und so kann man es in der wunderbaren Dokumentation "Im Labyrinth der Macht" besichtigen, mit derStephan Lamby in den vergangenen Monaten das minutiöse "Protokoll einer Regierungsbildung" liefert. Was, wiederum rückblickend, wie ein zähes und endloses Ringen wirkt - Lamby erzählt es wie einen packenden Thriller aus dem Herzen der Macht.
Alle widersprechen sich
Nicht nur erinnern sich vor der Kamera die Beteiligten, von Christian Lindner über Horst Seehofer, Katarina Barley, Martin Schulz, Kevin Kühnert, Julia Klöckner, Alexander Dobrindt, Katrin Göring-Eckardt bis zu Alexander Gauland. Sie widersprechen sich auch. Das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen beispielsweise führt Lamby auf die Verlockung zurück, sich in den sozialen Medien" zu inszenieren - belegt durch eine nicht enden wollende Flut lustiger Tweets mit Bildchen vom Buffet, von Snacks, von Ordnern und launigen Selfies.
Christian Lindner zeigt sich im Interview pikiert, was da alles durchgestochen worden sei. Aber Horst Seehofer entgegnet: "Er hat es selbst praktiziert, indem er Unterlagen abfotografiert hat und diese Fotografien dann den Journalisten zugespielt hat." Die Indiskretion der sozialen Netzwerke, das sei "ein wirkliches Krebs-Übel der deutschen Politik geworden".
Lindner hatte sogar den Ausstieg seiner Partei aus den Sondierungen durchsickern lassen. Seehofer: "Angela Merkel war richtig ernst, wie man sie ganz selten erlebt. Das war nicht für die Fernsehkameras, sie war wirklich getroffen." Katarina Barley von der SPD sieht das abgeklärter und zeigt Verständnis für "den Druck in der Mediengesellschaft, sich zu äußern".
Großartig ist nicht nur, wen Lamby alles vor die Kamera bekommt und wie schnell er zuletzt noch auf den SPD-Mitgliederentscheid reagierte. Großartig ist vor allem seine suggestive Kamera. Er ist immer dabei, wenn alle anderen auch dabei sind, auf Empfängen und Bällen und Pressekonferenzen und Parteitagen. Nur fängt er bei diesen Anlässen andere Dinge ein, guckt sozusagen in die Gegenrichtung. Auf Seehofer, wie er ins Leere starrt. Auf Peter Altmaier, wie er sein Fahrrad abschließt. Auf Schulz, während Kühnert spricht. Auf Schulz nach dem Parteitag in Bonn am Handy: "Schatzi, ich bin im Moment im Fahrstuhl. Ich ruf sofort zurück, wenn ich hier raus bin." Und auf dem Bundespresseball läuft "Que Sera, Sera".
Auf diese Weise, und das ist ein enormes Verdienst, schildert Lamby die Politiker als Getriebene, Übermüdete, als Spielbälle auch ihrer eigenen Ambitionen. Die längste Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik hat hier einen würdigen und durchaus liebevollen Chronisten gefunden - einen Demokraten ohne Häme.
Man wünschte, Lamby würde auch der künftigen Regierung über die Schulter schauen.
"Im Labyrinth der Macht - Protokoll einer Regierungsbildung", Montag, 5. März 2018, 21 Uhr, ARD