"Illner"-Talk zu Trumps Nahost-Politik "Das Transatlantische Bündnis liegt im Koma"
Nach den jüngsten US-Entscheidungen zu Iran und Jerusalem will Moderatorin Illner wissen: "Kann Europa Krieg verhindern?" Ihre Gäste beschwören - und bezweifeln - die Handlungsfähigkeit der EU.
Wer noch nicht wusste, dass die Lage im Nahen Osten kompliziert ist, wird es nach dieser Sendung ahnen. "Trumps Botschaft, Irans Bombe - kann Europa Krieg verhindern?" So lautete die Ausgangsfrage bei "Maybrit Illner". Aber eine Zeile, die die Diskussion in der Talkrunde besser zusammenfasst, wäre: Welche Strategie für die Region ist noch schlechter als die andere?
Claus Kleber vom ZDF, der zehn Jahre lang als Korrespondent in den USA gearbeitet hat, sagt: Die "Fingerübungen eines Anfängers" seien jedenfalls keine Lösung. Er meint Donald Trump. Der US-Präsident habe "große Lust darauf, alles anders zu machen". Die Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem möge wie der Versuch wirken, eine Veränderung herbeizuführen, indem man einfach mal draufhaut wie Alexander der Große auf den Gordischen Knoten und guckt, wie sich dadurch die Verhältnisse entwickeln. Aber Trumps Vorgehen sei schlicht "leichtsinnig".
Dass der Umzug der Botschaft nicht der kausale Auslöser der Konfrontationen an der Gaza-Grenze mit Dutzenden Toten gewesen ist, das hat die Runde zuvor schon geklärt. "Auch wenn die Botschaft nicht eröffnet worden wäre, wäre es zu diesen Ausschreitungen gekommen", sagt Melody Sucharewicz, ehemalige Sonderbotschafterin Israels. Die Hamas macht sie als Ursache aus - nicht die Botschaftseröffnung. Dem stimmt die iranische Journalistin Shahrzad Osterer zu, die für den Bayerischen Rundfunk arbeitet.
Aber Trump habe mit der "provozierend terminierten" Botschaftseröffnung am 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels, den Palästinenser als "Tag der Katastrophe" betrachten, zusätzlich Sprengstoff in die Landschaft geworfen, sagt Kleber.
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Sucharewicz vertritt die Position, dass auch das Iran-Abkommen, in der Amtszeit von Barack Obama geschlossen, keine gute Lösung für die Region ist - oder gewesen ist; die Regierung Trump hat schließlich gerade den Rückzug beschlossen. Kern des Vertrags: Iran verzichtet auf den Bau der Atombombe, dafür bleibt das Land von Sanktionen verschont. Der Deal sei von den beteiligten Seiten als großer diplomatischer Durchbruch verkauft worden - das sei er aber nicht gewesen. Konventionell habe das Regime währenddessen weiter aufgerüstet und drohe beharrlich mit der "Vernichtung Israels".
Auch wenn Shahrzad Osterer sagt, das sei die Rhetorik von Hardlinern, um von Protesten im Land abzulenken; militärisch sei Iran dazu nicht in der Lage: Die Aggressivität gegenüber Israel ist Fakt.
Sie wünsche sich, sagt Sucharewicz, dass Deutschland den unterstützenden Worten Taten folgen lasse und Solidarität zeige. Stattdessen verkaufe man nun, nach dem Rückzug der USA, für Geschäfte seine "Moral an den Teufel" und versuche, das Ajatollah-Regime zu besänftigen - das Abkommen ist für Deutschland schließlich auch wirtschaftlich interessant.
Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister der CDU, grätscht hier dazwischen: Natürlich habe man mit den USA zuletzt über eine Verbesserung des Abkommens geredet, allerdings erfolglos. Und zudem habe man nichts gebilligt oder gerechtfertigt, was menschenrechtlich problematisch sei. Altmaier sagt, die Frage sei gewesen: Hält man mit diesem Abkommen die Produktion von Atomwaffen auf?
Altmaier und Annalena Baerbock, die Ko-Parteivorsitzende der Grünen, sind sich einig, dass nicht das Abkommen, sondern seine einseitige Aufkündigung durch die USA das Problem sei. Altmaier argumentiert, Gewalt habe in der Region stets immer neue Gewalt erzeugt - deshalb: Diplomatie. Baerbock meint: "Außenpolitik ist oftmals die Wahl zwischen Pest und Cholera."
Sie hadert allerdings mit Altmaiers Zurückhaltung, wie auf die Drohung der USA zu reagieren sei, Unternehmen, die weiter in Iran tätig seien, würden mit Sanktionen belegt. Altmaier sagt, man müsse "dreimal überlegen, was wir tun". Stärke zu zeigen, sei populär - aber wenn im Rahmen eines "Sanktionswettlaufs" Arbeitsplätze verloren gehen würden, wäre das erheblich weniger populär.
"Aus meiner Sicht schlägt nun die Stunde Europas", sagt Baerbock. Vergeltungszölle, Klagen, die Blocking-Verordnung, also die angedachte Reaktivierung eines EU-Gesetzes zur Abwehr von US-Sanktionen - das seien die Wege. "Wir müssen" - so beginnt Baerbock ihre Beschwörungen europäischer Handlungsfähigkeit. Trump wolle Europa spalten, deshalb brauche es jetzt eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.
Allein, die Realität. Über eine europäische Sicherheits- und Außenpolitik wird ja auch nicht erst seit gestern geredet. Wo aber ist man? Immer noch "im Kleingedruckten", sagt Claus Kleber. Das Transatlantische Bündnis liege im Koma. Der Druck sei jetzt groß, sagt er: Aber "Deutschland ist zu klein und Europa zu uneins, um der Trumpschen Politik entgegenzutreten".