Neuer Leibwächter-Krimi im ZDF Mein ist die Kugel
Vergessen Sie Kevin Costners Beschützer-Schmonzes "Bodyguard"! Es geht viel besser: Die dänische TV-Reihe "Protectors" entwickelt aus dem Leibwächtermotiv einen rasanten Politthriller - rund um Islamismus und Auslandseinsätze, Karikaturenstreit und Klimaschutzkonferenzen.
Migrantenparadies Dänemark? Der Ministerpräsident des Landes ernennt eine gebürtige Iranerin zur neuen Kulturministerin. Doch der PR-Coup ist nicht etwa einem modernen Regierungsverständnis geschuldet, nach dem sich die gesellschaftliche Wirklichkeit auch im obersten Staatspersonal widerzuspiegeln hat. Er ist vielmehr ein Manöver, das von anderen Problemen ablenken soll: Die Afghanistan-Politik lässt die Dänen nämlich immer mehr an ihrer Regierung zweifeln.
Die frischgebackene Personenschützerin Jasmina El-Murat (Cecilie Stenspil), die selbst einen muslimischen Hintergrund hat, findet in der Ernennung der iranischen Geschlechtsgenossin jedenfalls nicht wirklich einen Grund zur Freude. Weiß sie doch, dass die neue Ministerin eine ideale Zielscheibe für alle möglichen Eiferer ist - für islamistische Fundamentalisten, die sie für eine Abtrünnige halten, genauso wie für rechtsextreme Politiker, die in einer Perserin als Verwalterin dänischer Kultur den Untergang des Abendlandes sehen. Da kommt also viel Arbeit auf die Leibwächterin zu.
Die Islamisten erweisen sich zwar bald als überschaubares Risiko, in rechtsextremen Kreisen aber wird ein Attentat vorbereitet. Doch Ziel des Anschlags ist nicht die Ministerin selbst - durch eine Ermordung würde man dem politischen Gegner ja nur Sympathien zuspielen - sondern Bodyguard Jasmina. Indem man sie tötet und die Schuld militanten Islamisten anhängt, so das Kalkül der Nazis, könnte man das Konzept von Integration und Multikulti für gescheitert erklären. Der darauf folgende Kampf der Kulturen soll dann für einen Umsturz der Regierung genutzt werden.
Erzählt wird die dänische TV-Serie "Protectors" aus der Perspektive dreier junger Bodyguards, die sich in das Selbstverständnis ihres Jobs erst einfinden müssen. Am meisten Reibungsfläche bietet die Figur der Muslimin Jasmina, die sich zum Leid ihrer streng gläubigen Schwester die langen Haare abschneidet, um im Falle eines Nahkampfs keine Angriffsfläche zu bieten. Vorher wurde sie beim Boxtraining von einem Kollegen an den Zöpfen auf die Matte gezerrt. Geschont wird hier niemand, erst recht keine Frau.
Der verliebte Politiker überlebt
Klar, es geht - wie immer im Genre des Leibwächterkrimis - um Profis, die das eigene Selbst überwinden müssen, um ihren Job erfüllen zu können. Zum furiosen Einstieg ins schnell getaktete Spezialisten-Drama (von dessen insgesamt zehn Folgen das ZDF leider vorerst nur fünf ausstrahlt) sieht der Zuschauer, wie einer der Bodyguards dem dänischen Verteidigungsminister bei dessen Truppenbesuch in Bagdad aufs ungesicherte Hoteldach folgt, weil der Politiker dort unbedingt per Handy mit seiner Geliebten telefonieren muss. Als eine Mörsergranate auf dem Dach einschlägt, hechtet der Personenschützer zum Minister und wird zerfetzt. Der verliebte Politiker überlebt.
So funktioniert der Job, so funktioniert das Filmgenre: Bei Gefahr haben sich die Protagonisten instinktiv auf den Schutzbefohlenen zu werfen, ohne an die Folgen für das eigene Leben zu denken.
Doch spätestens im zweiten Teil von "Protectors", der vom verborgenen Aufstand von rechts erzählt, kommt die Vielschichtigkeit der Reihe zum Vorschein: Das große Komplott und die kleinen politischen Details, Staatsaktionen und Randgruppenexistenzen, Öffentlichkeitsstrategien und brisante Geheimnisse sind hier klug miteinander verquickt. Auf diese Weise wird das Verschwörungsszenario zum komplexen Gesellschaftsbild.
Die Kooperation des ZDF mit dem öffentlich-rechtlichen dänischen Fernsehen zahlt sich also aus. Zuvor hatte man den Partner Danmarks Radio schon für das doppelbödige Cop-Drama "Der Adler" unterstützt. Und auch der Zehnteiler "Kommissarin Lund" ging aus der Zusammenarbeit hervor, ein Krimi-Panorama, das nur einen einzigen Mordfall braucht, um in 900 Minuten durch nahezu alle gesellschaftlichen Schichten Kopenhagens zu führen.
Weder Clint noch Kevin
In Dänemark erreichte "Kommissarin Lund" bei der Erstausstrahlung satte 70 Prozent Einschaltquote, hierzulande stahl das ZDF Ende 2008 am späteren Sonntagabend immerhin der ARD-Polittalkerin Anne Will die Zuschauer. Ergibt ja auch irgendwie Sinn: Die Aufregerthemen werden wie nebenbei und doch nachhaltig in den Polit-Thrillern made in Denmark behandelt. Der Sonntagskrimi, hier wird er zum Debattenbeitrag.
Und so verhält es sich auch in "Protectors". Rechter und linker Terror, Islamismus und Karikaturenstreit, Klimaschutzkonferenzen und Irak-Einsätze - all das wird aufgegriffen und smart in die klassische Leibwächter-Krimihandlung eingebaut.
Dabei hat die Serie wenig mit verwandten Produktionen gemein: Der insgesamt nüchterne, aber im Detail oft sehr anrührende Profi-Krimi bietet keinerlei Ich-werf-mich-voller-Liebe-auf-dich-Schmonzes à la "Bodyguard" mit Kevin Costner und ist auch kein Harter-Knochen-Kracher wie "In The Line of Fire" mit Clint Eastwood. Vielmehr müssen die drei Helden stetig über sich hinauswachsen - um doch immer wieder bei sich selbst zu landen.
Der Mensch, den es zu schützen gilt - das lernen die jungen Leibwächter bald - ist der Körper der Gesellschaft, von dem sie selbst ein Teil sind. Dass eben diese Gesellschaft in "Protectors" mit all ihren Schwachstellen ausgeleuchtet wird, lässt die Botschaft nicht minder idealistisch, demokratisch und konsequent multikulturell aufgeladen erscheinen: Du bist Dänemark - auch wenn es richtig weh tut.
"Protectors - Auf Leben und Tod", ZDF, Sonntag 22.00 Uhr