Serie "Nightflyers" nach George R.R. Martin Na ja
Eine Novelle des "Game of Thrones"-Autors ist zur Serie mutiert. Wir lernen: Man sollte Menschen, die eine Alien-Spezies kontaktieren wollen, nie ein Raumschiff zur Verfügung stellen. Viel mehr aber auch nicht.
Es ist 2093, die Erde ist nahezu unbewohnbar. Die letzte Hoffnung der Menschheit: Astrophysiker Karl, der eine mythische Alien-Spezies erst finden und dann um Hilfe bitten will. Nicht, dass diese Aliens schon mal jemand gesehen oder gesprochen hätte, aber irgendwie muss man die letzten Tage vor der Apokalypse ja mit Sinn füllen. Warum also nicht: auf ins Weltall!
Dabei ist fraglich, ob Karl (Eoin Macken) selbst wirklich an den Erfolg seiner Mission glaubt. Wie so viele Fernseh- und Kino-Astronauten vor ihm nutzt er die Reise ins All vor allem zur Trauerbewältigung - wo könnte er seiner verstorbenen Tochter näher sein als im buchstäblichen Himmel. Dass es keine gute Idee ist, einen übernatürlich begabten Soziopathen (Sam Strike) als Alien-Kommunikationshilfe mitzunehmen, hätte ihm trotzdem auffallen können. Der Captain des Schiffs verlässt angesichts dieser Crew lieber nicht sein Quartier und beamt sich immer nur als Hologramm auf die Brücke. Verständlich.
Vielleicht ist die neue Netflix-Serie "Nightflyers" am besten als Weckruf verstehen: Wenn man weiß, dass der Planet in den nächsten Jahrzehnten an den Abgrund geraten wird, sollte man sich rechtzeitig überlegen, was man dagegen unternehmen kann. Und wenn jemand vorschlägt, man könne doch Außerirdische um Rat fragen, dann stellt man dieser Person auf keinen Fall ein Raumschiff zur Verfügung.
Wie die Werbung nicht müde wird zu betonen, basiert "Nightflyers" auf einer knapp 40 Jahre alten Novelle von George R. R. Martin. Der hat viele Jahre später mit seinem immer noch nicht vollendeten Fantasy-Epos "Das Lied von Eis und Feuer" die Grundlage für die HBO-Show "Game of Thrones" geliefert. Für viele Menschen eine der besten Serien aller Zeiten, eine große Welt der Kriege, Intrigen und feuerspeienden Drachen. Dann kann "Nightflyers" doch auch nicht so schlecht sein, oder?
Na ja.
Es wäre toll gewesen, wenn George R. R. Martin involviert gewesen wäre, aber das hat ihm sein Exklusivvertrag mit HBO nicht erlaubt. Auch ein riesiges Budget wie bei "Game of Thrones" hätte bestimmt geholfen, aber so viel Geld konnte und wollte man beim amerikanischen Spartensender Syfy nicht in die Hand nehmen - die Geldmaschine Netflix übernimmt nur die Vermarktung außerhalb der USA.
Und so gibt es zwar viele gute Ideen und Spezialeffekte, aber beides wirkt ein bisschen unfertig. Das gigantische Techno-Labyrinth eines Schiffs und seine Crew verschiedenster Hautfarben, Identitäten und Orientierungen werden zunehmend Teil voneinander; immer um die Frage kreisend, wo der Mensch aufhört und die Maschine anfängt. Das lädt ein zu großen Ausstattungsorgien und tiefer Science-Fiction-Philosophie. Doch die Handlung spielt meist nur in drei oder vier unbestimmt nach Raumschiff aussehenden Räumen und konzentriert sich mit Karl und der Psychiaterin Agatha (Gretchen Mol) zielsicher auf die beiden uninteressantesten Mitglieder der Mannschaft.
Im Video: Der Trailer zur Serie "Nightflyers"
Deutlich spannender sind etwa die gentechnisch optimierte Superfrau Melantha (Jodie Turner-Smith), die entrückte Kybernetikerin Lommie (Maya Eshet) und der erwähnte Hologramm-Captain Roy (David Ajala), die als multi-ethnisches und genderfluides Liebesdreieck für jene Action sorgen, die das unentschlossen zwischen Horror und Science-Fiction stolpernde Drehbuch nicht hergibt.
Schreckliche Unfälle passieren und spielen wenig später kaum eine Rolle. Niemand scheint genau zu wissen, was genau ihre oder seine Aufgabe an Bord ist. Niemand scheint sich wirklich dafür zu interessieren. Der sympathischste Charakter, eine amoklaufende Roboterspinne, wird viel zu früh ausgeschaltet.
Schade, angesichts der unbegrenzten Möglichkeiten. Allerdings hat Netflix der deutschen Presse nur die ersten beiden der insgesamt zehn Folgen vorab zur Verfügung gestellt, es könnte also besser werden. Und Spaß macht dieses glitzernde Stück Weltraumschrott oft trotz allem. Schon wegen der Roboterspinne, die kann immerhin Laser speien. Fast wie ein Drache.
"Nightflyers". Ab 1. Februar auf Netflix verfügbar