Steinbrück bei "Beckmann" "Ich leg mich nicht auf die Psycho-Couch"
Er lächle zu wenig, sei zu ironisch: Noch tun sich viele Wähler schwer mit Peer Steinbrück, vor allem Frauen. Bei Beckmann präsentierte der frisch gekürte SPD-Kanzlerkandidat sich nun locker und souverän - aber nur in Maßen. Man habe schließlich über Politik zu reden.
Man konnte in letzter Zeit den Eindruck haben, es handele es sich bei Peer Steinbrück um eine Art schwer erziehbaren Halb-Sozi, dessen Kanzlerkandidatur vor allem ein Problem für die eigene Partei und weniger für die Kanzlerin sei. Das hat sich geändert, seit er in Hannover mit einem fast merkelmäßigen Parteitagsergebnis offiziell zum Spitzenmann befördert wurde. Sein erstes großes TV-Interview danach gibt er Reinhold Beckmann - und als Zuschauer ertappt man sich unwillkürlich bei der Frage, ob dieser Peer hier überhaupt noch der alte Steinbrück ist, da er doch jetzt zum "Gerechtigkeitsprediger" geworden sei, wie der Gastgeber es ausdrückt. Die Antwort lautet, es sei hierzu "keine politische Geschlechtsumwandlung" notwendig gewesen, womit indirekt ein etwas heikles Thema angesprochen, vor allem aber von vornherein ein vertrauter rhetorischer Grundakkord gesetzt ist.
Allerdings, behauptet der Kandidat später, fühle er sich jetzt "unfreier", weil ständig unter Beobachtung, müsse seine Worte "noch mehr wägen" und Ironie vermeiden, da diese "für viele nicht zu decodieren" sei. Und so tut er dann doch nichts anderes, als in bekannter Manier Peer Steinbrück zu sein, der, wie er glaubhaft versichert, keineswegs die Absicht hat, sich seine Kantigkeit abzugewöhnen und die weithin üblichen politischen Phrasen zu dreschen. Von denen bleibt dann auch die ganze Sendung angenehm frei, was auch ein Verdienst Beckmanns ist, der diesmal nicht so sehr den Menschenflüsterer gibt, sondern sich als wacher, gut vorbereiteter Gesprächspartner erweist, so dass eine richtig muntere und kurzweilige Unterhaltung zustande kommt.
"Sie haben es mir ja ganz schön gegeben"
Bis man bei den viel zitierten "Heulsusen" sowie der "Eierschleifmaschine" angelangt ist - ein von Steinbrücks Bruder stammender Neologismus -, hat man bereits eine veritable Tour d' Horizon hinter sich gebracht, von der Schwiegermutter, die mehr "Zugewandtheit" anmahnt über den unzutreffenden Verdacht mangelnder Tierliebe, die Details der steuerpolitischen Vorstellungen der Steinbrück-SPD bis hin zum Bochumer Opel-Desaster und der gleichfalls mit diesem Ort speziell konnotierten Honorar-Affäre.
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge, der vor einigen Jahren wegen Schröders Agenda die SPD verließ, hat zwischendurch per Einspieler seine Enttäuschung über die seiner Ansicht nach unzureichenden Konzepte des Kandidaten für die soziale Gerechtigkeit vorbringen dürfen, was diesen aber nur mäßig zu interessieren scheint. "Sie haben es mir ja ganz schön gegeben", merkt er trocken an und "eine kritische Stimme ist ja wohl erlaubt nach all den vielen positiven." Das klingt dann doch verdächtig nach nicht massenkompatibler Ironie.
Von der ist allerdings nichts mehr zu spüren, als es um die großen weltbewegenden Fragen geht. Um China beispielsweise, das Steinbrück nicht ganz so bewundernswert findet wie sein Förderer Helmut Schmidt. Beim Thema Europa lässt er sogar so etwas wie politisches Pathos aufscheinen, spricht von einer Grundsatzentscheidung zwischen Rückfall und Integration, von der besonderen Rolle Deutschlands, das schließlich für die Wiedervereinigung zwei Billionen Euro ausgegeben habe. "Wir müssen uns fragen, was uns Europa wert ist."
"Ich leg mich nicht auf die Psycho-Couch"
Den Moderator führt das zu der Frage, wie es um die Abgrenzung zur Regierung bestellt sei, zumal im anbrechenden Wahlkampf. "Wer sagt, dass ich die Kanzlerin anrempeln will?", kommt es prompt zurück. Die Bürger seien dieser Streitrituale müde und "die Typen", die es darauf anlegten, gebe es in allen Parteien gleichmäßig verteilt, wobei Seehofer, "diese lose Kanone", aber einen Sonderfall darstelle. Etwas wirklich Gutes über Frau Merkel möchte er aber jetzt doch lieber nicht sagen, gibt indes zu, das schon getan zu haben, genau wie sie umgekehrt über ihn.
Womit dann irgendwie auch das unvermeidliche Thema Frauen endlich auf dem Tisch ist. Denn da sind ja nicht nur die traumhaften Umfragewerte der Machtrivalin, sondern auch die potentiellen Wählerinnen ganz allgemein, die mit dem Kandidaten, wie anhand einer Straßenbefragung vorgeführt, offenbar so ihre Probleme haben. "Mein Typ ist er nicht", lautet der gängige Befund, gern gekoppelt mit der Empfehlung: "Er müsste mehr lächeln."
Dabei hat er gerade an diesem Abend bei Beckmann sogar ziemlich viel gelächelt und sich sozusagen in Topform präsentiert: schlagfertig, locker, ja, souverän. Die Konfrontation mit den weiblichen Vorbehalten scheint kurzzeitig ein wenig die launige Atmosphäre zu trüben. "Ich leg mich jetzt nicht hier auf die Psycho-Couch", grummelt er. Man habe "über Politik zu reden".
Das geschieht dann auch, schon weil unbedingt noch mal klargestellt werden muss, dass es auf gar keinen Fall eine Große Koalition geben wird. Punkt. Es gelte für ihn die Devise Sekt oder Selters. Als Einsatz auf einen rot-grünen Sieg hat Wettfreund Steinbrück, der auch schon in England bei Hunderennen mithielt ("der Köter verlor") allerdings ein anderes Getränk eingeplant: sechs Flaschen Rotwein, wie üblich. Und da er es an diesem Abend ohnehin mit der sonst sorgsamen Wahrung der Privatsphäre nicht ganz so genau nimmt und es bei Beckmann sowieso immer besonders viel menschelt, offenbart der frischangelernte Kanzlerkandidat zum guten Schluss auch noch, dass er als Knabe ein echter Problemschüler war, der einfach nicht lernen wollte.