Rentenstreit bei Maybrit Illner Abgekämpft im Sommerhagel
Einsam streitet Ursula von der Leyen für ihre Zuschussrente - während die Kritik von allen Seiten auf sie niederprasselt. Auch bei Maybrit Illner fand sie zarte Unterstützung allenfalls beim politischen Gegner. Heraus kam eine kleinteilige Debatte - deren Erkenntiswert sich in engen Grenzen hielt.
Seit Tagen nichts als Stress, Streit und Abwehrgefechte. So erbarmungslos ist der Hagel der Kritik auf Ursula von der Leyen niedergeprasselt, dass die jeweilige Richtung, aus der die Körner kamen, oft kaum noch auszumachen war. Und als sei dieses spätsommerliche Unwetter nicht schon schlimm genug, muss sie es auch noch ohne Schirm durchstehen. Genauer: ohne die schützende Hand von oben. Dass jemand in solch einer Lage den Wunsch haben könnte, einfach nur noch das Weite zu suchen, wäre durchaus verständlich.
Entsprechend nahe lag die Frage von Maybrit Illner an von der Leyen, wie sie sich denn nun fühle - ob sie aktuell auch an Rücktritt gedacht habe. Das hat sie laut Selbstauskunft natürlich nicht. Aber ein bisschen verhalten und abgekämpft wirkte sie dann doch, die einsame Streiterin für die Zuschussrente in diesem multilateralen Konflikt, als sie darüber sinnierte, dass das Amt des Sozialministers nun mal immer besonders schwierig sei und sie sich wohl ähnlich vorkomme wie seinerzeit Franz Müntefering bei seinem Projekt der Rente mit 67.
Denn dass sie es im Grunde doch nur gut meint mit ihrem vehementen, von alarmistischen Szenarien flankierten Einsatz gegen die drohende Altersarmut, nützt ihr wenig. Das wurde ihr auch gleich von der FDP klargemacht. Deren arbeitsmarktpolitischer Sprecher Johannes Vogel musste erst mal etwas nassforsch den Spruch loswerden, dass gut gemeint nicht gut gemacht sei - um dann später mehrfach ernsthaft zu behaupten, in der Sozialpolitik arbeite Schwarz-Gelb bestens zusammen.
Vielleicht gibt es ja auch in manchem Politikerleben bisweilen gewisse Gerechtigkeitslücken in Bezug auf das Verhältnis von fürsorglichem Ehrgeiz und erhofftem Applaus. Verglichen mit den jüngsten Anfechtungen im politischen Betrieb in Form massiver Kritik aus den eigenen Reihen, die in einer regelrechten Distanzierung der Kanzlerin gipfelte, ging es für die Ministerin an diesem Talkshow-Abend aber insgesamt eher moderat zu.
Zahlenfixiert, technokratisch, zynisch
Lediglich Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft wurde ein bisschen heftig, indem er nicht nur die Berechnungen aus dem Hause von der Leyen generell für falsch erklärte, sondern auch rundheraus bezweifelte, dass es überhaupt ein nennenswertes gesellschaftliches Problem infolge dramatisch schrumpfender Renten geben werde.
Ansonsten plädierte er für ein Renteneintrittsalter von 70 Jahren und redete meist derart menschenfern, zahlenfixiert und technokratisch, dass man das ohne weiteres als ziemlich zynisch empfinden konnte. Leni Breymaier von der Gewerkschaft Ver.di sprach genau das auch irgendwann ganz offen und empört aus.
Überhaupt entwickelte sie jenes Temperament, das die Ministerin vermissen ließ, was womöglich auch damit zu tun hatte, dass deren neues Gerechtigkeitsprojekt sich nun mal nicht ganz so leicht plausibel machen lässt. Wie soll denen, die durch ihre Arbeit ohnehin kaum genug zum Leben verdienen, eine Pflicht zur zusätzlichen Eigenvorsorge fürs Alter schmackhaft gemacht werden? Zumal, wenn dann noch jemand wie der höchst kompetent wirkende Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten daherkommt und die vielgepriesene Riester-Rente förmlich in Grund und Boden rechnet?
Etwas matt, ein wenig blass
Das war einer von mehreren Momenten, in denen die Ministerin nicht nur allmählich etwas matt vom Argumentieren, sondern auch im übertragenen Sinne blass wirkte. Es gab Augenblicke, auch ganz wörtliche, in denen einen der ganz leise Verdacht beschleichen konnte, dass das, was die Gewerkschafterin ihr attestierte, nämlich ein wichtiges Thema auf den Tisch gebracht zu haben, momentan vielleicht das einzige realistische Etappenziel dieser ganzen, teils aufgeregten, teils schwer nachvollziehbaren, Diskussion darstellt.
Nicht auszuschließen, dass dies Frau von der Leyen mittlerweile selbst zu dämmern beginnt. Oder dass ihr das gar von Anfang an klar war.
Wenn es denn ernsthaft für sie um die Suche nach Verbündeten geht, dürften die jedenfalls eher im Lager der Gegenseite zu finden sein als im eigenen. Zwischen der Gewerkschaftsfrau von der SPD und der Christdemokratin, die notorisch sozialdemokratische Themen besetzt, schien sich zum guten Schluss hin eine Art Verständigung im Grundsätzlichen abzuzeichnen. Ja, es gehe um die Geringverdiener und um die Frauen, versicherte man einander fast freundlich.
Und es blieb das Verdienst der Ver.di-Vertreterin, zumindest versuchsweise den Horizont des stark zum Kleinteiligen tendierenden Disputs ein Stück zu weiten: Letztlich gehe es doch um mehr als nur das Rentensystem, dessen umlagefinanziertes Grundkonzept im übrigen gestärkt werden müsse - es gehe um die menschenwürdige Gestaltung der Arbeitswelt mit ordentlichen Löhnen und Gehältern, um die Beseitigung der prekären Beschäftigungsverhältnisse, um das Schaffen von Bedingungen, die das Entstehen von Altersarmut bereits viel früher verhinderten.
Klare Worte vom grünen Studenten
Der Jüngste in der Runde brachte das noch schnörkelloser auf den Punkt. Ihm erscheine das gesamte Rentensystem wie ein Auffangbecken für die Ergebnisse einer verfehlten Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, befand Danyal Bayaz, ein 28 Jahre alter Student von den Grünen. Und die Menschen seiner Generation plagten meist ganz andere Sorgen, als sich um ihre Alterssicherung zu kümmern. Die hätten genug damit zu tun, überhaupt erst einmal einen ordentlichen, sicheren Job zu bekommen.
Was den Erkenntniswert der aktuellen Debatte anbelangt, so klang die Einschätzung des jungen Mannes auch nicht sonderlich positiv. Wenn sich denn schon die Experten so wenig einig seien - wie solle denn da ein normaler Mensch durchschauen? Es bestehe erheblicher Aufklärungsbedarf. Da dürfte er zweifellos recht haben. Wesentlich klüger fühlte man sich nach dieser Veranstaltung nicht, weder was die fernere Zukunft der Renten, noch was das Schicksal der Ministerin von der Leyen in den nächsten Wochen und Monaten anbelangt.