TV-Doku "Trainer!" "Mit das Geilste, was man machen kann"
Sind Trainer die neuen Fußballstars? Die Doku "Trainer!", die am Montagabend im WDR lief und dann in Langfassung ins Kino kommt, begleitet drei Fußballlehrer eine Saison lang bei ihrer Arbeit. Ob Champions League oder dritte Liga - der Druck ist überall immens.
Es war wohl mal wieder Dom in Hamburg: Wer dann an der richtigen Stelle und im richtigen Moment den Blick hebt und über die Ränge des Millerntors hinausschaut, der sieht hinter dem Feld, hinter den Spielern und hinter dem Stadionbeton eine Achterbahn über das Heiligengeistfeld kurven, die gerade zur Talfahrt ansetzt.
Was in dieser Einstellung nicht alles drinsteckt: das sportliche Auf und Ab, das geflügelte Wort vom Trainerkarussell und natürlich ein Klischeebild vom FC St. Pauli, dem Freudenhaus der Liga, dem etwas anderen Verein. Es ist eines der wenigen Sinnbilder, das Aljoscha Pause sich gönnt in seiner ansonsten angemessen nüchtern beobachteten und erzählten Dokumentation "Trainer!", die der WDR am Montagabend um 22.45 Uhr, noch vor dem Kinostart am 13. Juni, in einer gekürzten Fassung ausstrahlte.
Ob extrovertierte Lautsprecher wie Jürgen Klopp oder fein gekleidete Philosophen wie Pep Guardiola - die fußballinteressierte Öffentlichkeit scheint nach schillernden Typen mittlerweile nicht nur auf dem Feld, sondern auch an der Seitenlinie zu suchen. Ein Berater bringt es im Film so auf den Punkt: Wo die Spieler immer weichgespülter sprächen, da wachse automatisch das Interesse am Trainer.
Von Kiez-Kuscheligkeit keine Spur
Grimme-Preisträger Pause hat sich schon immer vor allem für den sozialen Mikrokosmos des Profifußballs interessiert, er hat über Hooligans, Homosexualität und Alkoholismus gearbeitet und in "Tom Meets Zizou" Thomas Broich porträtiert - ein sensibles, kulturliebendes Riesentalent, das sich an den Mechanismen der Branche bis in die Depression hinein rieb. In "Trainer!" fächert Pause nun gekonnt auf, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es geben mag bei den neuen Stars des Geschäfts. Der Weg auf die Trainerbank führt nämlich längst nicht mehr nur über eine ehemalige Profilaufbahn. André Schubert etwa kam als Kicker nie über den KSV Baunatal hinaus, nach seinem Uni-Abschluss in Sportwissenschaften aber gehörte er anschließend zu den Jahrgangsbesten in der Fußballlehrer-Ausbildung des DFB.
Neben Schubert hat Aljoscha Pause noch zwei andere Trainer über die gesamte vergangene Saison begleitet. Er hat zugeschaut, wie Frank Schmidt mit dem 1. FC Heidenheim um den Aufstieg in die zweite Liga kämpfte. Er zeigt, wie Stephan Schmidt beim SC Paderborn eine Niederlagenserie kurz vor Saisonende zum Verhängnis wird. Drei sehr unterschiedliche Typen sind das: In Frank Schmidt steckt noch am sichtbarsten der Ex-Profi, der Malocher, der wild werden kann an der Seitenlinie und emotionale Ansprachen liebt, bis die Stimme rau wird. Stephan Schmidt kommt als distanzierter, beinahe kühler Typ rüber, der einem umso rätselhafter wird, je häufiger er seine Herkunft als wildes Kind der Straßen Berlins betont.
Doch es ist, wieder, der Intellektuelle, der als erster scheitert. Schon im Herbst 2012 wird André Schubert vom FC St. Pauli beurlaubt, und die entsprechende Pressekonferenz vertreibt mit ihrer professionellen Kälte sehr effektiv jede Restvorstellung von Kiez-Kuscheligkeit.
Immer auch Berufung
In mal mehr, mal weniger subtilen Gegenüberstellungen zeigt sich eine der größten Stärken von Aljoscha Pause. "Die Loyalität zum Cheftrainer" sei ihm das Wichtigste, sagt Thomas Meggle, Schuberts Co-Trainer, zu Beginn - und man soll, darf, will ihn nicht verurteilen dafür, dass er nach dessen Entlassung zeitweilig selbst auf der Trainerbank Platz genommen hat. Aber ein ganz klein wenig seltsam wirkt es schon.
Einen Trainer wie Schubert, den er nicht mehr auf dem Übungsplatz oder im Stadion beobachten kann, lässt er eben im Streitgespräch erklären. Die Aussagen der Vereinsverantwortlichen und eines abgewanderten Spielers prallen in der Montage auf den enttäuschten Schubert, erstaunlich offen und brutal geht es in dieser Rückschau zu.
Dieses Montageprinzip ist deshalb so fruchtbar, weil Pause dadurch der Gefahr entgeht, sich mit seinen Protagonisten allzu sehr gemein zu machen. An anderer Stelle geht er manipulativer vor: Auf die unisono vorgetragene Kritik an hysterischer Berichterstattung reagiert er mit einem Sammelsurium tatsächlich reichlich hysterischer Schlagzeilen aus regionalen, oft boulevardesken Blättern. Daran mag vieles wahr sein, aber nichts neu - und wäre es nicht auch die Aufgabe eines Dokumentarfilms, altbekannte Weisheiten auf den Prüfstand zu stellen?
Andererseits: Zwei von drei Trainern, die Pause Einblick in ihren Berufsalltag gegeben haben, stehen am Ende ohne Anstellung da - eine eindrückliche Bestätigung, wie real der Druck ist, von dem die Protagonisten immer wieder berichten. Aber eines ist - gerade auch anderen hochkarätigen Interview-Partnern wie Jürgen Klopp oder Hans Meyer - mindestens so wichtig: die Traineraufgabe nicht nur als Job, sondern als Berufung zu sehen. In knapp 40 Berufsjahren sei er fast jeden Morgen fröhlich aufgestanden, erzählt Meyer. Frank Schmidt formuliert es so: Trainer zu sein ist "mit das Geilste, was man machen kann".
"Trainer!", Montag, 22.45 Uhr, WDR