Zum Ende von Viva
Peinlich. Aber eben auch geil
Für manche war Viva Pflichtprogramm, andere fühlten sich schon immer zu cool für deutsches Musikfernsehen. Klar ist aber: Wer in den Neunzigern aufwuchs, kam an Viva nicht vorbei. Wir erinnern uns.
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Viva-Moderatoren Phil Daub (v.l.), Heike Makatsch, Nils Bokelberg
Donnerstag, 21.06.2018
14:29 Uhr
Raus aus der Kleinstadt
Ein Teenagerdasein Anfang der Neunzigerjahre in der Nähe von Köln. Die Schule so langweilig, die Kleinstadt so eng - einziges Highlight: Musikfernsehen. Ich war Dauerkonsumentin. Kam mittags aus der Schule und blockierte stundenlang Fernbedienung sowie Telefon, um mit Freundinnen live zu kommentieren. Vor mir lagen VHS-Kassetten, beschriftet mit "Prince" und "Madonna", deren Video-Oeuvre ich archivierte. Einige Jahre musste ich vor MTV ausharren, doch kurz vor meinem 17. Geburtstag bekam ich ein Geschenk: VIVA. Ich konnte endlich zweigleisig fahren. Zwar feierte VIVA hartnäckig deutsche Musiker wie Snap, Marusha und Lucilectric, aber darüber zappte ich großzügig hinweg. Bald nutzte ich meine Videotapes, um nachts die Sendung "Housefrau" mit den Techno-DJs Sabine Christ und Mate Galic aufzuzeichnen, Letzterer war gerade mal so alt war wie ich selbst. Too cool for school. Carola
Padtberg
Zu cool für Viva
Es mag herzlos klingen, aber der Tod von Viva lässt mich ziemlich kalt. Der Musiksender meiner Wahl war MTV. MTV - das war cool, international und irgendwie ein bisschen schmutzig. Der deutsche Gegenentwurf? Zu bunt, zu poppig und immer so übertrieben gut gelaunt. Das passte nicht zu meinem trübsinnigen Teenager-Dasein in Doc Martens und gedeckten Farben. Ich war eindeutig zu cool für Viva. Schaltete einer meiner Freunde in meiner Anwesenheit den Sender ein, verdrehte ich die Augen und versuchte, desinteressiert zu wirken. Klar, kannte ich Mola, Daisy Dee und Co. Und vielleicht war ich auch ein bisschen verknallt in Tobi Schlegl. Wurde allerdings auf dem Schulhof über Viva gesprochen, stellte ich mich unwissend. Tobi wer? Ich hatte ja schließlich einen Ruf zu verlieren. Anna-Sophie Schneider
Mein kleiner Bruder
Mein Bruder ist zwei Jahre jünger als ich, aber in Sachen Musik war er schon immer weiter vorne. Er hat vor mir Hip-Hop entdeckt und vor mir angefangen, Viva und MTV zu gucken. Zu Hause hatten wir lange Zeit keinen Kabelanschluss und konnten nur die öffentlich-rechtlichen Sender, RTL und Sat.1 sehen. Deshalb war es ein Fest, wenn wir bei unseren Großeltern waren, die Satellit hatten. Vor allem hatten sie zwei Fernseher, einen davon in einem kleinen Zimmer im oberen Stockwerk, da konnte man sich gut verkrümeln und alles gucken, was zu Hause nicht lief, wie "Viva Interaktiv" oder "MTV Most Wanted". So passierte es oft, dass mein Bruder plötzlich weg war. Ich fand ihn in dem kleinen Zimmer, wo er auf den Bildschirm starrte, und kauerte mich dazu, während unten unsere Oma durchs Haus lief und nach uns rief. Katharina Schipkowski
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Charlotte Roche
Bastard aus Kinderbetreuung und Marketingmaschine
Popmusik ist eine verdammt wichtige Angelegenheit. Wer es ernst mit ihr meint, kann vor der Kamera auch einen dunklen Anzug tragen - so wie es der Musiker, Garagepunk-Spezialist und Journalist Rocco Clein bei Viva und Viva Zwei tat. Der immer gut informierte, gut gekleidete Brillenträger moderierte Mitte der Neunziger mit der Sendung "Wah Wah" eine Art Anti-Viva-Programm. Zu Wort kamen Indierocker wie Tocotronic oder Tomte, aufdringlich ausgespielte Jugendlichkeit war verpönt, dafür gaben sich Kompetenz und trockener Witz die Hand. Klein machte klar, dass Underground auch Overground sein kann, ohne dass man sich verbiegen muss; als Indie-Betonkopf konnte man von ihm nur lernen. Er spielte das Musikfernsehen der Neunziger, diesen Bastard aus Kinderbetreuung und Marketingmaschine, nach seinen eigenen Regeln. 2004 starb Rocco Clein an einer Hirnblutung. Der deutsche Indierock wäre ohne ihn wohl weniger gut in die Gänge gekommen. Christian Buß
Patrick Lindner statt Viva
Lange erhaschte ich Viva nur bei Freunden, deren Eltern nicht zu pädagogisch für einen Kabelanschluss waren. Ich erinnere nur einen Moderator mit käsigem Gesicht und orangefarbenem Pulli, der oft zu dicht an der Kamera war und über Berti Vogts rappte. Selbst als wir einen lädierten Fernseher von meiner Oma erbten, blieb Viva Verheißung. Das ARD-Musikfernsehen am Nachmittag hieß WunschBox, der Moderator Ingo Dubinski trug Jacketts in Burgund- und Senftönen und zog, wenn ich es richtig erinnere, aus einer Plastikbox Briefe, in denen sich Zuschauer Schlagerclips wünschten. Wenn es gut lief, kam ein Oldie aus den Sechzigern, im besten Fall Trude Herr, die fand ich fetzig. Wenn es schlecht lief, wünschte sich jemand was Aktuelles, sprich: Patrick Lindner. Irgendwann ging auch noch der Anschaltknopf vom Fernseher kaputt, man musste ihn dauerhaft drücken, damit das Bild blieb. In Köln rappte Stefan Raab viel zu nah an der Kamera über Berti Vogts. In Göttingen saß ich viel zu nah vorm Fernseher, um mit dem großen Zeh WunschBox zu sichern. Irre waren wir beide irgendwie. Eva Thöne
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Tobias Schlegl
Dann kam Viva II und zerstörte die Liebe
Ob es daran lag, dass Minh-Khai Phan-Thi für mich eine Art große Schwester war, die ich niemals hatte? Oder war sie mein erster girl crush? Ich erinnere mich nicht mehr genau, ich war 12, vielleicht 13, aber ich wollte unbedingt ein Autogramm von der Viva-Moderatorin. Es war in Köln, es regnete, irgendein Fest in der Altstadt zwischen Würstchenbuden und Rathaus, sie moderierte, ich wartete im Regen. Stunden später bekam ich mein Autogramm, ein bisschen Smalltalk und schon war es vorbei. Das Autogramm verwahrte ich zu Hause sicher in einer Kiste. Spätestens mit der Einführung von Viva Zwei (1998) und der Sendung "Fast Forward" löste ich mich von Minh-Khai, es war auch meinem Musikwechsel geschuldet - statt Tic Tac Toe eben Fiona Apple. Wir hatten uns auseinandergelebt. Das Autogramm habe ich aber immer noch, es liegt weiterhin in meiner Kiste. Sicher verwahrt. Enrico Ippolito
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Sarah Kuttner
Viva in Düsseldorf
Dezember 1993, Studentenwohnheim Campus Süd in Düsseldorf. Dreier-WG. Techno, Hip-Hop, Grunge und Metal. Deutscher Musiksender mit deutscher Musik? Peinliche Idee. Aber dann: "Zu geil für diese Welt" von Fanta 4, das erste gesendete Video. Auch peinlich. Aber eben auch geil. So wie Viva in den Neunzigern. MTV war natürlich immer cooler, die hatten Ray Cokes mit "MTV's Most Wanted". Viva dagegen "Interaktiv" mit Mola Adebisi, das hielt man nüchtern nicht aus. Mussten wir ja auch nicht. Also waberten die Rauchschwaden und der Trash lief rauf und runter. Manchmal begegnete man Mola in der Altstadt, der fuhr immer auf Roller Blades über die Rheinuferpromenade. Das war dann aber eindeutig zu viel der Nähe. Oliver Kaever
Kult-Musiksender: Viva liebte dich!
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Vereint: Die Viva-Moderatoren Phil Daub, Heike Makatsch und Nils Bokelberg (von links) auf einer Aufnahme aus den Neunzigerjahren.
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Heike Makatsch - Viva-Girlie mit Schneiderlehre
Wer sie war: "Wir sind mehr als nur ein Fernsehsender, denn wir sind euer Sprachrohr und euer Freund, und ab heute bleiben wir für immer zusammen, okay?" Es war der Anfang von Viva, die ersten Worte, gesprochen von Heike Makatsch: 22 Jahre alt, abgebrochenes Studium, angefangene Schneiderlehre, jetzt Moderatorin. Sie wurde zum Gesicht des Senders, das Viva-Girlie schlechthin, das neue deutsche Fräulein. Noch heute kann sich Makatsch über das Image von einst aufregen. Aber für immer blieben sie und Viva nicht zusammen: 1997 war Schluss.
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Wer sie ist: Auf RTL II bekam Makatsch 1997 ihre eigene Sendung. "Heike Makatsch - Die Show" lief im Spätprogramm und floppte. Zum Glück, möchte man sagen, denn künftig arbeitete Makatsch verstärkt an ihrer Schauspielkarriere. Für ihre Rollen bekam sie etliche Filmpreise. Girlie Heike war tot, ermordet von Charakterdarstellerin Makatsch.
Aus ihrer ehemaligen Beziehung mit dem Musiker Max Schröder (Tomte, Olli Schulz und der Hund Marie) hat Makatsch zwei Kinder. Mit ihrem Lebensgefährten, dem Schauspieler Trystan Pütter, bekam sie 2015 eine dritte Tochter.
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Mola Adebisi - mit Abfall zum Ruhm
Wer er war: Mola Adebisi startete als 20-Jähriger bei Viva, zu sehen war er zunächst in der Live-Show "Interaktiv". Von all seinen Aktivitäten, die er seit seiner Jugend betrieben habe, sei Moderator mehr oder weniger ein Abfallprodukt gewesen, sagte Adebisi 2000 in einem Interview. "Ich bin zum Moderieren gekommen wie die Jungfrau zum Kind, denn eigentlich bin ich gelernter Tänzer."
Während seiner Zeit bei Viva versuchte er sich auch als Sänger. "Shake That Body", hieß die Single, die er 1996 veröffentlichte. Nebenbei trat er in mehreren kleinen TV-Rollen auf und brachte seine eigene Unterwäschekollektion heraus. 2004 kam dann Adebisis Ende bei Viva, er war so lange geblieben wie kein anderer. Er wolle mehr Zeit für sein Marketing-Studium und für seine Produktionsfirma haben, hieß es damals.
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Wer er ist: Es lässt sich nicht leicht zusammenfassen, was Mola Adebisi nach seinem Aus bei Viva alles angestellt hat. Seine Produktionsfirma meldete 2007 Insolvenz an. Adebisi trat weiter als Schauspieler auf, wurde "Executive Consultant" bei einem Internetdienstleiter und Moderator bei N24. 2012 war er bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg zu sehen und spielte in "Winnetou II" den Saloonbesitzer Massa Bob. Im März 2013 verkloppte Adebisi beim Sat.1-Promiboxen den Schauspieler Sebastian Deyle, ein Jahr später ging er für "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" ins Dschungelcamp, wo er allerdings nur den achten Platz belegte. 2015 verurteilte das Amtsgericht Düsseldorf Adebisi zu einer Geldstrafe, da er mehrfach ohne Führerschein und mit überhöhter Geschwindigkeit am Steuer erwischt worden war. Adebisis rückblickende Einschätzung seiner Zeit beim deutschen Musiksender: "Viva war mein Leben."
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Stefan Raab - der Allesmacher
Wer er war: Mit der Bewertung "Sehr gut" schloss Stefan Raab 1990 die Metzgerlehre im Betrieb seiner Eltern ab, er war bei der Gesellenprüfung Bezirksbester. Doch er ließ die Wurst hinter sich und produzierte stattdessen Werbejingles. Auch Viva bot er einige an. Die Leute beim Sender erkannten Talent - und stellten Raab als Moderator ein.
Ab Dezember 1993 führte er durch die Sendung "Vivasion": In trashiger Kulisse nahmen seine Gäste auf Kinderstühlen Platz, die Einspieler kamen per Knopfdruck, mit seiner Ukulele bewaffnet machte Raab Jagd auf Prominente, um sie mit seinen "Raabigrammen" zu verspotten. Es war die Vorstufe von "TV Total". Es war Kult. Die Jungen liebten Raab vor allem, weil die Älteren ihn verachteten. Während seiner Viva-Zeit entstanden unter anderem die Songs "Böörti Vogts", "Ein Bett im Kornfeld" und "Hier kommt die Maus".
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Wer er ist: Stefan Raab, das Multitalent. Ab 1999 moderierte er bei ProSieben "TV Total", über die Jahre entstanden unzählige Shows drumherum: Turmspringen, Stockcar-Rennen, Poker, Eisfußball, Autoball, Wok-WM und und und. Auch musikalisch machte Raab nach seinem Viva-Aus weiter. "Maschendrahtzaun" war einer der großen Hits, später krempelte Raab den Eurovision Song Contest um. Er schrieb "Guildo hat euch lieb", trat selbst mit "Wadde hadde dudde da?" an und entdeckte in seinen Castingshows Max Mutzke und Lena Meyer-Landrut. Ihr Album produzierte er 2011 in seinem Tonstudio - in der ehemaligen Metzgerei seiner Eltern.
Ab November 2012 machte Raab zudem in Politik: Er war Gastgeber der Sendung "Absolute Mehrheit", im Bundestagwahlkampf 2013 war er einer von vier Moderatoren des Kanzlerduells. Für seine Arbeit bekam Raab Dutzende Preise und wurde mehrfach verklagt. Ach ja, einen Duschkopf hat er auch entwickelt. Raab wurde zum mächtigsten Mann im deutschen Unterhaltungsfernsehen - bis er 2015 seine Karriere vor der Kamera beendete. Im Herbst 2018 will er nun in Köln wieder mit Talk, Gags und Musik auftreten, allerdings nur Live und ohne TV-Übertragung.
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Charlotte Roche - Königin der Körpersäfte
Wer sie war: Charlotte Grace Roche war eines der Aushängeschilder des Senders Viva Zwei. Ab 1998 moderierte sie dort die Sendung "Fast Forward", sie war frech, laut, schamlos. "Mein Herz erwärmt sich schnell, wenn es um blutige Tampons geht", war so eine typische Ansage. "Das ist eines meiner absoluten Lieblingsthemen. Im Ernst." Roche bekam für die Moderation und Präsentation von "Fast Forward" den Grimme-Preis. Im Ernst.
Viva Zwei wurde im Jahr 2002 eingestellt, Roches Sendung lief auf dem Hauptsender weiter, das Ende kam 2005. Roche weigerte sich, die letzten Folgen zu moderieren. "Ich fand es bekloppt, mich vor die Kamera zu stellen mit diesem wahnsinnigen Frust", sagte sie damals dem SPIEGEL. Von der geplanten Absetzung erfuhr sie eher beiläufig und spät am Telefon. "Keiner redet mit mir, so verhält man sich nicht."
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Wer sie ist: Nach dem Viva-Aus arbeitete Roche weiter als Moderatorin, unter anderem an der Seite von "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ("3 nach 9") und später gemeinsam mit Jan Böhmermann ("Roche & Böhmermann"). Mit dem Musiker Bela B. nahm Roche 2006 den Song "1. 2. 3." auf, im Video trägt sie Strapse und Nipple-Pads. Im selben Jahr kam in einer der Hauptrollen des Films "Eden" von Regisseur Michael Hofmann in die Kinos.
2008 erschien dann ihr erster Roman, "Feuchtgebiete", ein Bestseller, ein Skandal (und 2013 ein Kinofilm). Roche gilt seitdem endgültig als Expertin für Intimhygiene und den Austausch von Körperflüssigkeiten. 2011 folgte Roman Nummer zwei, "Schoßgebete". 2018 erhob Roche neben mehreren anderen Frauen Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen WDR-Filmchef Gebhard Henke. Der Sender trennte sich daraufhin von Henke.
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Enie van de Meiklokjes - gelangweilt bei Viva
Wer sie war: Sie war die mit den pinken Haaren: Im Sommer 1996 fing Enie van de Meiklokjes bei Viva an, sie war in den Sendungen "Was geht ab?" und "Neu bei Viva" zu sehen. Doch beim Musiksender gefiel es ihr nicht besonders. Ihr Traumberuf war Dekorateurin, das hatte sie gelernt. Die Arbeit bei Viva sei langweilig gewesen, sagte van de Meiklokjes 2000 im Interview mit SPIEGEL ONLINE. "Das hat mich nicht befriedigt. Nur Clips ansagen ist doof auf Dauer." Enie van de Meiklokjes ist übrigens ein Künstlername. Klingt irgendwie auch schicker als Doreen Grochowski.
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Wer sie ist: Ab 2000 moderierte Enie van de Meiklokjes zwar nicht mehr bei Viva. Dafür bei fast allen anderen Fernsehsendern: Im ZDF war sie für eine Kindersendung zuständig, bei Sat.1 für eine Morningshow, bei Arte für ein Frauenmagazin. Auf Vox gab van de Meiklokjes Renovierungstipps, zuletzt machte sie unter anderem auf sixx als Backfee von sich reden. Van de Meiklokjes macht alles? Stimmt. Als sie bei der Telekom unter Vertrag stand, färbte sie ihre Haare sogar im passenden Farbton und wurde zur wandelnden Magenta-Werbefläche. 2017 wurden die Moderatorin und ihr Mann, der dänische Musiker Tobias Stærbo, Eltern von Zwillingen.
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Aleksandra Bechtel - Blondine im Fernsehvollrausch
Wer sie war: Aleksandra Bechtel fing schon 1993 an, bei Viva zu moderieren, da war sie gerade Anfang 20. "Was geht ab?", "Interaktiv" und "Amica TV" waren ihre Sendungen. "Viva war ein riesiger Rausch von morgens bis abends: nichts ernst nehmen, dauernd kaputt lachen", sagt Bechtel heute über ihre Zeit bei dem Musiksender. Nach sechs Jahren war der Rausch für Bechtel vorbei.
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Wer sie ist: Nach ihrem Ausstieg bei Viva blieb Bechtel dem Job treu. Sie moderierte verschiedene "Big Brother"-Events, Hochzeitssendungen oder Hitparaden. Bis 2008 war sie zudem Mitinhaberin der Produktionsfirma Hasen TV. 2006 heiratete Bechtel, sie hat zwei Kinder.
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Oliver Pocher - Stimmungskanone und Schmidt-Opfer
Wer er war: Schon während seiner Ausbildung zum Versicherungskaufmann arbeitete Oliver Pocher nebenbei beim Radio und als DJ. 1999 durfte er eine Woche lang als Gast bei Viva moderieren und wurde anschließend fest angestellt. Ab 2002 hatte er seine eigene Sendung: "Alles Pocher, ... oder was?" Das Format erzählte "die ungeschminkte Wahrheit über alles, was wirklich interessiert: Sex, Boygroups, Sex mit Boygroups, gute Zeiten, aber auch schlechte Zeiten, erlaubte Liebe und verbotene Liebe, Pickel, Aufklärung, Charts, Videos und Comedy", hieß es auf der Internetseite der Produktionsfirma. Nebenbei war Pocher ab 2002 einer der vier Hauptdarsteller in der ARD-Vorabendserie "Sternenfänger".
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Wer er ist: 2003 bekam Pocher seine erste Sendung bei ProSieben, "Rent a Pocher", weitere Shows folgten. Zwei Jahre später ging der Comedian mit seinem ersten Live-Programm auf Tour, er absolvierte etwa 180 Auftritte. Im Film "Vollidiot" (2007) spielte Pocher seine erste Kinorolle, im selben Jahr wechselte er ins Öffentlich-Rechtliche. Die ARD paarte ihn ab 2007 mit Altmeister Harald Schmidt. Schnell wurde klar: Das war keine Liebe - und kein Spaß. Selbst nach dem Scheitern des Experiments zwei Jahre später bashten sich die Männer gegenseitig. Pocher war fortan unter anderem als Moderator bei Sat.1, RTL und Sky zu sehen. Im Juni 2017 trat Oliver Pocher als Kandidat der Reality-Show "Global Gladiators" auf ProSieben an - und belegte den ersten Platz.
Wegen teils derber Witze wurde Pocher immer wieder heftig kritisiert - und verklagt. Schmerzensgeld musste er zahlen, weil er einer Zuschauerin bei "Wetten, dass..?" eine Schönheitsoperation empfohlen hatte. Für Schlagzeilen sorgen auch die stets sehr hübschen, sehr blonden Frauen an Pochers Seite.
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Jessica Schwarz - Ex-"Girl des Jahres" und Hotelbesitzerin
Wer sie war: Jessica Schwarz war gerade 16 Jahre alt, als sie von den Lesern der "Bravo" zum "Girl des Jahres" gewählt wurde, sie arbeitete anschließend als Model. Dann kam Viva. Von 2000 bis 2003 war sie in "Film ab" und "Interaktiv" zu sehen. Damals posierte sie für die "FHM" und drehte ihren ersten größeren Film: "Nichts bereuen". Am Set lernte sie Daniel Brühl kennen, die beiden waren fünf Jahre lang ein Paar. Schon 2003 bekam Schwarz den Adolf-Grimme-Preis für den Film "Die Freunde der Freunde". Und wurde zur "Maxim Woman of the Year" gewählt.
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Wer sie ist: Inzwischen zählt Schwarz zu den gefragtesten deutschen Schauspielerinnen, sie hatte Auftritte in Filmen wie Tom Tykwers "Das Parfum" (2006) oder dem Romy-Schneider-Biopic "Romy" (2009). Seit 2017 steht sie neben Matthias Schweighöfer für die deutsche Amazon-Video-Serienproduktion "You Are Wanted" vor der Kamera. Gemeinsam mit ihrer Schwester betreibt Schwarz außerdem seit 2008 in ihrem Heimatort Michelstadt im Odenwald ein Hotel mit Café. "Zwei Schwestern, zwei Seelen, zwei Welten und letztendlich ein Weg", schreiben sie auf ihrer Homepage.
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Tobias Schlegl - Ein Lausbub' macht Ernst
Wer er war: Tobias Schlegl galt als das süße Schlitzohr von Viva, als Teenieschwarm. Er gewann 1995 ein Casting für den Job bei "Interaktiv" und blieb neun Jahre bei Viva. Mit "Schlegl, übernehmen Sie!" hatte er seine eigene Sendung. Der SPIEGEL attestierte ihm 2000 "Mut zu schlechtem Benehmen". Er bestrafe "jene Zuschauer, die sich ins Fernsehstudio mit modisch klobigen Schuhen, sogenannten Buffalos, wagen - indem er sie zwingt, die Monsterstiefel vor laufender Kamera auszuziehen, und sie dabei verhöhnt". 2002 war er kurz auf ProSieben zu sehen, ein Jahr später kehrte er zu Viva zurück und moderierte die Kochsendung "Das jüngste Gericht".
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Wer er ist: Schlegl hat es vom spaßigen Moderator zum seriösen geschafft. 2004 wurde er von Gerhard Schröder in den für die Bundesregierung tätigen Rat für Nachhaltige Entwicklung berufen, er blieb bis 2007. Außerdem moderierte und interviewte Schlegl für MTV und den NDR. Er arbeitete für 1Live und seit März 2012 beim ZDF-Magazin "Aspekte". Schlegl hat außerdem eine CD veröffentlicht ("Die Familie", 2004) und ein Buch geschrieben ("Zu spät - So zukunftsfähig sind wir jungen Deutschen", 2008). 2016 kündigte Tobias Schlegl seinen Rückzug vom Fernsehen an, um Notfallsanitäter zu werden - aus dem Wunsch, etwas gesellschaftlich Relevantes zu tun. Beim Radiosender N-JOY moderiert er zurzeit die Show "Song des Lebens".
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Matthias Opdenhövel - der sympathische Typ und die Schnellfickerschuhe
Wer er war: Matthias Opdenhövel hatte sein Abitur in der Tasche, seinen Grundwehrdienst absolviert, ein BWL-Studium abgebrochen und ein Volontariat bei einem Radiosender gemacht, bevor er 1994 bei Viva angestellt wurde. Er blieb drei Jahre als Redakteur und Moderator. Ein Jahr nach seinem Ausstieg veröffentliche Opdenhövel ein Buch über seine Erfahrungen: "Die Schnellfickerschuhe und andere Geschichten. Erlebnisse eines Viva-Moderators."
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Wer er ist: Das Ende bei Viva war für Opdenhövel ein Anfang. Nach Stationen bei RTL II, Sat.1 und Vox wurde er eine Art Privatmoderator für Stefan Raab: Opdenhövel führte mit sympathischer Lässigkeit durch die Wok-WM, das Turmspringen, die Stock Car Crash Challenge, die Autoball-EM und durch die "Schlag den Raab"-Sendungen. 2011 wechselte er dann zur ARD. Dort moderiert Opdenhövel die "Sportschau" und eigene Primetime-Shows. Von Viva zum preisgekrönten ARD-Moderator - das hat kaum einer geschafft.
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Niels Ruf - Rüpel mit spitzer Zunge
Wer er war: Tausende nahmen 1998 an dem Casting für den Moderatorenjob bei Viva Zwei teil. Großmaul Niels Ruf gewann. Seine Sendung "Kamikaze" wurde genauso umstritten wie kultig. Er riss Witze über Homosexuelle und Behinderte. Zu seinen Füßen räkelte sich stets eine attraktive Frau, das "Kamikätzchen". Sprechen durfte sie nicht, dafür aber Gummibärchen mit dem Mund auffangen. Dann und wann bestellte Ruf beim Kameramann Großaufnahmen ihrer Brüste. Ruf selbst nannte seine Show "Brachialentertainment", der SPIEGEL bezeichnete ihn 2000 als "Rüpel-Moderator". In dieser Zeit war Ruf mit Kollegin Anke Engelke zusammen.
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Wer er ist: 2002 bekam Ruf seine eigene Sendung bei RTL II, ab 2006 war er bei Sat.1 Comedy zu sehen. Er schrieb für die "Zeit", für "Maxim" und "Intro". 2007 übernahm Ruf die Hauptrolle in der Sitcom "Herzog", sie wurde bald wieder eingestellt. Ebenso erging es dem Moderator ein Jahr später mit seiner "Niels Ruf"-Show auf Sat.1.
"Mein Lebensbedarf an Schlagzeilen ist gedeckt", sagte Ruf 2008 dem SPIEGEL. 2016 geriet Ruf dennoch wieder in die Schlagzeilen - mit einem Tweet, in dem Ruf nach dem Tod des Sängers Roger Cicero scherzte: "2 roger cicero-tickets zum halben preis abzugeben". Sein Management trennte sich daraufhin von ihm, da es sich "nicht imstande" sehe, "Verantwortung für jegliches Handeln" ihres Klienten zu übernehmen.
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Klaas Heufer-Umlauf - von der Theaterbühne zu ProSieben
Wer er war: Klaas Heufer-Umlauf ist gelernter Friseur, er spielte am Oldenburgischen Staatstheater, arbeitete als Maskenbildner in Weimar - und kam 2004 zu Viva. Heufer-Umlauf moderierte unter anderem "Viva Live!" und "Klaas' Wochenshow". 2009 verließ er den Sender - und damit ging's erst richtig los.
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Wer er ist: Dem Musikfernsehen blieb Heufer-Umlauf zunächst treu, der Sender hieß jetzt allerdings MTV. Für die Show "MTV Home" wurde Heufer-Umlauf mit Joachim "Joko" Winterscheidt zusammengespannt, anschließend gab es die beiden lange nur noch im Doppelpack. 2011 gingen sie zum Spartenkanal ZDFneo und waren gelegentlich bei ProSieben zu sehen. Sie gelten als Hoffnung des deutschen Unterhaltungsfernsehens und waren zwischenzeitlich sogar als Nachfolger für Thomas Gottschalk bei "Wetten, dass..?" im Gespräch. Ihre Show "Circus Halligalli" gewann zahlreiche Auszeichnungen, darunter zweimal den Grimme-Preis. Nach starkem Rückgang der Einschaltquoten wurde die Sendung im Juni 2017 abgesetzt. Seit März 2018 moderiert Heufer-Umlauf die Talkshow "Late Night Berlin" auf ProSieben.
2013 wechselten sie dann komplett ins Privatfernsehen. Erst mit "Joko gegen Klaas", seit 2013 mit "Circus Halligalli". Das Prinzip ihrer Shows: Joko und Klaas machen sich nicht über arglose Mitmenschen lustig - sie machen sich gegenseitig fertig.
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Nilz Bokelberg - der Schlafschlumpf
Wer er war:Nilz Bokelberg kam schon als 17-Jähriger zu Viva und war vom Sendestart im Dezember 1993 an dabei, eine Art Schlafschlumpf des Musiksenders - meist sah er verpennt aus oder bekifft, wenn er auf Sendung war. MTV fand er viel cooler, Eurodance war für ihn schon immer Horrorsound. "Ich wollte einfach Chaos machen", so Bokelberg, und das tat er dann auch. Er war der Freak, der später darüber lachte, wie er sich damals seine Wollmütze ins Gesicht zog. Eine Band hatte er auch, sie hieß "Fritten und Bier" und veröffentlichte 1994 ein Album, das kein großer Erfolg wurde.
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Wer er ist: Fünf Jahre blieb Bokelberg bei Viva. Danach moderierte er für das Deutsche Sportfernsehen, begann ein Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, nahm an verschiedenen Promi-Events bei Vox teil und arbeitete als Radiomoderator. Bokelberg bloggt für den Weltfrieden, denn, so schreibt er: "Da jeder einen kleinen Teil dazu leisten kann, leiste ich mal diesen. Irgendwer muss ja anfangen."
2010 veröffentlichte er das Buch "Ich schmeiß alles hin und werd Prinzessin: Die schrägsten Gruppen aus Facebook, Lokalisten und StudiVZ." Wenn er sich heute Fotos oder Videos aus der Viva-Zeit ansehe, freue er sich, so Bokelberg: "War doch lustig!"
Maurizio/ face to face
Sarah Kuttner - die Gutschnäuzige
Wer sie war: Schule, Abi, Praktikum, erster Job. Die Karriere von Sarah Kuttner begann recht klassisch. 2001 kam sie dann zu Viva, moderierte unter anderem "Interaktiv" und "Sarah Kuttner - Die Show". Sie galt als die Laute, die Bunte, die Rotzige - ein Image, das sie selbst als falsch bezeichnete. Als Viva von der MTV-Mutter Viacom übernommen wurde, kam es zu Umstrukturierungen, Ärger, neuen Sendeplänen. Und Sarah Kuttner ging.
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Wer sie ist: Kuttner wechselte zunächst zu MTV, arbeitete später für die ARD, für Sat.1, 3sat und ZDFneo. Auf EinsPlus war außerdem "Ausflug mit Kuttner" zu sehen, das hieß: 30 Minuten, in denen sich Kuttner mal mit Lena Meyer-Landrut auf einem Bauernhof, mal mit Til Schweiger an einer Gokart-Bahn traf, um über Gott und die Welt zu plaudern. Frei Schnauze, klar.
Inzwischen schreibt Kuttner lieber Bücher, als vor der Kamera zu stehen. 2009 kam "Mängelexemplare" heraus, zwei Jahre später "Wachstumsschmerz". "Was ich mir in zehn Jahren TV-Gewerbe für einen Bullshit anhören musste, was mir Zucker in den Hintern geblasen wurde, und was ich hintenrum für Geschichten über andere Moderatoren gehört habe, Wahnsinn!", sagte Kuttner 2011 dem SPIEGEL. Seit 2017 bespricht Kuttner mit Medienblogger Stefan Niggemeier im Podcast "Das kleine Fernsehballett" aktuelle Fernsehsendungen.
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Annemarie Carpendale - Pop-Girlie wird Klatschtante
Wer sie war: Annemarie Warnkross (das "Carpendale" kam erst mit der Hochzeit im September 2013) begann in Köln ein BWL-Studium und wurde 2000 Mitglied des Pop-Trios "Bellini". Der einzige große Hit der Band, "Samba de Janeiro", lag da schon drei Jahre zurück.
Warnkross kam 2004 zu Viva, sie moderierte die Charts und als Nachfolgerin von Daisy Dee auch die Sendung "Club Rotation". Was sie selber gerne für Musik höre, beantwortete Warnkross im Viva-Steckbrief wie folgt: "Och, eigentlich höre ich gerne Radio."
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Wer sie ist: Inzwischen ist Annemarie Carpendale die Klatsch-Beauftragte von ProSieben. Seit 2005 moderiert sie "taff", drei Jahre später kam noch "red!" hinzu, Carpendale berichtet zudem von roten Teppichen und "Germany's Next Topmodel". Nach einer Beziehung mit Oliver Pocher heiratete sie 2013 Wayne Carpendale, Sohn des Schlagersängers Howard Carpendale. Seit 2016 moderiert sie auf ProSieben die Dating-Show "Kiss Bang Love".
Wie die Dinge waren
Meine pubertäre Abgrenzung zu meinen Freundinnen bestand darin, dass ich Teeniepop eigentlich scheiße fand, aber "Interaktiv" unbedingt gesehen werden musste. Minh-Khai, Nils, Mola, Tobi und vor allem Heike navigierten uns sicher durch die unübersichtliche Welt der frühen Neunziger. Heike sagte, wie Dinge waren. Heike nahm weder sich zu ernst, noch uns. Als Robbie Williams Take That verließ, riet Harald Schmidt schmutzig grinsend: "Von oben nach unten schneiden, liebe Mädels, nicht quer". Heike hingegen hörte sich ruhig an, was die in Tränen aufgelösten Anruferinnen zu sagen hatten, um dann freundlich, aber bestimmt zu sagen: "Hör mal, natürlich hast du Grund, traurig zu sein. Ich hab damals geweint, als John Lennon erschossen wurde. Aber der ist GESTORBEN." Einmal kurz gespiegelt bekommen: "Ja, du trägst gerade das Leid der Welt auf deinen Schultern. Aber..." Wie gut das tat. Ayla Mayer
Video: Stefan Raab im Interview