Digitalpakt Schule Verhärtete Fronten und viel, viel Geld
Heute treffen sich Bund- und Länderpolitiker im Vermittlungsausschuss, es geht um Milliarden für die Digitalisierung von Schulen - vordergründig. Eigentlicher Streitpunkt: Wer darf wem was in der Bildungspolitik sagen?
Wenn am frühen Mittwochabend, gegen 18 Uhr, Politiker von Bund und Ländern in Saal 1.128 im Bundesratsgebäude zusammenkommen, wird die Stimmung wohl knapp über dem Gefrierpunkt liegen. Auf dem Programm steht eine Sitzung des Vermittlungsausschusses, zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode.
Verhandelt wird über eine geplante Änderung des Grundgesetzes. Sie soll es dem Bund ermöglichen, direkt in Schulpolitik zu investieren. Bisher war das wegen des sogenannten Kooperationsverbots nur in ganz wenigen Ausnahmefällen möglich. Die Änderung der Grundgesetzartikel 104c und 104d sollte aus der Ausnahme gängige Praxis machen und eine regelmäßige Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Schulpolitik erlauben.
Der Digitalpakt Schule, mindestens 5,5 Milliarden Euro schwer, wäre die erste in einer langen Reihe von gemeinsamen Investitionen gewesen - so hatten es sich die Vertreter des Bundestags gewünscht. Die Bundesländer sahen darin einen gravierenden Eingriff in ihre Kulturhoheit. Nach der Gesetzvorlage dürfte der Bund zukünftig nämlich nicht nur Geld bereitstellen, sondern auch inhaltlich in der Bildungspolitik mitbestimmen - für einige Länderchefs war damit eine rote Linie überschritten.
Ursprünglich sollten im Januar 2019 bereits die ersten Digitalpakt-Gelder fließen. Doch nachdem die Länder im Bundesrat Mitte Dezember ihre Zustimmung verweigerten, liegt das Projekt auf Eis. Der Vermittlungsausschuss soll nun eine Lösung für diese verfahrene Situation aushandeln.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Digitalpakt im Überblick:
Was passiert im Vermittlungsausschuss?
Im Vermittlungsausschuss treffen 16 Bundestagsabgeordnete auf 16 Vertreter der Länder, in den meisten Fällen werden die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten selbst am Tisch sitzen. Welche Bundestagsfraktion wie viele Teilnehmer schickt, richtet sich grob nach der Sitzverteilung: Für die Union verhandeln sechs Abgeordnete, die SPD entsendet drei, FDP, AfD und Linke je zwei. Für die Grünen ist eine Vertreterin dabei. Zuletzt tagte das Gremium im April 2017, damals ging es um Leistungen für Asylbewerber.
In der ersten Sitzung bestimmen die Teilnehmer die Vorsitzenden. Es gilt als wahrscheinlich, dass der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) diese Aufgabe übernehmen wird. Dann benennen die Teilnehmer eine Arbeitsgruppe mit Fachpolitikern, in diesem Fall wohl überwiegend aus dem Bildungs- und Finanzbereich, die die inhaltlichen Verhandlungen führen.
Was in der Arbeitsgruppe besprochen wird, ist zunächst vertraulich. Interessanter wird aber vermutlich ohnehin, wer mit wem außerhalb der regulären Sitzungen verhandelt. Bei sogenannten Side Events finden sich kleinere Gruppen inoffiziell zusammen, auf den Fluren, in Nebenräumen oder auch am Telefon. Es ist das eigentliche Ringen und Feilschen um Kompromisse.
Wie ist die Ausgangslage?
2016 schon hatte die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) angekündigt, Milliarden in die Digitalisierung von Schulen stecken zu wollen. Nun soll eine Änderung des Grundgesetzes neben dem Digitalpakt in Zukunft auch weitere Finanzhilfen des Bundes in Bildungspolitik ermöglichen. Dafür ist allerdings eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig, weshalb die Große Koalition zunächst in Verhandlungen mit den Grünen und der FDP eine Gesetzesvorlage aushandelte.
Ende November stimmten im Bundestag alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD der Gesetzesvorlage zu. Die Länder hätten das Papier im Bundesrat am 14. Dezember absegnen sollen - doch sie stimmten dagegen. Was war passiert?
Im Zuge der Verhandlungen waren Passagen in den Entwurf gelangt, die einigen Ländervertretern sauer aufstießen: Die Länder sollten Gemeinschaftsprojekte zukünftig zur Hälfte mitfinanzieren, stand unter anderem darin - davon sei zuvor nie die Rede gewesen, empörten sich einige Landespolitiker.
Die FDP bestand aber darauf, das Geld an "Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungswesens" zu knüpfen - heißt: Der Bund hätte nun viel stärker auch inhaltlich mitbestimmen dürfen. Die Oppositionsparteien wollten neben Laptops und Internetanschlüssen auch Personal und Weiterbildungen für Lehrkräfte finanzieren, in den Augen mancher Ministerpräsidenten ein unzumutbarer Eingriff. In einem Zeitungsartikel wehrten sich fünf Länderchefs gegen die vermeintlich geplante "Einheitsschulpolitik aus Berlin".
Wer will was?
Ganz grob gesagt verläuft die Konfliktlinie zwischen den Bundestagsfraktionen auf der einen und den Ländern auf der anderen Seite - unabhängig von Parteilinien. So hat sich etwa die Bundestagsfraktion der Grünen im engen Schulterschluss mit der FDP von Anfang an für eine umfassende Grundgesetzänderung stark gemacht. Gleichzeitig führte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (ebenfalls Grüne) den Widerstand gegen das Vorhaben an. In einem Interview bezeichnete Kretschmann die Grundgesetzänderung als "Frontalangriff auf die föderale Struktur".
Kretschmann und seine Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) wollten den Digitalpakt Schule ohnehin ganz ohne eine Änderung des Grundgesetzes beschließen. Spätere weitere Investitionen sollten getrennt davon verhandelt werden. Diese Option ist auch jetzt noch möglich, sie bildet das eine Extrem der Verhandlungspositionen.
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Die Bundestagsfraktionen von FDP und Grünen fordern dagegen in seltener Einigkeit, die geplante Gesetzesänderung in der jetzigen Form zu verabschieden, sie sei ein "Türöffner für weitere Kooperationen", sagt die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding.
Die Liberalen liebäugeln außerdem schon mit weiteren gemeinschaftlichen Bund-Länder-Initiativen, die durch die Änderung des Grundgesetzes möglich wären: Eine MINT-Offensive könne sie sich gut vorstellen, genauso wie eine Art Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung, sagt Suding.
Wie lange werden die Verhandlungen voraussichtlich dauern?
In diesem Punkt - immerhin - sind sich alle einig: Eine möglichst schnelle Lösung soll her. Schließlich haben viele Schulen das Geld aus dem Digitalpakt bereits fest eingeplant. Am konkretesten äußerte sich Marco Buschmann, der als Parlamentarischer Geschäftsführer für die FDP-Bundestagsfraktion an den Gesprächen teilnehmen wird: "Wir sollten im Laufe des Februars einen Kompromiss ausgehandelt haben."