Linux für Einsteiger Elementary, die Schönheitskönigin
Wenn Apple ein Linux entwickeln würde, dann sähe es wohl so aus wie Elementary: Die Arbeitsoberfläche ist Apples Ästhetik und Philosophie nachempfunden. Aber kann Elementary auch etwas?
Würde man jemandem einen Rechner zeigen, auf dem Elementary läuft und ihn fragen, was das sei, könnte man auf zwei Dinge jede Wette abschließen: Erstens würde so gut wie niemand auf Linux tippen und zweitens wohl die meisten stattdessen auf Apple. Elementary ist ein wahrer Doppelgänger des Apple-Betriebssystems OS X, das mittlerweile macOS heißt.
Ein Zwilling ist Elementary allerdings nicht, allenfalls ein entfernter Cousin. Viele moderne Linux-Systeme, die sich an eine ganz normale Nutzerschaft wenden, versuchen durch optische Annäherungen und Anpassungen in der Bedienung, bisherigen Anwendern anderer Systeme den Umstieg und die Nutzung zu erleichtern. Fast alle orientieren sich heute an einem "Look & Feel", der Windows-Nutzern eine vertraute Arbeitsumgebung bieten soll. Elementary orientiert sich an Apple.
Wieviel Apple ist in Elementary?
Apples Betriebssystem OS X und Linux sind Verwandte: Beide sind "Derivate", also "Ableitungen" des Betriebssystems Unix. Der Zeitpunkt dieser Abspaltung liegt bei Apple allerdings 20, bei Linux mehr als 25 Jahre zurück.
OS X und Linux hatten also salopp gesagt einen gemeinsamen Vorfahren. Der Vergleich passt, denn er signalisiert, dass sie sich auch gehörig voneinander unterscheiden.
Was also ist "Apple-haft" an Elementary? Definitiv das Aussehen: Von der Navigationsleiste am Seitenfuß bis zur Gestaltung aller Rahmen und Schriften sieht alles ganz schön verapplet aus.
Auch Details in der Bedienung sind Apple entlehnt. Funktionen und Programme ruft man beispielsweise nicht per Doppel-, sondern mit einfachem Klick auf. Wie bei Apple kann man die Ecken des Bildschirms als "Hot Corners" definieren. Zeigt man mit dem Mauszeiger für eine definierte Zeit darauf, ruft das Funktionen auf, die der Nutzer bestimmt hat - chic!
Doch die Programme und Anwendungen, die Elementary bereitstellt, sind natürlich ausgewählte Linux-Tools. Und die ähneln Apple-Programmen nicht nur optisch. Sie folgen dem Usability-Champion Apple auch in anderer Hinsicht: Alles auf Elementary ist darauf abgestellt, so übersichtlich und einfach wie nur möglich zu sein.
Wie Linux ist Elementary?
Anstelle des Linux-typischen Überangebots an Software setzt Elementary auf ausgesuchte, vorinstallierte Werkzeuge. Die Auswahl gehorcht dem Prinzip, dass sie auch optisch zu Elementary passen muss - Form ist hier wichtiger als Funktion, alles soll eben aus einem Guss sein. Das macht das Angebot sehr knapp, aber auch klar und übersichtlich, wenn man es positiv sagen will.
Negativ könnte man das als Übermut zur Lücke tadeln. Eine Office-Suite fehlt beispielsweise völlig, das mitgelieferte Schreibprogramm ist weitgehend nutzlos. Die Entwickler verweisen auf Google Docs oder beispielsweise LibreOffice, das man aus dem Linux-typischen App-Store heraus installieren kann. Das kann dann wieder alles, hat aber den Apple-ähnlichen Elementary-Chic nicht zu bieten.
Sehr streng wurden die Ordnungs-Prinzipien auch auf den Desktop angewendet. Der ist nicht "aktiv", kann also nicht als Dateiablage oder für Software-Verknüpfungen genutzt werden. Oft genutzte Programme soll man stattdessen in der unteren Navi-Leiste fixieren. Der Grundbildschirm bleibt dadurch aufgeräumt. Weitere Dateien und Programme finden sich oben links per Klick auf "Anwendungen".
Die Grundlage von Elementary ist Ubuntu, derzeit in der Programmversion 16.04 - ein gutes, stabiles System. Elementary stellt dessen Möglichkeiten allerdings nur in Teilen zur Verfügung. Konsequent auf Klarheit und Verknappung gebürstet, ist das System deutlich weniger flexibel. Das ist völlig untypisch für Linux und ähnelt auch in dieser Hinsicht der proprietären Welt von Apple: Wenn man sich darauf einlässt, wird auch erwartet, dass man sich innerhalb seiner Grenzen bewegt.
Natürlich kann man das mit ein wenig Linux-Kenntnis ändern. Nicht vorgesehene Programme lassen sich über Kommandozeile und Terminal installieren, zahlreiche Einstellungen auf diesem Wege ändern. Dann bleibt am Ende dieses "Rückbaus" aber nicht mehr als ein alternativer, Apple-hafter Desktop für Ubuntu.
Für wen ist Elementary gut?
Elementary verbindet ein ungewöhnlich elegantes Nutzer-Interface mit der Stabilität von Ubuntu. Die Reduktion kommt Nutzern entgegen, die gar keine Lust haben, sich mit den Details eines Betriebssystems auseinanderzusetzen.
Ihnen werden fast alle Standardanwendungen des PC-Alltags geboten. Internet, Mail, Foto, Video - alles ist installiert, leicht zu bedienen, leistungsfähig und kaum kaputtzukriegen.
Wer nicht mehr erwartet, wird damit also glücklich. Mehr als das: Der hohe Sicherheitsstandard im Verbund mit automatisierten Updates stellt sicher, dass man sich um kaum etwas kümmern muss. Das alles macht Elementary zu einem DAU-kompatiblen System. Es ist ein ideales Linux für Nutzer, die im Rechner nur ein schickes Werkzeug sehen, um damit im Internet zu surfen, Fotos und Videos anzusehen.
Im direkten Vergleich zu den Systemen, denen es "entlehnt" ist, fällt Elementary allerdings ab: Sowohl als Apple-Ersatz, als auch als Linux-System ist es vor allem eine sehr, sehr schicke Sparversion.
Systemanforderungen und Daten
- 64-bit-Prozessor (empfohlen Intel i3 oder vergleichbar)
- 1 GB Arbeitsspeicher
- 15 GB Platz auf der Festplatte
- installierbar anstelle oder neben einem Windows-System
- deutsche Sprachversion
- kostenlos, Spende willkommen
Installation
- Download ISO-Image (1,5 GB): Mit Brennprogramm auf DVD. Anschließend Boot per DVD: Erst als Live-System testen, dann installieren.
- Alternativ: ISO-Image auf USB-Stick (Anleitung hier).