Senioren online "Tablet-Halterungen für Rollatoren wären gut"
Der pensionierte Ingenieur Erich Kölling testet ein Tablet. Der 80-Jährige wischt, tippt, und als die ersten Fremdel-Hürden überwunden sind, wird das Gerät sein ständiger Begleiter. Hier erzählt er, wie man die Hardware optimieren könnte.
Tablet-PC mit Mobilfunkmodul sind leicht, immer online, und man muss wenig konfigurieren - das könnten gute Computer für Senioren sein. Wie gut Tablets sich im Alltag machen, lässt die Stiftung Digitale Chancen Bewohner in einem Bremer Zentrum für betreutes Wohnen testen. Einer der Tester ist Erich Kölling, 80. Der pensionierte Ingenieur spielt mit seinen Enkeln auf dem Tablet und benutzt es unterwegs als Navigationshilfe. Das Protokoll:
"Mein erster PC war der C64. Damit habe ich angefangen. Und ohne Computer wäre das schon komisch. Hier bei mir zu Hause arbeite ich mit meinem Mac. Allerdings stört mich daran, dass ich immer zu dem Ding hinlaufen muss. Es ist viel besser, etwas zu haben, das ich mitnehmen kann, habe ich gedacht. Beispielsweise auf Reisen oder im Auto. Und dann kam das Projekt hier bei uns im "Haus im Viertel". Die wollen, dass jede Altersgruppe am Internet teilhaben kann. Und sie haben an alle Interessierten für ein Jahr kostenlos Tablets verteilt.
Jetzt ist das Tablet mein ständiger Begleiter. Egal ob ich zu Hause bin, irgendwo hingehe oder mit dem Auto fahre. Außerdem nutze ich es für die Deutsche Bahn. Ich habe mich schon so oft über die Bundesbahn geärgert. Früher am Bahnhof hat mir häufig die Übersicht über die Verbindungen gefehlt. Mit der Bahn App ist das viel besser. Da hat man immer alles im Blick. Auch die Verspätungen. Es ist aber auch sonst praktisch, immer online zu sein. Über die Kicker-App sehe ich die Fußballergebnisse, mit meinen Enkeln spiele ich "Talking Tom Cat" oder so ein Spiel mit einem Papageien. Das finden die furchtbar interessant und witzig, wenn sich der Papagei schlecht benimmt. Nachmittags beim Rätselraten ist das Tablet aber auch nicht mehr wegzudenken. Da reicht mein dickes Lexikon oft nicht aus, und ich frage Google.
Anfangs gab es natürlich auch Hürden. Das ist selbst bei mir als Ingenieur so. Da steht man davor und weiß nicht, was man machen muss und was das überhaupt soll. Dann wischt man hier, dann da, dann kommt nichts. An diese neuen Bewegungen muss man sich erst gewöhnen. Nach einiger Zeit wusste ich, dass ich hier wischen und dann darüber "tuppen" muss. Und seitdem klappt es. Das einzige, was nicht hinhaut, ist das eingebaute Telefon. Mit dem Ding zu telefonieren, ist eigentlich unmöglich. Da nehme ich lieber gleich das Festnetz oder das Handy. Das Tab ist zu groß und qualitätsmäßig sehr schlecht.
"Die Damen von der Navigation sprechen nicht Bremisch"
Die Navigation habe ich auch direkt ausprobiert. Ich wollte zu meinem Elternhaus in der Adlerstraße. Ich habe die Adresse eingegeben und bin dann quer durchs Viertel hier. Da ist das Gerät nicht so toll, muss ich sagen. Und zwar vor allem deswegen, weil die Damen, die da reden, nicht Bremisch sprechen. Man versteht nicht, was die da sagen. Wenn die "Auf den Häfen" sagen sollten, dann sagen die so was wie "Auf dem Hafen". Verstehen Sie das mal! Klar, ich könnte zusätzlich auf dem Display lesen. Aber ich stecke das Tablet normalerweise in meine Hemdtasche, stöpsele die Ohrhörer rein und laufe los. Da will ich nicht immer mit dem Display rumhantieren.
Ich habe das auch mal im Auto benutzt, da war ich auf dem Weg nach Delmenhorst. Ein fürchterliches Stadtgebiet, weil es so nah an Bremen ist und weil es von hier aus mindestens sechs Möglichkeiten zu dem Ziel gab, das ich da angesteuert habe. Schrecklich. Letztendlich habe ich es auf der Rückfahrt gemacht, wie die Dame sagte. Da bin ich ganz durch die Walachei gefahren, übers Land zwischen Bremen und Delmenhorst. Ich kam in Huchting raus. Das Tablet hat mich hingebracht. Aber das war ein Weg, den würde ich selbst nie fahren. Es macht Spaß, aber es wäre besser, wenn man zusätzlich noch eine Landkarte dabei hätte.
Und eine Halterung ist sinnvoll. Dann ist das Tab auch so ausgerichtet, dass man drauf schauen kann. Da muss ich mir mal was besorgen. Denn ich fahre immer zu Square-Dance-Treffen, und da bin ich viel unterwegs. Generell sollte man das Zubehör vielleicht mehr auf alte Leute zuschneiden. Ich könnte mir beispielsweise auch vorstellen, dass es Halterungen für Rollatoren gibt. Für alte Leute, die nicht ganz so weit müssen, aber trotzdem manchmal Orientierung brauchen. Warum eigentlich nicht?
"Oft reicht die öffentliche Präsenz mit dem Tablet schon aus"
Ich habe das Tablet auch mal benutzt, um jemanden hier in der Straße zu fotografieren. Der steht mit den Autos seines Betriebs ständig mitten auf dem Gehweg. Und unsere Damen aus dem Haus kommen mit dem Rollator dann nicht mehr durch. Müssen auf die Straße und um dieses blöde Auto rum. Ich habe also die Kamera genommen und hab mich da hingestellt und die Autos des Betriebs mehrfach öffentlich aufgenommen. Das hat was genutzt. Seitdem stehen die hier nicht mehr. Eigentlich wollte ich dem einen Brief zu schicken, um mich zu beschweren, aber sich einfach dort öffentlich mit dem Tablet zu zeigen und dann aufzunehmen, das reicht scheinbar auch.
Dasselbe habe ich auch schon einmal in unserer Tiefgarage gemacht. Wir haben dort sehr enge Parkplätze. Eine Dame parkt immer eine halbe Breite auf meinem Parkplatz, weil sie so schlecht um die Ecke kommt. Das habe ich auch aufgenommen, ihr einen Zettel mit Bild an die Windschutzscheibe gemacht und sie gefragt, ob sie davon ausgehe, gut zu parken. Und da hat sie mir zurückgeschrieben - nein, sie schäme sich auch. Das waren jetzt mal praktische Anwendungen für diese Kamera. So ein Tablet wirkt schon.
"Das ist eben das Gefährliche bei Google - man denkt nicht mehr selbst nach"
Das Arbeiten mit Google ist schon gefährlich. Ich wollte neulich mal etwas nachschauen, was mich schon lange umgetrieben hat. Aus Goethes "Faust" gibt es ja folgendes Zitat: "Mein schönes Fräulein darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?" Schon lange habe ich mich gefragt, was heißt in dem Kontext "Fräulein" und was heißt "schön"? Und über Google habe ich herausgefunden, dass in diesen Zeilen vielleicht eine Prostituierte beschrieben wird.
Das, was Goethe da andeutet, hat so ein bisschen negative Tendenzen. Da hätte ich mit viel Nachdenken aber auch selbst drauf kommen können. Das ist eben das Gefährliche bei Google - man denkt nicht mehr selbst nach. Das ist nicht selbst erarbeitet, das hat Google geliefert. Davor hat jetzt auch ein Fachpsychologe in einer Talkshow gewarnt - wir sollten bitte aufpassen, bei den Kindern, aber auch bei uns selbst, dass Google uns nicht verblödet.
Er hat schon recht. Auch Social Media ist so eine Sache. Also, ich halte es für ziemlich riskant und verrückt, was da so getrieben wird. Was soll das, dass Leute da rein schreiben, was sie so treiben? Zum Beispiel, dass sie einen Kaffee trinken. In Afrika werden jeden Tag Hunderte, Tausende Menschen umgebracht, und wir haben nichts besseres zu tun, als uns über so einen Quatsch zu unterhalten! Ich sehe das irgendwie nicht ein, dass solche Sachen so wichtig sind, wo es doch so viele ernsthafte Probleme auf der Welt gibt. Ich finde meine Tanzerei so toll, und da sind so nette Leute, dass ich damit voll zufrieden bin. Da brauch ich kein Facebook. Auch Xing nutze ich nicht. Meine privaten Kontakte beschränken sich auf meine Familie und auf meine Tanzclubs. Und auf das Haus hier.
"Ich müsste mal meine Dateien aufräumen"
Eigentlich bin ich erfahren und ein alter Bastler. Aber manchmal schäme ich mich trotzdem, wie wenig ich im Hinblick auf Computer weiß. Ich müsste beispielsweise mal meine Dateien aufräumen. Speicherplatz freigeben. Aber das ist schon echt komplex.
Grundsätzlich könnte ich mir aber vorstellen, mich hier einzubringen. Das Tablet hier so zu gestalten, dass es überall Empfang hat, dass es jeder benutzen kann. Das wäre schon ganz schön. Da gibt es sicherlich die ein oder andere Sache, die man noch verändern könnte. Mehr brauche ich als 80-Jähriger aber auch nicht. Es ist schon wunderschön, ein Tab zu haben. Trotz der Skepsis in machen Bereichen - es ist ein toller Begleiter."
Aufgezeichnet von Alexandra Tapprogge