"Mittelerde: Schatten des Krieges" im Test Schlachten mit alten Bekannten
Orks, Elben, Ringe: "Mittelerde: Schatten des Krieges" setzt Tolkiens Welt so packend in Szene wie der Vorgänger. Das Actionspiel schafft es aber, sich durch Bezahlinhalte selbst ein Bein zu stellen.
"Mittelerde: Schatten von Mordor" war vor drei Jahren eine große Überraschung. Endlich gab es ein Spiel, das in J.R.R. Tolkiens Mittelerde beheimatet und richtig gut war. Das lag wohl auch daran, dass das zu Warner Bros. gehörende Studio Monolith von einem ebenfalls zum Konzern gehörenden Spiel gelernt hatte, von "Batman: Arkham Asylum". Wie bei jenem Erfolg haben die Entwickler nicht einfach einen Film in ein Computerspiel übersetzt, sondern eine eigene Geschichte erdacht. Weil sie nicht an einen Kinostart gebunden waren, hatten sie mehr Muße für die Entwicklung des Spiels.
Die optische Vorlage zu "Mittelerde" liefern allerdings Peter Jacksons Filme, was imposante Kulissen zulässt. Spielerisch haben sich die Entwickler zudem sehr von der "Assassin's Creed"-Reihe inspirieren lassen, was prinzipiell keine schlechte Idee ist.
Das neue "Mittelerde: Schatten des Krieges" setzt jetzt das fort, was im Vorgänger begonnen wurde: Angesiedelt irgendwo zwischen "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe", erfindet das Spiel einen Ranger namens Talion, der sich seinen Körper mit dem Elbenschmied Celebrimbor teilt. Dieser hat die Ringe der Macht für den dunklen Herrscher Sauron geschmiedet. In "Schatten des Krieges" ist er ein Geist, der Talion übernatürliche Kräfte gibt.
Gemeinsam versuchen sie, die langsam erwachende Kraft Saurons zurückzudrängen, Lager und Festungen von Orks zu erobern und dem Feind möglichst viel Land wegzunehmen. Das geschieht durch einfache Kämpfe mit Orks, durch gezieltes Ausschalten von Hauptmännern und Generälen, sowie schließlich durchs Erobern von Festungen.
Langsam vorarbeiten
Diese Kämpfe und ihre Vorbereitung sind das, was "Schatten des Krieges" unwiderstehlich macht: Man sammelt getarnt Informationen über die Gegner, versucht, Schwachstellen ausfindig zu machen und fasst dann einen Plan, mit dem man in den Kampf geht. Das ist jedes Mal neu und anders, kein Gegner gleicht dem anderen.
Mal kann ein Hauptmann nur aus der Ferne besiegt werden, mal nur durch einen gezielten Schleichangriff. Mal ist seine Schwäche Feuer, mal ist es seine Stärke. Im direkten Kampf geht es um gezieltes Treten, Schlagen und Schießen. Je besser der Rhythmus, desto höher die Combo-Werte, desto stärker der Angriff. Selbst nicht so erfahrene Spieler dürften die richtigen Kombinationen bald beherrschen.
Die Geschichte tritt bald in den Hintergrund, auch weil sie wie eine aufgeblasene Sammlung von Versatzstücken aus "Der Herr der Ringe" wirkt. Viele Storywendungen sind zumindest für Kenner von Buch oder Film nicht gerade überraschend. Talion selbst bleibt blass, auch weil er wie eine Mischung aus Aragorn und Boromir aussieht, bei der am Computer etwas verrutscht ist.
Ein simples, effektives System
Das Gute daran: Die eigene Geschichte wird viel wichtiger. Unterstützt wird das durch ein recht simples, aber effektives System, das sich Nemesis nennt. Im Grunde bedeutet das erst mal, dass die Gegner nicht nur ein Gesicht und einen Namen bekommen, sondern auch eine Erinnerung. Jeder Ork-Hauptmann hat seinen eigenen Charakter und wer ihm im Kampf begegnet, erfährt zuerst, mit wem er es zu tun hat.
Weil nicht jeder Kampf mit dem Tod einer Figur endet, kann man den Orks öfter begegnen. Man kann sich so für eine erlittene Schmach rächen und baut so fast eine persönliche Beziehung zu ihnen auf. Das ist ein gutes Mittel, um dem Spiel eine ganz eigene Note zu geben. Das war schon im Vorgänger so, hier geht es noch tiefer.
Ein schwieriger Einstieg
Wer den Vorgänger nicht kennt, wird in den ersten Stunden heillos überfordert sein. Im Minutentakt wird man mit Informationen gefüttert, werden Aufgaben gegeben, wird erklärt, wie man wo was am besten machen kann, wie man Gegenstände verbessert, neue Fähigkeiten erlernt und wo man etwas über die Hintergründe der Geschichte findet.
Hat man die ersten Stunden überstanden und sich gerade eingefunden, wird ein weiteres Element eingeführt: die eigenen Armeen, mit denen man Festungen erobern kann. Auch damit muss man sich weitere Zeit auseinandersetzen, bis es wirklich Spaß macht. Immer wieder überkommt einen hier das Gefühl, dass weniger mehr gewesen wäre.
Boxen, die es besser nicht gegeben hätte
Wirklich problematisch wird "Schatten des Krieges" später. Dann wird nämlich ein weiterer Modus eingeführt, der für manchen Käufer ein Spielelement wichtig machen könnte, das sich bis dahin problemlos ignorieren ließ: die sogenannten Lootboxen, Kisten voll mit zufälligen Ausrüstungsgegenständen und anderen hilfreichen Dingen, die man auf Wunsch durch Bezahlung bekommt.
Sicher ist es jedem selbst überlassen, solche Boxen zu kaufen oder nicht. Aber wenn man das Gefühl hat, dass ein weiteres Spielende - die Entwickler nennen es Bonus-Ende - darauf abzielen könnte, dass Spieler zusätzliches Geld ausgeben, stößt das doch eher sauer auf. Entweder erledigt man nämlich, wie manche Spielemagazine schätzen, Dutzende Stunden sich wiederholende Aufgaben oder man versucht, diese Zeit abzukürzen, indem man in der Aussicht auf schnelleren Fortschritt Geld investiert.
Durch die Lootboxen wird ein wirklich gutes, langes und engagiertes Spiel in ein sehr schlechtes Licht gerückt. Und das ist hier extrem schade.
"Mittelerde: Schatten des Krieges" von Warner Bros. für PC, Xbox One und Playstation 4, ab 55 Euro; USK: Ab 16 Jahren
Vorabversionen oder Geräte aus Vorserienproduktionen testen wir nur in Sonderfällen. In der Regel warten wir ab, bis wir Testgeräte oder Spielversionen bekommen können, die mit den Verkaufsversionen identisch sind. In einigen Fällen kaufen wir Produkte auch auf eigene Kosten selbst, wenn sie bereits im Handel oder online verfügbar sind.
Veranstaltungen, zu denen wir auf eigene Kosten reisen, sind unter anderem die Messen Ifa, CES, E3 und Gamescom sowie Events von Firmen wie Apple, Google, Microsoft oder Nintendo. Auf Konferenzen wie dem Chaos Communication Congress oder der re:publica bekommen wir in der Regel, wie auch andere Pressevertreter, kostenlose Pressetickets, da wir über die Konferenz berichten und keine klassischen Teilnehmer sind.