Nintendo Labo im Test Knicken, stecken, spielen
Im Wohnzimmer angeln, per Klaviatur Musik machen, Autos fernsteuern: All das ermöglicht das Spielsystem Labo. Es kombiniert Nintendos Konsole Switch mit Pappbögen zum Basteln. Lohnt sich der Kauf?
Ein Stapel Pappbögen: Das ist das Erste, was man in der Hand hat, wenn man das Multi-Set aus Nintendos neuer Reihe "Labo" öffnet. Aus den Bögen können eine Angel, Autos, ein Motorradlenker und ein Mini-Klavier entstehen. Sie werden dafür mit verschiedenen Teilen von Nintendos Konsole Switch kombiniert und sind dann voll funktionsfähige, interaktive Modelle, die per Software zum Leben erweckt werden.
"Labo" ist eine auf den ersten Blick merkwürdige Idee: Mitten im Rennen um die fortschrittlichste Technik bei Videospielen, um Virtual und Augmented Reality, um möglichst realistische Grafik und um viele Spieler auf Servern wirft Nintendo Pappmodelle auf den Markt. Und die soll man auch noch selbst zusammenbauen. Eine Zumutung eigentlich. Doch schon nach kurzer Zeit entpuppt sich "Labo" als gute Idee.
Am Anfang ist ein wenig Mühe nötig. Selbst für die einfachsten Modelle - kleine ferngesteuerte Autos, die als Riesenkrabben, Mini-Elefanten oder Bagger verkleidet werden können - braucht man eine gute halbe Stunde, für größere kann man auch einen Nachmittag einplanen. Vorsichtig müssen vorgestanzte Teile aus den Bögen gelöst, sorgfältig geknickt und zusammengesteckt werden. Klebstoff wird nicht benötigt.
Jeder kann es schaffen
Kompliziert ist das nicht, die Anleitung, die auf dem Bildschirm der Switch abgespielt wird, ist sehr detailliert, manchmal sogar etwas zu sehr. Begabtere Bastler sollten das aber verkraften, schließlich ist so garantiert, dass es wirklich jeder schaffen kann.
Problematisch wird es, wenn man unvorsichtigerweise zwei Kindern verspricht, mit ihnen Modelle zu bauen. Welches darf zuerst gebaut werden, wie wechselt man sich ab, wer darf dann zuerst angeln? Fragen, die schon bei normalen Spielen wichtig sind, werden hier noch wichtiger. Das Basteln macht schließlich Spaß, und man kann jedes Modell nur einmal bauen.
Die Modelle geben entscheidende Details sehr gut wieder: So dient an der Angel ein kleiner Pappstift als Soundchip, der das Klackern einer richtigen Angel hervorragend imitiert. Am Klavier-Synthesizer können Klänge mit Einschüben verändert werden.
Und die Roboter-Rucksäcke, die nicht zum Multi-, sondern zum sogenannten Robot-Set gehören, machen aus einem Menschen gefühlt wirklich ein mechanisches Wesen, sodass es nicht nur Spaß macht, selbst gegen Gegner anzutreten, sondern auch Spielern zuzuschauen.
Steuerung mit den Switch-Controllern
Die Steuerung der Modelle funktioniert vor allem über die bewegungsempfindlichen Controller der Switch. Sie werden etwa bei der Angel in die Rolle gesteckt und nehmen so die Drehungen und Bewegungen zur Seite wahr. Der Bildschirm wird im Klavier zum interaktiven Synthesizer oder steht beim Angelspiel auf dem Boden, um das Wasser zu zeigen.
Im Motorradlenker wird die Strecke angezeigt, die Controller stecken in den Seiten, um Gas, Bremse und Richtung aufzunehmen. Das ferngesteuerte Auto bewegt sich durch die Kraft der vibrierenden Controller über eine glatte Fläche, es lässt sich sogar lenken. Reflektierende Klebestreifen in den einzelnen Modellen geben der Infrarot-Kamera der Switch eigene Befehle.
Auch bei den Spielen gilt wie schon beim Basteln: Wer Frieden im Haus will, schafft sich vielleicht eine zweite Switch und ein zweites Papp-Set an. Sonst kommt es zu Kämpfen zwischen dem Kind, das am liebsten stundenlang angelt und dem, das am Miniklavier eigene Kompositionen erfinden möchte.
Die Software ist hervorragend auf die Modelle abgestimmt, es gibt kaum ein Spiel, das nicht längere Zeit Spaß macht. Die Frage, ob der im Vergleich zu klassischen Nintendo-Videospielen zwischen zehn und zwanzig Euro teurere Preis für ein wenig Pappe nicht übertrieben ist, wird bald beantwortet: Nein, wer gern spielt und bastelt, kann hier sehr viel mehr Spaß haben als mit manchen Blockbuster-Spielen.
Die "Labo"-Software lässt auch eigene Erfindungen zu
Gut ist, dass die Pappe auch nach längerer Benutzung nur wenige Gebrauchsspuren zeigt. Und selbst wenn etwas kaputtgeht, sollte man aus alten Pappkartons schnell neu bauen können. Spaß macht es auch, die Modelle zu bekleben oder anzumalen, aus den Vorgaben ganz neue Dinge zu entwerfen und neue Ideen zu entwickeln.
Die "Labo"-Software besteht nicht nur aus Minispielen, die auf die vorgegebenen Modelle angepasst ist: Sie lässt auch eigene Erfindungen zu. Wer sich ein wenig mit den vorgegebenen Modellen beschäftigt hat, wird mit ein wenig Nachdenken auf neue Ideen kommen. Und hier liegt auch eine mögliche Zukunft von "Labo": in Bauplänen, die von Fans ins Internet gestellt werden, durch die sich alte Pappkartons zu neuem Leben zu erwecken lassen.
Vieles hängt davon ab, wie Nintendo die Ideen von Hobby-Entwicklern fördert oder zumindest toleriert. Die Voraussetzungen dafür, dass "Labo" nicht zu schnell an Reiz verliert, sind jedenfalls da - das zeigt unser seit einigen Wochen laufender Test. In unserem Fall jedenfalls haben sowohl Erwachsene als auch Kinder noch immer nicht genug von den Modellen.
"Nintendo Labo Toy-Con 01: Multi-Set" Nintendo, für Switch, ab 65 Euro, USK: Ohne Altersbeschränkung
"Nintendo Labo: Toy-Con 02: Robo-Set" Nintendo, für Switch, ab ca. 80 Euro, USK: Ohne Altersbeschränkung