"State of Decay 2" im Test Die Apokalypse braucht mehr Chaos
Überleben unter erschwerten Bedingungen: Das Spiel "State of Decay 2" simuliert eine Welt voller Zombies. Spannend wird das Endzeit-Abenteuer trotzdem erst, sobald echte Mitspieler hinzukommen.
Manchmal fühlt sich "State of Decay 2" an wie "Die Sims", mit einer weniger bunten Welt, die dafür voller Zombies ist. Und mit dem Unterschied, dass hier niemand viel virtuelles Geld für eine besonders schöne Couch ausgeben will.
Am Anfang des Spiels jedenfalls steht die Entscheidung: Welche Charaktere sind dabei? Da gibt es etwa das zerstrittene Geschwisterpaar, das in der Zombie-Apokalypse lernen muss zusammenzuarbeiten. Oder das Liebespaar, zwei Frauen, die lange Zeit getrennt waren und die in der tristen Welt nun ihre Liebe wiederentdecken - so sie denn lang genug überleben.
"State of Decay 2" ist ein klassisches Survival-Spiel. Sobald der Spieler mit seinen Figuren eine Basis eingenommen hat, geht es vor allem darum, diese aufrechtzuerhalten. An dieser Stelle kommt der "Sims"-Aspekt ins Spiel. Denn die Bewohner der Basis haben Bedürfnisse, essen etwa. Und sie wollen Medizin, Benzin, Baumaterialien. Das alles gilt es zu besorgen, dementsprechend oft müssen verlassene Häuser durchforstet werden.
Die Spielfiguren werden irgendwann müde
Tragen können die Figuren freilich nur eine begrenzte Menge. Das bedeutet: Es geht ständig hin und her zwischen Basis und Fundort. Auf den Wegen kann man den Zombies aus dem Weg gehen oder sie erlegen - was nicht immer klug ist, denn die Waffen verbrauchen sich. Darüber hinaus ist es auch möglich, innerhalb der Basis verschiedene Stationen aufzubauen, um den Nachschub sicherzustellen. Ein Gemüsegarten etwa bringt jeden Tag eine Essensration, eine Krankenstation kann genutzt werden, um neue Medizin zu produzieren.
Jedoch wird so eine Spielfigur dann auch mal müde. Zum Glück kann der Spieler aus mehreren Charakteren wählen. Geht der eine ins Bett, wird eben die nächste Figur angewählt, bis sie dann wieder zu erschöpft ist.
Den Spieler beschäftigen aber nicht nur Botengänge und das Managen der Basis und der Figuren: Es gibt auch noch Missionen zu erfüllen. Diese treiben die Rudimente einer Geschichte weiter, die "State of Decay 2" doch noch eine Zielrichtung neben dem bloßen Überleben geben. So gilt es, die "Blutseuche" zu eliminieren, der Grund für den Ausbruch der Zombieplage. Diese wird von bestimmten Zombies übertragen.
Also sucht der Spieler zunächst diese Zombies, um Proben der Blutseuche zu ergattern. Danach gilt es dann, die "Seuchenherzen" zu vernichten, jene Orte, die die Zombies erst zu Trägern der Blutseuche machen. Diese Missionen geben dem Spiel eine gewisse Stringenz. Sie sind abzuhandeln, wenn man das Spiel irgendwann "schaffen" möchte.
Probleme mit der Angst
Ein sehr augenscheinliches Problem von "State of Decay 2" ist die Technik. Survival-Spiele müssen zwar nicht mit herausragender Grafik überzeugen, erst recht nicht, wenn sie wie in diesem Fall nur 30 Euro kosten. Doch ist es die Spielmechanik, die dem Spiel immer wieder ein Bein stellt. "State of Decay 2" fühlt sich die meiste Zeit sehr behäbig, wenn nicht sogar störrisch an, sei es beim Öffnen und Schließen von Türen oder beim Sortieren des Inventars. Man scheint eher gegen die Mechanik zu spielen als mit ihr. Die regelmäßig auftretenden Bugs machen das nicht besser.
Das jedoch sind Probleme, die durch Patches beseitigt werden können. Das größere Problem des Spiels ist daher wohl, dass sich alles berechenbar anfühlt. Es fehlt an Überraschungen, plötzlichen Einbrüchen von Terror in das allzu Übliche.
Wie soll in einem Survival-Spiel mit Zombies Angst aufkommen, wenn sich alles gewöhnlich anfühlt? Das Spiel sollte eigentlich den Ausnahmezustand zelebrieren, feiert aber eher ein Gefühl, das so aufregend wie die Farbe Beige ist.
Selbst der sogenannte Permadeath schafft es nicht, ein Gefühl der Panik aufkommen zu lassen. In "State of Decay 2" bleiben Charaktere nach dem Ableben tot - es gibt keine Möglichkeit der Wiederbelebung. Freilich soll das den Spieler anregen, möglichst vorsichtig zu sein, stets abzuwägen, ob eine Mission, eine Suche nach Ressourcen vielleicht zu gefährlich sein könnte. Doch auch die Charaktere sind so beige, dass ein Ableben höchstens ein Schulterzucken hervorruft - von charismatischen Figuren keine Spur.
Die Freude am gemeinsamen Sterben
Die gewichtigste Neuerung an "State of Decay 2" gegenüber dem Vorgänger ist der Multiplayer-Modus. In diesem kann der Spieler entweder Freunde einladen, mithilfe von Xbox-Gruppen Mitspieler finden oder aber durch eine Leuchtpistole das eigene Spiel für Mitspieler öffnen.
Die Gastgeber dieser Multispieler-Runden sind dabei im Vorteil, denn nur sie können Fortschritte im Spiel machen. Mit bis zu drei Mitspielern können zwar Missionen bewältigt werden. Doch sobald die Partie endet, ist dieser Erfolg nur für die Gastgeber von Dauer.
Doch wahrscheinlich ist das egal. Denn die Stärke des Multiplayer-Modus ist nicht das ernsthafte Spiel. Vielmehr ist es das Chaos, das Freude bereitet. Wenn etwa vier Spieler in ein Auto steigen und einfach losfahren - nur um zu schauen, was sie hinter der nächsten Kurve wohl erwarten wird. Genau dann kommen auch die so vermissten Überraschungen: nicht durch das Spiel selbst, sondern durch die Mitspieler, die unberechenbarer sind als jeder Zombie.
Dieses Chaos fehlt dem sonstigen Spiel. Es ist ein Chaos, das Spaß macht. Ein unberechenbares Chaos, das die sonst so berechenbare Apokalypse durchbricht.
"State of Decay 2" von Undead Labs, für Xbox One und Microsoft Windows; 29,99 Euro; USK: ab 18 Jahren
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