EU-Grenzkontrollen Parlamentarier rebellieren gegen Finger-Check
Die Brüsseler Kommission will an Europas Außengrenzen die Fingerabdrücke von Ausländern erfassen, doch nun formiert sich Widerstand. EU-Abgeordnete halten das Konzept für überteuert - und sie fürchten, dass die USA in den Besitz der Daten gelangen.
Der Name klingt charmant: "Smart Borders" heißt ein Programm der EU-Kommission, wonach Kontrollen an Europas Außengrenzen künftig vollautomatisch ablaufen sollen. Dazu gehört etwa die elektronische Erfassung aller zehn Fingerabdrücke von sämtlichen EU-Ausländern bei der Ein- und Ausreise. Diese Daten sollen dann gespeichert werden. Doch eine vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebene Studie kritisiert das geplante Maßnahmenpaket scharf.
Die Finanzierung des Projekts sei nicht "glaubhaft", heißt es in der Studie, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Schließlich hätten sich ähnliche Programme in den USA oder Großbritannien stets als viel kostspieliger als geplant herausgestellt. Bislang sind für das Projekt bis zum Jahr 2020 1,35 Milliarden Euro veranschlagt, die Mitgliedstaaten müssen einen zusätzlichen Beitrag leisten. Laut den Autoren der Studie ist aber ein noch höherer Betrag wahrscheinlich.
Außerdem äußern sie erhebliche Zweifel an dem erklärten Ziel, durch Smart Borders Grenzkontrollen zu beschleunigen. Für die Erfassung der Fingerabdrücke gehe die Kommission etwa von geschönten Zahlen aus, heißt es. Zudem sei der umfassende Überwachungsansatz per se falsch, da 80 Prozent der Migration in die EU über wenige Einreisepunkte, etwa Flughäfen, erfolge. Fazit der Studie: Das Parlament solle die Beratungen zu dem Programm "suspendieren", bis die Kommission mehr Auskünfte vorgelegt habe.
Durch Drohnen und Satelliten Europas Grenzen kontrollieren
Das Smart-Borders-System will Datendienste von Polizei und anderen Behörden in EU-Ländern besser verknüpfen und durch Drohnen und Aufklärungssatelliten Europas Grenzen schärfer kontrollieren. Dies soll illegale Einwanderer abschrecken, insbesondere sogenannte "Overstayer", Menschen also, die in der EU bleiben, obwohl ihr Visum abgelaufen ist. Die Kommission schätzt deren Zahl auf bis zu 3,8 Millionen. Das Programm soll aber auch helfen, die Daten von EU-Ausländern schon vor ihrer Einreise zu prüfen. Wer sich darauf einlässt, soll die Grenze dann rascher passieren können.
Kritik an Smart Borders regt sich von vielen Seiten. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hält die vollautomatisierte Kontrolle an den EU-Außengrenzen für rechtlich problematisch. "Das System ist alles andere als smart." Auch der deutsche Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), äußert Bedenken. In einem Brief an den Vorsitzenden des Bürgerrechtsausschusses im Parlament drückt Brok seine "Besorgnis" aus, wenn künftig alle Ausländer ihre Fingerabdrücke erfassen lassen müssten, was bis zu drei Minuten pro Person dauern könne.
Daten könnten auch an die USA weitergegeben werden
Kritiker argumentieren ohnehin, den Aufenthaltsort von Reisenden, die trotz des Ablaufs ihrer Aufenthaltserlaubnis in der EU bleiben, könne das System gar nicht erfassen. Somit bestehe die Gefahr, dass "Smart Borders" letztlich nur statistischen Zwecken dienen werde. Sie fürchten auch eine Zweckentfremdung der Fingerabdruckdaten. Denn die Datenbank soll so eingerichtet werden, dass Polizeibehörden erfasste Daten etwa mit Fingerabdrücken von Tatorten vergleichen können.
Für Unruhe sorgt zudem die Option, dass Daten an Drittländer, insbesondere die USA, übergeben werden könnten. Bei einem Treffen von EU-Innenministern mit US-Vertretern im September in Rom hätte die mögliche Weitergabe von Daten debattiert werden können. Auf eine Anfrage der linken Bundestagsfraktion erklärte das Bundesinnenministerium aber nur: "Diese Frage wurde nicht behandelt."