Buchsuche CDU-Politiker wollen Google ausbremsen
Sie kämpfen gegen ein angeblich drohendes Online-Wissensmonopol, das Verdienen mit fremden Texten - und gegen Google. Zwei CDU-Parlamentarier attackieren den US-Konzern wegen seiner Buchsuche. Ihr Ziel: Google soll nicht mehr wie bisher Bücher im Akkord scannen und ins Netz stellen.
Es mutet wie der Kampf von David gegen Goliath an. 223 Abgeordnete sitzen für CDU und CSU im Bundestag, gewählt von 16.631.049 Bundesbürgern, die ihnen bei der Wahl 2005 ihre Zweitstimme gaben. Die Suchmaschine Google wird in jeder Sekunde mit einer Vielzahl an Suchanfragen konfrontiert, kennt nach eigenen Angaben mehr als eine Billion Web-Adressen - und zunehmend auch Bücher. Trotz der Größenunterschiede zeigen sich zwei Unionspolitiker entschlossen, Google davon abzubringen, wie bisher Druckwerke abzulichten und zu veröffentlichen.
"Google missachtet das Urheberrecht, um langfristig Kasse zu machen und ein weltweites Wissensmonopol aufzubauen", teilten die Abgeordneten Wolfgang Börnsen und Günter Krings in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Börnsen, kultur- und medienpolitischer Sprecher der Union, und Krings, Medienexperte und Justiziar der Fraktion, beklagen, Urheber würden teilweise enteignet, "um anschließend hilflos mitansehen zu müssen, dass ihr geistiges Eigentum von Dritten vermarktet wird".
Den von Google mit der US-Buchbranche im vergangenen November erzielten Vergleich lehnen die beiden Unionspolitiker ab. Durch die ausgehandelte, aber noch nicht in Kraft getretene Übereinkunft sollten weltweit Urheberrechte "ausgehebelt werden".
Google hatte sich mit US-Autorenverbänden darauf verständigt, 125 Millionen Dollar an Rechteinhaber zu zahlen. Der Konzern soll dann bereits gescannte Werke sowohl in Ausschnitten im Netz veröffentlichen, als auch online verkaufen dürfen. Im Gegenzug sollen Autoren auch an Werbeeinnahmen beteiligt werden, die Google in der Buchsuche erzielt.
"Google von seinem Projekt abbringen"
Neuen Handlungsspielraum sehen Börnsen und Krings in der jüngst verlängerten Einspruchsfrist für Autoren, die ihre Werke nicht auf Google-Seiten im Netz veröffentlicht sehen wollen. Die gewonnene Zeit wollen die CDU-Politiker laut ihrer Erklärung dazu nutzen, Google die bisherigen Buchsuche-Pläne auszutreiben. "Diesen erweiterten Zeitraum sollten wir dazu nutzen, um Google von seinem Projekt abzubringen."
Mit ihrem Protest greifen die beiden Unionspolitiker eine Stimmung auf, die seit Monaten in der deutschen Buchbranche herrscht. Deren Vertreter stören sich vor allem daran, dass Google bei seinem Buchprojekt erst gehandelt und dann um Erlaubnis gebeten hat. Dennoch gehen die Abgeordneten mit ihrer Absicht weiter als Branchenvertreter. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Rechteverwerter VG Wort wollen sich mit den von Google herbeigeführten Umständen arrangieren.
Die VG Wort hat Verlage und Autoren aufgefordert, sich im Buchsuche-Streit von der Verwertungsgesellschaft vertreten zu lassen, um so mehr Einnahmen für die deutschen Rechteinhaber herauszuschlagen. Der Börsenverein hat ankündigt, den Vergleich von Google zu akzeptieren, aber Möglichkeiten zu nutzen, um viele deutsche Bücher aus dem Angebot auszunehmen.
Während Autoren, deren Werke aktuell lieferbar sind, dem Abkommen mit Google ausdrücklich zustimmen müssen, gilt für bereits vergriffene Titel, dass nur ein Widerspruch vor der Aufnahme in den einsehbaren Teil der Google-Bibliothek bewahrt. Ursprünglich wäre die Frist dafür am 5. Mai abgelaufen. Das zuständige New Yorker Bundesgericht hatte allerdings kurz vor Fristende den Termin für seine Entscheidung über den Vergleich verschoben. Dadurch bleiben den Rechteinhabern vier weitere Monate, um zu widersprechen.
In der Zwischenzeit wollen Börnsen und Krings auch eine europäische Gegenwehr installieren. "Nur ein gemeinsames Signal kann genügend Gewicht entfalten, um in den USA Gehör zu finden", so die beiden Politiker. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hatte das Thema auf die Tagesordnung des EU-Ministerrats setzen lassen. Eine weitere Abwehrmaßnahme sehen die Unionspolitiker auch im Fördern von Google-Alternativen. Sie wollen in Konkurrenz zum Suchmaschinen-Giganten "offenere und urheberfreundliche Modelle digitaler Bibliotheken aus dem europäischen Raum" voranbringen.
Am 19. April konnte man Google-Aktien an der Technologiebörse Nasdaq erstmals kaufen. Eine Aktie kostete 85 Dollar. Heute ist sie knapp fünfmal so viel wert. Mit dem vielen neuen Geld stieß Google noch im gleichen Jahr verschiedene Projekte an - unter anderem Google Print: Mit den Universitäten Harvard, Stanford, University of Michigan, University of Oxford und der New York Public Library kam man überein, Bücher zu scannen, zu digitalisieren und online durchsuchbar zu machen. Im darauffolgenden Jahr wurde Google Print in "Book Search" umbenannt. Inzwischen sind zahlreiche andere Bibliotheken mit im Boot - auch deutsche.
Die Geschäfte liefen auch 2005 hervorragend für Google - so gut, dass man eine Partnerschaft mit dem strauchelnden Online-Dinosaurier AOL verkünden und eine Millarde Dollar in das Unternehmen investieren konnte.
Der prominenteste Ankauf des Jahres war jedoch YouTube: Google zahlte 1,65 Milliarden Dollar für die Videoplattform und holte sich so Konkurrenz zum eigenen, eben erst gestarteten Videoangebot ins Haus. Zudem wurde eine Werbe- und Suchpartnerschaft mit dem eben von Rupert Murdoch aufgekauften MySpace verkündet: Google stieg endlich ernsthaft ins Geschäft mit dem Web 2.0 ein.
Parallel verlor Google in den Augen vieler Nutzer seine Unschuld: mit dem Start einer eigenen Suchmaschine für China, die sich den Zensurwünschen der dortigen Regierung beugt. Eine Tibet-Unterstützergruppe rief eine Initiative namens "No love 4 Google" ins Leben - und fasste damit einen globalen Meinungsumschwung zusammen. Der Engelsglanz des vermeintlich anderen, besseren Unternehmens, den Google lange hatte aufrechterhalten können, schwand nach und nach.
Ende 2006 hat Google mehr als 10.600 Angestellte.
Vor allem aber ging Google 2007 auf Einkaufstour - in seinem Kerngeschäftsbereich, der Online-Werbung. Zunächst wurde Adscape, ein Spezialist für Werbung in Computerspielen, aufgekauft, dann DoubleClick. Über drei Milliarden Dollar ließ man sich den Online-Anzeigenvermarkter kosten - und eine Menge Ärger. Erst im März 2008 segnete die EU-Kommission den Kauf ab. Datenschützer sehen Google seit der DoubleClick-Akquisition noch kritischer, denn das Unternehmen ist nicht zuletzt darauf spezialisiert, möglichst gründlich Nutzerdaten zu sammeln, um personalisierte Werbung servieren zu können.
Außerdem schickte Google 2007 seine Foto-Autos los: Für die Maps-Erweiterung Streetview fuhren die Kamera-Mobile zunächst durch US-Großstädte - im Jahr 2008 sind sie auch in Deutschland unterwegs.
Außerdem beginnt Google verstärkt, Fühler in Richtung der alten Medienwelt auszustrecken - es gibt Testläufe für Werbevermarktung im Radio, in Print-Publikationen und im traditionellen Fernsehen.
Schon seit Jahren hatte Google verschiedene seiner Dienste in speziellen Handy-kompatiblen Versionen angeboten - Ende 2007 kam dann der ganz große Schritt in die mobile Welt: Das Handy-Betriebssystem Android wurde angekündigt, ein Open-Source-Projekt in Zusammenarbeit mit vielen Telekommunikationsanbietern und Handy-Herstellern.
Ein weiteres Open-Source-Projekt soll Google den Zugriff auf das Vermarktungspotential der Social Networks erleichtern: Die Plattform OpenSocial soll Netzwerkapplikationen transportabel machen, so dass sie bei MySpace genauso laufen können wie bei Xing. Die meisten der großen Communitys sind OpenSocial beigetreten - bis auf Facebook.
Gleichzeitig wächst die Kritik am Suchmaschinengiganten. Die immer neuen Projekte scheinen vielen Nutzern und Datenschützern inzwischen Ausdruck eines gewaltigen Datenhungers - sowohl auf persönliche Informationen über die Nutzer als auch auf nahezu jede beliebige Art von Information, die dem gewaltigen Weltarchiv Google einverleibt werden könnte. Der Google Leitspruch "Don't be evil" hat für manche inzwischen einen hohlen Klang, und die Missionserklärung, man wolle "alle Information der Welt organisieren", klingt zuweilen eher wie eine Drohung.
tko