Cyber-Mobbing Tod eines Teenagers
3. Teil: Gesetzloser Raum: Man kann Menschen in den Selbstmord treiben, ohne vor dem Gesetz schuldig zu werden
Es gibt kein Gesetz
Doch Lori und Curt D. ist juristisch nicht beizukommen. Bisher gibt es kein Gesetz, nach dem jemand bestraft werden könnte, der anderen über eine Online-Plattform seelisches Leid zufügt. Das Gesetz von Missouri, das einem Anti-Mobbing-Gesetz am nächsten kommt, stammt aus dem Jahre 1974 und ist auf das Internet nicht anwendbar. Nicht nur in Missouri kann man einen Menschen regelrecht in den Selbstmord treiben, ohne dadurch zum Täter zu werden.
Doch das dürfte sich nun ändern. 80.000 Blogs und Webseiten sind eine Menge, gerade wenn sie eine eh schon interessante Geschichte fortschreiben: Kreuz und quer durchs Netz sind nun Namen und Adressdaten und Telefonnummern zu finden. Bei Rottenneighbors.com, einer Art Pranger für miese Nachbarn, haben die D.s einen prominenten Platz und natürlich wird es mit jedem Tag wahrscheinlicher, dass sich die noch immer wachsende Wut gegen sie irgendwann auch physisch manifestiert.
Es ist nie vorbei
Die Ehe der Meiers ist derweil am Ende, zerbrochen. Sie haben die Scheidung schon hinter sich, sie führen keinen Krieg mehr gegen die Nachbarn, aber sie werden auch nicht mit der Geschichte fertig.
Tina Meier leidet unter Schuldgefühlen, dabei hatte sie eigentlich alles richtig gemacht: Sie hatte die Passworte zum MySpace-Account ihrer Tochter, sie überprüfte, was sie dort tat, sie ließ ihre Tochter nicht allein.
Nur an diesem Abend, dem 15. Oktober 2006, da hatte sie eben einen Termin. Rief zwar wiederholt zu Hause an, versuchte, die Tochter zu beruhigen. War aber schlicht nicht da in diesem fatalen Moment, in dem sie hätte da sein müssen, wie sie glaubt.
Zwei Jahre zuvor hatte sie der Familie, die später ihre Tochter in den Selbstmord treiben sollte, das Haus in der Nachbarschaft verkauft.
Dass die ganze Geschichte nun in die Medien gerät, ist nicht den Meiers geschuldet. Beide streiten inzwischen öffentlich ab, dass die D.s irgend etwas damit zu tun hätten, sie wollen keine Lynchjustiz. Wer auch immer dahinter gesteckt habe, sagt der Vater Ron Meier heute, habe es wohl nicht darauf abgesehen, seine Tochter in den Selbstmord zu treiben. "Aber es war, als hätte ihr jemand eine geladene Pistole gereicht."
Öffentlich bemühen sich beide, Freunde und Familie davon abzuhalten, irgend etwas gegen die D.s zu unternehmen. "Die Polizei würde glauben, dass wir das waren", sagt die Mutter. Das wollen beide nicht, es bringt nichts mehr. Heute überwiegt das Schuldgefühl - und die Wut auf MySpace, das Web und das Gesetz, das so hilflos scheint.
Im Web schwelte die Geschichte ein Jahr, bis ein Regionalreporter aus einer 7000-Einwohner-Gemeinde sie so akribisch aufschrieb. Einen Tag und Hunderte von Presseberichten in aller Welt später bewegte sich etwas: Wieder war es Steve Pokin im "St. Charles Journal", der berichten konnte, dass die Behörden des Bezirkes planen, Cyber-Mobbing endlich zu einem Vergehen zu erklären. Bis zu 90 Tage Haft und 500 Dollar Geldstrafe sollen künftig darauf stehen. Tina Meier hofft, dass es irgendwann schärfere Gesetze geben wird, einen Prozess.
Vielen im Web reicht das nicht. Malcolm Gay hat im "Riverside Journal" Reaktionen zusammengetragen, die er in einem einzigen Satz kumulieren lässt und mit einer Vorhersage für "mehr zerbrochene Fensterscheiben" in Dardenne Prairie, Missouri, verbindet: "I hope these fuckers burn in hell." (Ich hoffe, diese Arschlöcher schmoren in der Hölle")
Es sind immer die Geschichten, die nie hätten beginnen sollen, die so leicht kein Ende finden.
- 1. Teil: Tod eines Teenagers
- 2. Teil: Eine perfide Intrige: "Es war, als hätte ihr jemand eine geladene Pistole gereicht"
- 3. Teil: Gesetzloser Raum: Man kann Menschen in den Selbstmord treiben, ohne vor dem Gesetz schuldig zu werden