
Neue Hürde wegen DSGVO Liebe Leserin, lieber Leser,
Sie können die fünf Buchstaben vermutlich auch nicht mehr hören: DSGVO. Manchen erreichten die panisch-depressiven E-Mail-Nachrichten in schnellerer Taktzahl, als man sie lesen konnte. Einige Absender zündeten digitales Reklame-Blendwerk mit Gutscheinen, andere pusteten Wattewörter umher, mit denen sie bettelten, man möge doch auch angesichts der neuen Datenschutz-Grundverordnung der EU Werbeempfänger bleiben. Ich nutzte das Schauspiel für eine digitale Inventur und war erstaunt, wer offenbar alles im Besitz meiner Daten ist.
Nicht nur die Online-Werbeindustrie jammert nun, sondern auch andere Branchen: So ist es etwa bei Mobilfunkanbietern üblich zu versuchen, Kunden nach einer Vertragskündigung mit besonderen Angeboten zu halten.
Doch fehlt die Einwilligung der Kunden, Werbung zu erhalten, könnte so ein Anruf nun Millionenstrafen für den Anbieter nach sich ziehen. Wer also darauf spekuliert, mit seiner Kündigung ein Rückgewinner-Angebot zu bekommen, sollte prüfen, ob er das überhaupt erlaubt hat.
Schädel-MRT bei Instagram
Bekanntermaßen nutzte Facebook die Einwilligung in die neuen Datenschutzbedingungen gleich mal dafür, Nutzer zu fragen, ob die Gesichtserkennung aktiviert werden soll. Damit sollen Nutzer auf Fotos und in Videos identifiziert werden können, ohne dass sie jemand markiert.
Ich lese viel medizinische Fachliteratur und habe deshalb beim Thema Gesichtserkennung noch ganz andere Assoziationen. Technisch ist es möglich, aus MRT-Aufnahmen des Kopfes eines Patienten dessen Gesicht zu rekonstruieren (Studie als pdf). Das wird beispielsweise in der Rechtsmedizin regelmäßig angewendet. Auf Facebook und sogar Instagram finden sich reihenweise Ärzte und Wissenschaftler, die MRT-Aufnahmen posten. Sie denken wohl nicht daran, dass sie hiermit das Persönlichkeitsrecht ihrer Patienten verletzen könnten. Auch in Vorträgen und Fachzeitschriften werden die scheinbar anonymen Bilder verwendet. Dabei gibt es längst Versuche, die Aufnahmen zu anonymisieren, ohne ihren medizinischen Nutzen einzuschränken.
Selfies, die man nie sehen möchte
Die Urlaubszeit naht und damit für viele auch die Aussicht auf ein paar Tage am Strand mit guten Büchern. Und selbst im sonst oft so regnerischen Hamburg knallt ungewöhnlicherweise die Sonne. Ich schocke aktuell Menschen gern mit der "Sunface App", entwickelt von einem jungen Arzt, der jetzt am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg arbeitet. Die App simuliert anhand eines Selfies, wie das eigene Gesicht in fünf oder 25 Jahren aussieht, wenn man regelmäßig in der Sonne brät. Die Bilder schockieren immer und die Antwort war bisher reflexhaft: "Bitte, lösch das unbedingt."
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Seltsame Digitalwelt: "Komplizen des Erkennungsdienstes"
Apropos Urlaubslektüre. Ich lese gerade ein Buch von Andreas Bernard, Professor am "Center for Digital Cultures" der Universität Lüneburg. Bernard hat die These, dass ein Großteil unserer Digitalkultur auf Methoden der Kriminologie oder Psychiatrie zurückgehen. So sprechen wir etwa wie selbstverständlich von einem "Profil" bei Facebook, das hatte in der Vergangenheit etwas vom Täterprofil eines Serienmörders. Die Ortungsfunktion für das Smartphone war, so Bernard, bis vor zehn Jahren im Zusammenhang mit der elektronischen Fußfessel bekannt und eigentlich negativ besetzt. Auch die Selbstvermessung mittels Smartwatch, Blutdruckmanschette oder Meditations-Stirnband hat ein irritierendes Pendant: den Lügendetektor. Bernard spürt der Frage nach, warum wir all diese Technologien wie selbstverständlich verwenden und sogar als Selbstermächtigung interpretieren, obwohl sie früher dazu dienten, Verbrecher dingfest zu machen.
App der Woche: "Animal Super Squad"
getestet von Tobias Kirchner

Im Geschicklichkeitsspiel "Animal Super Squad" gilt es, verschiedene tierische Helden sicher durch einen Hindernisparcours zu bringen. So muss beispielsweise bei einer Rampe genau abgeschätzt werden, in welchem Moment sich die Spielfigur schneller bewegen soll, um den Sprung zu schaffen. Dank der präzisen Steuerung funktioniert das ziemlich gut. Auch die liebevolle Comicoptik sowie die abwechslungsreichen Levels des Spiels überzeugen. Freischaltbare Tiere und Ausrüstung sorgen für zusätzliche Motivation.
Für 4,79 Euro (Android) oder für 5,49 Euro (iOS) von DoubleMoose Games, ohne In-App-Käufe: iOS, Android
Fremdlink: Drei Tipps aus anderen Medien
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"VaMoRs selbstfahrende Autos von 1986 bis 2003", (Video, 2:46 Minuten, Englisch)
BMW hat gerade als erster ausländischer Autobauer die Genehmigung erhalten, zwei selbstfahrende 7er-Limousinen auf den Straßen von Shanghai zu testen. Dass die deutschen Konzerne beim Thema Selbstfahrtechnologie nicht ganz so abgehängt sind, sondern vielmehr einen Großteil der Patente dafür halten, spricht sich mehr und mehr herum. Wie lange man schon in Deutschland an der Technologie tüftelt, zeigt dieses Video. Es ist rund 30 Jahre alt. -
"Wie verändert Digitalisierung den Einzelhandel?", (Podcast, Hörzeit 37:58 Minuten)
Springer-Manager Christoph Keese diskutiert mit Digitalhandel-Fachmann Alexander Graf ausführlich und spannend die Aussichten für den stationären Handel in Zeiten des Drucks durch E-Commerce. Die Prognosen klingen so plausibel wie ernüchternd. -
"MIT's Super-Efficient Dispatching Algorithm Minimizes a City's Taxi Fleet", (Englisch, zwei Leseminuten)
Das New Yorker Taxigewerbe steht unter Druck durch Fahrdienste wie Uber oder Lyft - sogar den deutschen Carsharing-Anbieter Car2Go gibt es in der Stadt. Forscher des MIT haben einen Algorithmus entwickelt, welcher der angeschlagenen Branche helfen könnte, effizienter zu arbeiten und nebenbei die Straßen leerer zu machen (hier das auführlichere Original-Paper aus "Nature") .
Ich wünsche Ihnen eine sonnige Woche,
Ihr Martin U. Müller