Protest gegen Internetsteuer in Ungarn Smartphone hoch für ein freies Internet
Hunderttausende protestieren im Netz, mehr als zehntausend gingen auf die Straße: Die geplante Internetsteuer stößt in Ungarn auf heftigen Widerstand. Am Dienstag soll die Abgabe im Parlament diskutiert werden.
In Ungarn regt sich im Internet und auf den Straßen Protest gegen die geplante Unternehmensteuer für Datenverkehr im Internet. Mehr als zehntausend Menschen protestierten am Sonntag vor dem Wirtschaftsministerium mit in die Höhe gestrecktem Smartphone gegen die Pläne der Regierung Orbán.
Bei Facebook haben sich bis Montagmorgen viele Ungarn einem Online-Protest angeschlossen. Die Gruppe "Hunderttausende gegen die Internetsteuer" wuchs innerhalb von fünf Tagen auf über 213.000 Mitglieder an.
Die Redner der Demonstration in Budapest verlangten die Rücknahme des umstrittenen Gesetzesentwurfs: Der Regierung des rechts-konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gaben sie dafür 48 Stunden Zeit. Die Internetsteuer soll am Dienstag im Parlament erörtert werden, bislang sieht der Entwurf eine Abgabe von 150 Forint (0,49 Euro) pro Gigabyte Datenverkehr vor.
Premierminister digital ungebildet?
Die geplante Abgabe ist in Europa einzigartig. Viele Demonstranten befürchten durch die Steuer eine Einschränkung der Freiheit im Internet und einen Rückschritt in Zeiten des beschränkten Internetzugriffs. "Viktor, wir haben heute die Uhr zurückgedreht, nicht das Jahrhundert", rief Demo-Organisator Balázs Gulyás in Anspielung auf die Zeitumstellung. "Aber leider ist unser Premierminister digital ungebildet."
Für die Einführung der Internetsteuer gibt es einen offensichtlichen Grund: Ungarn braucht Geld. Das ungarische Wirtschaftsministerium erklärte, es rechne durch die Steuer pro Jahr mit Einnahmen von umgerechnet 65 Millionen Euro. Ungarische Medien zitierten dagegen Experten-Schätzungen, die angesichts des Datenaufkommens von mehr als einer Milliarde Gigabyte allein im Jahr 2013 vom Zehnfachen ausgehen.
Am vergangenen Mittwoch hieß es, die ungarische Regierungspartei Fidesz schlage vor, eine Kosten-Obergrenze einzuführen. Zuvor hatte bereits ein Fidesz-Abgeordneter dem Internetportal Index.hu gesagt, das Gesetz werde noch angepasst.
Neelie Kroes unterstützt den Protest
Die Demonstration am Sonntag war der machtvollste Protest gegen die Orbán-Regierung seit mehr als zwei Jahren. Unterstützt hat sie auch EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes. "Ich rufe euch dazu auf, euch den Menschen anzuschließen (...), die über #Ungarns Internet-Steuerpläne empört sind und heute (...) protestieren werden", teilte sie über den Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Im Anschluss an die Proteste seien sechs Männer im Alter zwischen 19 und 35 Jahren festgenommen worden, teilte die Polizei in der Nacht zum Montag mit. Die Behörde leitete gegen sie ein Verfahren wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruchs ein. Augenzeugen hatten berichtet, dass nach Ende der Kundgebung mehrere vermummte Fußball-Hooligans den Sitz der rechts-konservativen Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) gestürmt hätten.
kno/dpa/Reuters