Caritas-Studie 84 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr sozialen Wohnungsbau
"Steigende Mieten treffen nicht nur Menschen mit geringem Einkommen": Eine Caritas-Studie zeigt, wie sehr die Wohnungsnot die Deutschen umtreibt. Drei Maßnahmen fordern die Befragten.
Bezahlbares Wohnen gehört neben Pflege, Kinderarmut und Alterssicherung zu den drängendsten politischen Fragen in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt die Caritas-Studie "Menschenrecht auf Wohnen". Um zu erfahren, wie die Bevölkerung das Thema wahrnimmt, hatte der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche das Institut IPSOS mit einer repräsentativen Befragung beauftragt.
Das Ergebnis der Studie: 30 Prozent der Befragten halten das Thema bezahlbares Wohnen für "äußerst wichtig", weitere 46 Prozent für "sehr wichtig". Insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen hat das Thema einen hohen Stellenwert: Für 83 Prozent der Befragten mit einem Einkommen von nicht mehr als 1500 Euro ist es äußerst oder sehr wichtig. Doch auch Gutverdiener messen dem Thema große Bedeutung bei: 78 Prozent der Befragten mit einem Einkommen von mehr als 3000 Euro halten es für "äußerst wichtig" oder "sehr wichtig".
"Knapper Wohnraum und steigende Mieten treffen mittlerweile nicht nur Menschen mit geringem Einkommen", sagt Caritas-Präsident Peter Neher. Auch Menschen aus der Mittelschicht, die etwa in der Pflege oder bei der Polizei arbeiten, spürten, dass bezahlbarer Wohnraum Mangelware geworden sei. "Immer mehr Menschen machen die Erfahrung, dass sie nahezu chancenlos auf dem Wohnungsmarkt sind."
Hohe Wohnkosten sind für vier von fünf Befragten ein "erhebliches Armutsrisiko"
79 Prozent, also fast vier von fünf der befragten Personen, stimmten der Aussage "Hohe Wohnkosten sind ein erhebliches Armutsrisiko" zu. 77 Prozent sind der Meinung, dass hohe Wohnkosten die Entwicklungschancen von Kindern beeinträchtigen. Für mehr als drei Viertel aller Befragten bergen hohe Wohnkosten das Risiko einer räumlichen Trennung von armen und reichen Menschen. 74 Prozent sind der Meinung, dass hohe Wohnkosten die Gefahr von Obdachlosigkeit erhöhen.
"Ein wesentlicher Grund für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist der Verlust sozial gebundener Wohnungen", sagt Caritas-Präsident Neher. Die Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit Anfang der Neunzigerjahre habe dazu geführt, dass mehr als zwei Millionen Wohnungen vor allem aus kommunalem Eigentum, Betriebswohnungen sowie Bundes- und Landesimmobilien verkauft worden seien.
Zudem würden seit Jahren zu wenig bezahlbare Wohnungen gebaut, vor allem zugunsten von unteren Einkommensgruppen und Familien, so Neher. 2016 seien in Deutschland 278.000 Baufertigstellungen gezählt worden, überwiegend von Eigenheimen und im gehobenen Preissegment. Dabei liege der Bedarf an Neubauten bei jährlich 350.000 bis 400.000 Wohnungen.
Ein weiterer Grund sei, dass die Bevölkerung in den vergangenen Jahren durch den Zuzug von EU-Bürgern und Flüchtlingen stärker gewachsen sei als angenommen, so Neher. Auch die Lebensgewohnheiten hätten sich verändert: "Während früher in vielen Haushalten mehr als drei Personen lebten, ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte deutlich gestiegen."
84 Prozent sprechen sich für Förderung sozialen Wohnungsbaus aus
Neher sieht vor allem die Kommunen in der Pflicht: "Sie besitzen mit dem Bauplanungsrecht ein starkes Instrument, mit dem sie bestimmen können, wo, wie und was gebaut wird." Auch über ihre Wohnungsunternehmen hätten die Kommunen eine unmittelbare Steuerungsmöglichkeit, um günstigen Wohnraum zu erhalten und zu schaffen.
"Das Ziel kommunaler Wohnungsgesellschaften sollte daher nicht größtmöglicher Gewinn sein, um die kommunalen Haushalte auszugleichen", so Neher. "Das Ziel sollte es sein, günstigen Wohnraum auch für Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen zu ermöglichen."
Bei der Frage, welche Maßnahmen die Politik ergreifen soll, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen, fanden vor allem drei Maßnahmen deutliche Zustimmung unter den 1009 telefonisch Befragten: die Förderung des sozialen Wohnungsbaus (84 Prozent), die Bereitstellung preiswerter Wohnungen für benachteiligte Personen (80 Prozent) und die Förderung von Wohnungsgenossenschaften (80 Prozent).
asa