Bayern-Profi Breno vor Gericht "Das ist mein Leben"
Breno sollte der nächste Superstar des FC Bayern werden, nun steht er vor den Trümmern seiner Karriere: Der Fußballer muss sich wegen schwerer Brandstiftung vor Gericht verantworten. Seine erste Aussage zeichnet das Bild eines jungen Mannes, der viel Pech hatte - und nie richtig in Deutschland ankam.
Der Angeklagte betritt den Raum mit den Händen in den Hosentaschen. Der dunkle Anzug sitzt gut, eine goldene Kette baumelt über dem weißen Hemd. Breno ist eine mächtige Erscheinung, 1,87 Meter groß, 90 Kilogramm schwer, ein Athlet. Stünde er nicht im Gerichtssaal, sondern auf dem Fußballplatz, würden die Reporter vermutlich schreiben: Breno wirkt entschlossen, hoch konzentriert, gut vorbereitet. Die üblichen Floskeln.
An diesem Mittwoch, in Saal A101, ist er vor allem eines: angespannt. Der 22-Jährige muss sich vor dem Landgericht München wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung verantworten: Er soll sein Haus im noblen Grünwald angezündet haben, es brannte bis auf die Grundmauern nieder. Der Schaden beträgt rund eine Million Euro. Im Fall einer Verurteilung drohen Breno bis zu 15 Jahre Haft.
Laut Staatsanwaltschaft geschah in den entscheidenden Stunden am 19. September 2011 folgendes: Breno erfährt morgens, dass er vermutlich noch einmal an seinem lädierten rechten Knie operiert werden muss. Enttäuscht beginnt er schon mittags, Alkohol zu trinken. Abends ist er betrunken, unzufrieden, unruhig. Eigentlich wollte er noch das Oktoberfest besuchen. Mehrmals verlässt er das Haus, kehrt aber immer wieder zurück. Als schließlich seine Frau mit den Kindern und kurz darauf auch sein Manager wegfahren, ist er allein. Um kurz nach Mitternacht zündet er laut Anklage mit drei Feuerzeugen und einem nicht mehr feststellbaren Brandbeschleuniger das Haus an mehreren Stellen an.
Es gibt für die mutmaßliche Tat keine Zeugen. Breno will sich an diesem Vormittag nicht zu den Vorwürfen äußern - wohl aber zu seiner Geschichte. Die Zuschauer bekommen einen Eindruck davon, wie schwer das Leben sein kann, wenn ein junger Mann ohne Sprachkenntnisse in ein fremdes Land kommt, um Fußball zu spielen. Und es dann aufgrund von Verletzungen nicht kann.
Man verspricht ihm eine große Karriere - doch spielen darf er kaum
Breno spricht auch nach viereinhalb Jahren in München kaum deutsch, eine Dolmetscherin übersetzt im Gericht seine Sätze aus dem Portugiesischen. Seine Stimme ist ruhig, fast sanft, als er von seinem Werdegang erzählt.
Breno - mit richtigem Namen Vinícius Rodrigues Borges - kommt am 13. Oktober 1989 im brasilianischen Cruzeiro zur Welt. Sein Vater ist Glaser, seine Mutter Putzfrau. Er beginnt früh mit dem Fußball, sein Talent spricht sich schnell herum. Im Alter von elf Jahren zieht er nach São Paulo in ein Fußballinternat, rund 200 Kilometer von Zuhause entfernt. Seine Eltern sieht er in dieser Zeit nur alle zwei Monate. Mit 17 bricht er die Schule ab und wird Profi beim ruhmreichen FC São Paulo, mit 18 wechselt er im Januar 2008 nach München. Dort prophezeit man ihm eine große Karriere.
Bei den Bayern spielen damals auch die Brasilianer Lúcio und Zé Roberto. Sie kümmern sich um Breno, doch so richtig kommt er nie an. Nicht in der Mannschaft. Und nicht in Deutschland.
Seine Eltern begleiten ihn nach München, sie wohnen zunächst drei Monate gemeinsam im Hotel, dann in einem Münchner Vorort. Im Sommer reist seine heutige Frau Renata hinterher. Dann, so erzählt Breno, habe er sich auf Anweisung der Bayern wegen der Visa zwischen seiner Frau und seinen Eltern entscheiden müssen: Nur einer habe bei ihm in Deutschland bleiben können. "Das war sehr schwierig für mich, weil ich sehr an meinen Eltern gehangen habe", sagt Breno. "Ich wollte meine Eltern und meine Frau bei mir haben." Mutter und Vater reisen schließlich zurück nach Brasilien. Breno zieht Ende 2008 in ein Haus nach Grünwald. "Das ist mein Leben", sagt Breno am Ende seiner Ausführungen.
Bei den Bayern wird Breno kaum eingesetzt, er kann sich gegen die etablierten Verteidiger nicht durchsetzen. "Ich war ein bisschen traurig", erinnert er sich, "weil ich nicht gespielt habe." Mit den Trainern spricht er nur, wenn andere dolmetschen. Er habe Kontakt gesucht zu anderen Spielern und Betreuern, sagt Breno. "Aber mein Deutsch ist nicht so gut." Daran kann auch der regelmäßige Unterricht nichts ändern.
"Ich konnte ja nicht fahren"
In seiner Freizeit bleibt er meist daheim. "Für mich ist es das Wichtigste, mit meiner Familie zusammen zu sein, mit den Kindern zu spielen", sagt Breno. "Ich bin ein häuslicher Typ." Renata übernimmt die Erledigungen, macht Einkäufe. "Ich bin manchmal mitgekommen", sagt Breno, "aber ich konnte ja nicht fahren." Den deutschen Führerschein schafft er nicht, Breno muss sich bis heute chauffieren lassen.
In der ersten Reihe hinter dem Angeklagten sitzt Giovane Elber, früherer Bayern-Stürmer und Torschützenkönig - einer, der sich durchgesetzt hat in der Bundesliga. Bei Brenos Wechsel zu den Bayern hatte er vermittelt. Uli Hoeneß habe ihn nun gebeten, Breno zu unterstützen, sagt Elber am Rande des Prozesses: "Der Junge ist ja ganz allein."
Viele Südamerikaner hätten zu Beginn Eingewöhnungsschwierigkeiten, so Elber. Die Bayern würden mit jungen Spielern schlecht arbeiten. Bei Integrationsproblemen müsse der Club besser aufpassen. Breno habe "eine sehr schwere Zeit gehabt. Ich hoffe, dass das Ding gut für ihn ausgeht."
Seine beste Phase hatte Breno Anfang 2010, als er an den 1. FC Nürnberg ausgeliehen wurde. "Das war ein lustigeres Leben", sagt er, "da habe ich immer gespielt." Seine Frau pendelt in diesen Wochen zwischen München und Nürnberg, sonntags fährt Breno oft nach Hause zu seiner Familie. Gemeinsam mit Renata hat er einen Sohn, dazu kommen zwei Kinder aus einer früheren Beziehung seiner Frau.
Fußball als Lebensinhalt
Im März, nach gerade einmal sieben Spielen für Nürnberg, wird Breno schwer gefoult und zieht sich einen Kreuzbandriss zu. Die Ärzte verordnen ihm sechs bis acht Monate Pause. Er wird in den USA operiert und kehrt zu den Bayern zurück. Nach langer Reha trainiert er wieder mit der Mannschaft, kann sich aber nicht in die Stammelf spielen.
Im Mai 2011 verletzt er sich er sich wieder am Knie, diesmal der Meniskus, wieder muss er operiert werden. Nach diesem Eingriff findet er nie mehr zu seiner alten Form zurück. Er trainiert zwar individuell, doch sein Knie wird immer wieder dick, weil sich Wasser im Gelenk sammelt. So ist es auch am morgen des 19. September - dem Tag, der alles verändern wird.
Breno habe diese Nachricht mit Enttäuschung aufgenommen, sagt der Staatsanwalt, "da er die Hoffnung gehegt hatte, dass er als Fußballspieler bald wieder voll einsatzfähig sein würde".
Fußball, so hat Breno früher einmal gesagt, sei nicht nur sein Job, sondern sein Lebensinhalt. Wenn er schuldig gesprochen wird, könnte seine Karriere vorbei sein.
Gesundheitlich geht es ihm inzwischen besser, im Februar wurde er zum dritten Mal operiert. "Es sieht so aus, als ob alles in Ordnung ist, ich kann wieder trainieren", sagt Breno. Am 30 Juni läuft sein Vertrag bei Bayern aus - und der seiner Wohnung, die ihm die Bayern vermittelten. Angeblich ist Lazio Rom an seiner Verpflichtung interessiert.