Love-Parade-Videos Großes Kino für den Chef
Trieb ihn sein Jagdinstinkt? Ein hoher Duisburger Kriminalbeamter hat sich nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen sichergestellte Love-Parade-Videos angeschaut, obschon er dafür nicht zuständig war. Sein Vorgesetzter findet das dennoch "unproblematisch".
Duisburg - Es geschah im vierten Stock des Duisburger Polizeipräsidiums, dort, wo das Kriminalkommissariat 31 seine verwinkelten Büros hat. Die Beamten der Spezialdienststelle, eigentlich zuständig für Computerkriminalität, hatten bereits zwei Tage nach der Katastrophe Videobilder aus den Love-Parade-Tunneln sichergestellt. Mit Hilfe dieser Aufnahmen sollte nun rekonstruiert werden, was den Tod von 21 Menschen verursacht hatte und ob der Polizei bei dem Großeinsatz entscheidende Fehler unterlaufen waren.
Wenngleich der Duisburger Behördenleitung zu diesem Zeitpunkt längst klar war, dass aus Gründen der Unabhängigkeit die weiteren Ermittlungen in Köln geführt werden würden, ließ sich nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen dennoch ein hochrangiger Kriminalist eine fast einstündige Privatvorführung des Videomaterials geben. Zwei Beamte wurden dazu an diesem 26. Juli um 14 Uhr aus dem Raum komplimentiert, der Dienststellenleiter und der Chefauswerter des Kommissariats durften bleiben.
"Ich halte dieses Vorgehen für hochproblematisch", sagte ein mit dem Vorgang vertrauter Polizist, der namentlich nicht genannt werden möchte, zu SPIEGEL ONLINE. "Wir hatten keinen Ermittlungsauftrag und hätten uns das nicht ansehen dürfen." Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte auf Anfrage, seines Wissens seien die Duisburger Ermittler nicht mit der Auswertung der Videobilder betraut worden.
Der kommissarische Duisburger Polizeipräsident teilte SPIEGEL ONLINE hingegen mit, ein Teil des am 26. Juli beschlagnahmten Videomaterials sei tatsächlich an diesem Tag angesehen worden. Darüber gebe es einen Vermerk. Einen Tag später habe es dann eine erneute Vorführung gegeben, diesmal "im Beisein des Leiters der Ermittlungsgruppe 'Love Parade'" aus Köln.
Die Sichtung sei jedoch insgesamt "unproblematisch" gewesen, weil sie "dem Bemühen einer umfassenden Berichterstattung" an das Innenministerium gedient habe, schrieb der Leitende Regierungsdirektor Detlef von Schmeling.
Das jedoch erscheint zweifelhaft. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Duisburger Polizei gar nicht mehr zuständig für die Love-Parade-Recherchen, galt es doch, auch ihre eigene Arbeit zu hinterfragen.
"Fernmündliche Vorabsprachen"
Nach Auskunft des nordrhein-westfälischen Innenministeriums hatte es deshalb am Vormittag des 26. Juli, also zwei Tage nach dem Unglück und wenige Stunden vor der fragwürdigen Duisburger Videositzung, "fernmündliche Vorabsprachen" darüber gegeben, dass Köln die Love-Parade-Ermittlungen führen würde.
In einer E-Mail Schmelings vom 26. Juli, die unter anderem an die Führungsstelle der Duisburger Kriminalpolizei ging, heißt es dazu: "Das Innenministerium hat heute um 11 Uhr durch mündlichen Erlass ( ) die Zuständigkeit für die Ermittlungen auf das PP (Polizeipräsidium; d. Red.) Köln übertragen."
Auch der betreffende Kriminalist wird das - vor seiner Sondervorstellung im vierten Stock - gewusst haben.
Keiner der empörten Duisburger Beamten geht gleichwohl davon aus, dass die Aufnahmen in der Runde manipuliert worden sind. Wahrscheinlich wollte der leitende Beamte auch eher wissen denn vertuschen. Er gilt als erbitterter Widersacher des für den Love-Parade-Einsatz verantwortlichen Polizeiführers, der sich nach der Katastrophe krankgemeldet hat.
Womöglich suchte der Chefermittler nach Belastendem - auch ohne Auftrag.