Anklage der Bundesanwaltschaft Zschäpe soll Drahtzieherin des NSU gewesen sein
Welche Rolle spielte Beate Zschäpe innerhalb des Terrortrios NSU? Zeitungsberichten zufolge legt die Anklageschrift nahe, dass sie Drahtzieherin war. Zudem hält die Bundesanwaltschaft für Zschäpe offenbar eine Sicherungsverwahrung für nötig.
Karlsruhe - Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe war laut "Welt" möglicherweise Drahtzieherin des Zwickauer Terrortrios NSU. Der Zeitung zufolge legt dies die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft nahe, die ein neues Bild Zschäpes zeichne: Die Anklage werfe ihr 27 "rechtlich selbstständige Handlungen gemeinschaftlich mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos" vor, darunter zehn Morde, einen versuchten Mord, zwei Sprengstoffexplosionen und eine Brandstiftung mit versuchter Tötung in drei Fällen.
Die Anklageschrift mit dem Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2, die der "Welt" vorliegt, soll 488 Seiten umfassen, als Verschlusssache eingestuft und von Generalbundesanwalt Harald Range persönlich gezeichnet sein. Er hatte vor einer Woche Zschäpe als ein gleichberechtigtes Mitglied des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) bezeichnet. Die 37-Jährige habe der Gruppe "den Anschein von Normalität und Legalität" gegeben.
Im Falle einer Verurteilung Zschäpes hält die Bundesanwaltschaft sogar eine Sicherungsverwahrung für notwendig, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Diese kann bei Straftätern, die ein besonders schweres Verbrechen begangen haben und auf unabsehbare Zeit als extrem gefährlich gelten, für die Zeit nach der zu verbüßenden Haftstrafe angeordnet werden.
Zschäpe ist die einzige Überlebende des NSU, ihre mutmaßlichen Komplizen töteten sich selbst. Als "Managerin des Geldes" habe sie großen Einfluss, schreibt die "Welt" und beruft sich auf die Anklageschrift. Zschäpe habe die Beute verwaltet, die Mundlos und Böhnhardt bei mehr als einem Dutzend Banküberfällen gemacht hätten - insgesamt über 600.000 Euro. Als sich die Männer nach Südafrika absetzen wollten, sei dies am Einspruch Zschäpes gescheitert, die Deutschland nicht verlassen wollte, heißt es in dem Artikel.
Die Bundesanwaltschaft äußerte sich am Freitag nicht zu den Berichten und verwies auf ihre Erklärung zur Anklageerhebung vor einer Woche. Die Zuständigkeit liege jetzt beim Oberlandesgericht München. Zschäpe muss sich dort als NSU-Mitglied und als Mittäterin verantworten. Neben der 37-Jährigen sind auch vier mutmaßliche Unterstützer und Helfer der Zwickauer Zelle angeklagt, darunter der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben.





Beate Zschäpe
Anklage: Mittäterschaft bei zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 bewaffneten Raubüberfällen; Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung; versuchter Mord; besonders schwere Brandstiftung
Untersuchungshaft: seit 8. November 2011
Verbindung zum NSU: Zschäpe, Jahrgang 1975, gilt als Gründungsmitglied der Terrorzelle NSU. Laut Bundesanwaltschaft war sie neben den verstorbenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern der Gruppe. Sie soll selbst keine Morde verübt haben, aber für den NSU unverzichtbar gewesen sein. Laut Anklage sollte Zschäpe der Terrorzelle den Anschein von Normalität geben, war für die Logistik zuständig, verwaltete das Geld, mietete Fahrzeuge an, archivierte Artikel über die Taten der Terroristen, soll an der Beschaffung einer Waffe und gefälschter Papiere beteiligt gewesen sein. Schließlich soll die 37-Jährige das letzte NSU-Versteck in Zwickau in Brand gesetzt und DVDs verschickt haben, in denen sich der NSU zu seinen Taten bekannte.
Ralf Wohlleben
Anklage: Beihilfe zum Mord in neun Fällen
Untersuchungshaft: seit 29. November 2011
Verbindung zum NSU: Wohlleben, Jahrgang 1975, soll dem Terrortrio 1998 beim Untertauchen finanziell geholfen und dem NSU auch später Geld beschafft haben. Ende 1999 oder Anfang 2000 soll der frühere NPD-Funktionär dem NSU mit Hilfe eines Kuriers eine Pistole vom Typ Ceska 83 und Munition besorgt haben - die Tatwaffe für die Morde an neun Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund.
Holger G.
Anklage wegen: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in drei Fällen
Untersuchungshaft: 13. November 2011 bis 25. Mai 2012
Verbindung zum NSU: G., Jahrgang 1974, soll seit dem Ende der neunziger Jahre Kontakt mit dem Terrortrio gehabt haben. Dem NSU soll er seinen Führerschein, eine Krankenversichertenkarte und einen Reisepass überlassen haben. So soll er der Zelle ermöglicht haben, verborgen zu agieren und rechtsextreme Gewalttaten zu verüben. Zudem transportierte er für die Terroristen eine Waffe. G. hat gegenüber den Ermittlern ein umfassendes Geständnis abgelegt.
Carsten S.
Anklage: Beihilfe zum Mord in neun Fällen
Untersuchungshaft: 1. Februar bis 29. Mai 2012
Verbindung zum NSU: S. kaufte - angeblich mit dem Geld Ralf Wohllebens - die Waffe, mit der neun Kleinunternehmer erschossen wurden. Zudem lieferte der 32-Jährige die Pistole an die Terrorzelle nach Chemnitz. S. hat gegenüber der Bundesanwaltschaft ausgesagt und ein umfassendes Geständnis abgelegt.
André E.
Anklage: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag, Beihilfe zum Raub
Untersuchungshaft: 23. November 2011 bis 14. Juni 2012
Verbindung zum NSU: Der gelernte Maurer soll der Terrorzelle seit den neunziger Jahren geholfen haben, etwa bei der Anmietung von Fahrzeugen und einer Wohnung. Der 33-Jährige und seine Frau sollen die NSU-Mitglieder regelmäßig besucht haben. Zudem gab er 2006 Beate Zschäpe als seine Ehefrau aus.
aar/dpa