Abgefangener Waffentransport Irans Revolutionsgarde liefert Raketen an Taliban
48 Kurzstreckenraketen für die Taliban, Absender Iran. Wie Isaf und US-Geheimdienst jetzt bestätigen, stammt die Waffenlieferung, die im Süden Afghanistans abgefangen wurde, aus Beständen der Revolutionsgarden. Es sei nicht das erste Mal, dass Teheran die Nachbarn mit Kriegsgerät versorge.
Kabul/London - Isaf-Truppen haben schon manchen Waffenschmuggel nach Afghanistan abgefangen, aber so einen Fund hatten sie noch nie gemacht: Auf den drei Lastwagen, die sie im Süden des Landes stoppten, entdeckten britische Soldaten 48 Kurzstreckenraketen - hochmodernes Gerät, wie es später heißt - und außerdem 1200 Schuss Munition für Sturmgewehre.
Den Absender der Lieferung hatte die Nato schnell identifiziert. Die Waffen stammten aus Iran.
Der Transport wurde bereits am 5. Februar abgefangen, am Mittwochabend ging der britische Außenminister William Hague mit der Nachricht an die Öffentlichkeit.
"Verantwortungslos" nannte er das Verhalten Irans, "vollkommen inakzeptabel".Aber wer steckt hinter dem Waffenschmuggel? Welche Rolle spielt Teheran in dem Konflikt bei den Nachbarn?
Wie SPIEGEL ONLINE aus US-Geheimdienstkreisen erfuhr, wurden die Raketen von den iranischen Revolutionsgarden ins Land geschmuggelt, genauer: von den zu den Garden gehörenden Al-Kuds-Einheiten, die für die Unterstützung ausländischer Kräfte zuständig sind. Eine Isaf-Sprecherin in Kabul bestätigte diese Information auf Anfrage. "Wir wissen, dass die Al-Kuds-Einheiten hinter der Lieferung stecken."
Allerdings sorgt diese Erkenntnis innerhalb der Nato für Verwunderung, denn das mehrheitlich schiitische Iran steht den sunnitischen Taliban kritisch gegenüber und befürchtet, der Nachbar Afghanistan könnte im Falle eines Erstarkens der Taliban erneut ins Chaos stürzen. Die Revolutionsgarden haben daher in der Vergangenheit die Gegner der Taliban in Afghanistan unterstützt. So erhielt die Nordallianz regelmäßig Waffen aus Iran.
"Es ist gut möglich, dass man in Teheran inzwischen vermutet, dass die Taliban sich auf lange Sicht in Afghanistan durchsetzen werden", sagte ein britischer Nato-Offizier. Und da versucht man, Einfluss zu nehmen auf jene Kräfte, die man für pro-iranisch hält, und Netzwerke aufzubauen." Ein weiteres mögliches Motiv sei, dass man die ungeliebten Taliban unterstütze, um auf diese Weise den noch mehr verhassten USA zu schaden. Die genauen Motive seien aber noch unklar, räumte er ein.
Nachschub für die Frühlingsoffensive der Taliban
Nach Informationen der Nato handelt es sich bei den 48 Raketen, die britische Nato-Streitkräfte Anfang Februar im Süden Afghanistans sicherten, nicht um die erste Waffenlieferung von Iran nach Afghanistan. "Allerdings sind es erstmals 122-Millimeter-Raketen, die eine Reichweite von etwa 20 Kilometern haben", sagte der britische Offizier. "Wir haben aber auch schon kleinere Waffen, Gewehre, Munition, Bauteile für Sprengfallen, 107-Millimeter-Raketen und Granaten sichergestellt, die aus Iran nach Afghanistan kamen."
Es sei außerdem bekannt, dass Al-Kuds-Einheiten afghanische Taliban in der Nutzung von Waffen ausgebildet hätten.
Die Raketen waren offenbar für die Frühlingsoffensive der Taliban bestimmt. Die Waffenlieferung sei der Beweis, dass Iran eine Gefahr darstelle, die über das Nuklearprogramm hinausgehe, sagte der britische Außenminister Hague. Dieses Verhalten stehe im Widerspruch zu der Behauptung des Regimes, es unterstütze die Stabilität und Sicherheit in Afghanistan. Der britische Botschafter in Iran habe das Thema bereits mit dem iranischen Außenminister besprochen. Die Waffen seien geschickt worden, um es den Taliban zu ermöglichen, eine hohe Zahl an afghanischen und Isaf-Soldaten zu töten, sagte Hague.
Erste Hinweise auf iranischen Waffenschmuggel schon 2010
Die Geheimdienste werten die aktuelle Lieferung als ernste Eskalation der Rebellenunterstützung durch die iranische Regierung. Er werde ebenfalls als Eskalation des "Stellvertreterkriegs" interpretiert, den Iran gegen die USA und andere westliche Truppen in Afghanistan führe. Ein hochrangiger Taliban-Führer sei demnach in den vergangenen Wochen nach Iran gereist, um dort einen Führer der iranischen Revolutionsgarden zu treffen und ihn um bessere Waffen im Kampf gegen die Nato-Truppen zu bitten.
Bislang gibt es noch keine Hinweise darauf, dass die 122-Millimeter-Raketen in Afghanistan benutzt wurden, es wurden allerdings bereits ähnliche Raketen aus China und Russland verwendet - Überreste aus den jahrzehntelangen Bürgerkriegen in Afghanistan.
Der Vorwurf, Iran beliefere die Taliban mit Waffen, ist nicht neu. Der frühere Kommandeur der Nato-geführten Internationalen Schutztruppe Isaf, US-General Stanley McChrystal, hatte vor knapp einem Jahr gesagt, es gebe Beweise dafür. Die iranische Regierung hat die Vorwürfe bisher stets zurückgewiesen.
oka/kaz/dpa/Reuters