Krise in Kairo Ägyptens Übergangspräsident löst Oberhaus auf
Der radikale Umbau der ägyptischen Staatsspitze geht weiter. Am frühen Abend erklärte Interimspräsident Mansur das Oberhaus des Parlaments für aufgelöst - dort hatten vor allem Islamisten gesessen. Auch einen neuen Geheimdienstchef ernannte der Staatschef.
Kairo - Die Stimmung in Ägypten bleibt nach den tödlichen Schüssen am Nachmittag in Kairo angespannt. Für die Abendstunden wird ein erhöhtes Risiko für weitere Zusammenstöße erwartet. Zuvor jedoch schreitet der Umbau auf den wichtigsten Posten im Land fort. Übergangspräsident Adli Mansur löste am späten Nachmittag das von den Islamisten dominierte Oberhaus auf. Dies meldete die amtliche Nachrichtenagentur Mena.
Der Schura-Rat, die zweite Kammer der Volksvertretung, hat beratenden Charakter. Das von islamistischen Kräften dominierte Gremium war seit über einem Jahr praktisch die einzige parlamentarische Institution, da die Militärs die Volksversammlung - die erste Kammer - aufgelöst hatten.
Im Schura-Rat besetzten Vertreter der Muslimbruderschaft und der besonders strenggläubigen Salafisten 150 der 270 Sitze. 180 Mitglieder waren gewählt worden. Die restlichen 90 ernannte der am Mittwoch vom Militär abgesetzte Präsident Mohammed Mursi.
Wie das Staatsfernsehen weiter berichtete, ernannte Mansur zudem Mohammed Ahmed Farid zum neuen Geheimdienstchef. Dessen Vorgänger Mohammed Raafat Schehata wurde zum Sicherheitsberater berufen.
Zuvor hatte es einen ersten schweren Zwischenfall auf den Straßen der Hauptstadt gegeben. Mursi-Anhänger und Soldaten lieferten sich am Nachmittag einen Schusswechsel. Nach Angaben der Nachrichtenagenturen AFP und Reuters gab es mindestens drei Tote.
Ein Sprecher des Militärs dementierte die Darstellungen. Die Armee habe lediglich Platzpatronen und Tränengas gegen die Demonstranten eingesetzt, hieß es.
Wo verbirgt sich Mursi?
Im Offiziersclub der Republikanischen Garde soll Mursi festgehalten werden. Sicher ist dies jedoch nicht. Die Republikanische Garde hat die Aufgabe, die Hauptstadt und insbesondere strategisch wichtige Zentren wie den Präsidentenpalast zu schützen.
Unklar bleibt, wer den Schusswechsel begonnen hat. Von beiden Seiten war dem Bericht zufolge Gewehrfeuer zu hören, mehrere Demonstranten fielen zu Boden. Die Muslimbrüder und weitere islamistische Organisationen hatten für Freitag landesweit zu friedlichen Demonstrationen gegen die Entmachtung Mursis aufgerufen.
Tatsächlich demonstrierten Zehntausende Ägypter am Freitag nach dem Mittagsgebet in Kairo und anderen Städten. Sie zogen durch die Straßen, um gegen die Absetzung Mursis durch das Militär zu protestieren. Mit dem "Freitag der Ablehnung" wollten die Islamisten zum Ausdruck bringen, dass sie den "Militärputsch" nicht hinnehmen.
Auch die Mursi-Gegner wollen auf die Straße
Die größte Kundgebung fand vor der Rabia-al-Adawija-Moschee in der Kairoer Vorstadt Nasr City statt. Tausende Menschen strömten auch in Alexandria, Luxor und Damanhur im Nildelta zusammen. Auch die Gegner Mursis, die den Militäreinsatz begrüßen, riefen zu Demonstrationen auf. Ihre Botschaft: Die Islamisten strebten eine Konterrevolution an, deshalb dürfe ihnen die Straße nicht überlassen werden.
Das Militär hatte Mursi am Mittwoch gestürzt, nachdem er tagelange, zum Teil blutige Massenproteste gegen seine Herrschaft nicht hatte beruhigen können. Verfassungsgerichtspräsident Mansur trat die vorübergehende Nachfolge an.
jok/Reuters/AFP/dpa